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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Mittel, welche uns zu Gebote standen, um unsere äußere Erscheinung einiger-
maßen in Einklang mit der glänzenden Gesellschaft zu bringen, welche unsrer
harrte. Das Hotel, ein sehr großes Gebäude, umschloß einen inne¬
ren Hof, welcher vermittelst eines gepflasterten Thorweges unter den
oberen Stockwerken mit der Straße in Verbindung stand. Dieser Thor¬
weg schied also, wie bei vielen französischen Hotels, das Erdgeschoß
in zwei gleiche Hälften, welche zunächst durch Glasthüren abgeschlos¬
sen waren. Zur Rechten für den von der Straße Eintretenden, lag
der große Eßsaal mit seinen Vor- und Seitenzimmern, und links war
ein Vorplatz, von dem aus die Treppen in die oberen Stockwerke führten;
weiterhin verschiedene größere Empfangszimmer, welche die Gäste nach Be¬
endigung des Mahles aufzunehmen bestimmt waren. Am Eingange des
Eßsciales, welcher in der Höhe außer dem Erdgeschosse das erste Stockwerk
einnahm, und dessen Decke, da er verhältnißmäßig groß war, von Säulen
getragen wurde, warteten unsrer der General-Gouverneur von Elsaß-Loth¬
ringen in Gesellschaft des Commandanten von Straßburg, Generallieutenants
v. Decker, des Civil-Commissars Präsidenten von Kühlwetter, und des Prä-
fecten Grafen Lurburg, und Simson stellte uns einzeln vor; der Geladenen
mochten reichlich hundert sein. Außer einer Menge glänzender Uniformen
sah man auch viele höhere Angestellte in Civilkleidung. Die Tafel nahm in
Form eines rechten Winkels zwei Seiten des Saales ein und bald hatte ein
Jeder seinen Platz gewählt. Ueber Speisen und Weine bedarf es keiner wei¬
teren Angaben. Man weiß, daß die französischen Köche wirklich an der'
Spitze der sie speciell betreffenden Abzweigung der Civilisation marschiren.
Diesen Ruhm können wir unseren Nachbarn gern gönnen, ebenso wie den¬
jenigen, als Tanzmeister, Friseure und Barbiere es uns und allen übrigen
Völkern zuvorzuthun. Es war Alles ohne Tadel.

Graf Bismarck-Bohlen brachte die Gesundheit des Königs, unseres
künftigen Kaisers aus; Präsident von Kühlwetter in längerer, sehr gut ge¬
setzter Rede, in der er der politischen Ereignisse, des bisherigen Ganges des
Krieges, der Einigung Deutschlands und unserer Sendung gedachte, diejenige
der Adreß-Deputation des Reichstages, worauf Präsident Simson mit einem
Hoch auf die vereinigten deutschen Heere und Führer, insbesondere der in
Straßburg anwesenden, antwortete. General von Decker ließ den Reichstag
des norddeutschen Bundes hoch leben. In gehobener Stimmung verließen
sämmtliche Gäste die Tafel, und verfügten sich in den jenseitigen Theil des
Gebäudes, wo man noch Stunden lang bei der Cigarre den Lauf der uns
unmittelbar berührenden welthistorischen Ereignisse besprach.

Da unsere Abfahrt auf den nächsten Tag, 7Vs Uhr Morgens angesetzt
war, zu einer Stunde, zu der es kaum anfing, Tag zu werden, so hatte ich


Mittel, welche uns zu Gebote standen, um unsere äußere Erscheinung einiger-
maßen in Einklang mit der glänzenden Gesellschaft zu bringen, welche unsrer
harrte. Das Hotel, ein sehr großes Gebäude, umschloß einen inne¬
ren Hof, welcher vermittelst eines gepflasterten Thorweges unter den
oberen Stockwerken mit der Straße in Verbindung stand. Dieser Thor¬
weg schied also, wie bei vielen französischen Hotels, das Erdgeschoß
in zwei gleiche Hälften, welche zunächst durch Glasthüren abgeschlos¬
sen waren. Zur Rechten für den von der Straße Eintretenden, lag
der große Eßsaal mit seinen Vor- und Seitenzimmern, und links war
ein Vorplatz, von dem aus die Treppen in die oberen Stockwerke führten;
weiterhin verschiedene größere Empfangszimmer, welche die Gäste nach Be¬
endigung des Mahles aufzunehmen bestimmt waren. Am Eingange des
Eßsciales, welcher in der Höhe außer dem Erdgeschosse das erste Stockwerk
einnahm, und dessen Decke, da er verhältnißmäßig groß war, von Säulen
getragen wurde, warteten unsrer der General-Gouverneur von Elsaß-Loth¬
ringen in Gesellschaft des Commandanten von Straßburg, Generallieutenants
v. Decker, des Civil-Commissars Präsidenten von Kühlwetter, und des Prä-
fecten Grafen Lurburg, und Simson stellte uns einzeln vor; der Geladenen
mochten reichlich hundert sein. Außer einer Menge glänzender Uniformen
sah man auch viele höhere Angestellte in Civilkleidung. Die Tafel nahm in
Form eines rechten Winkels zwei Seiten des Saales ein und bald hatte ein
Jeder seinen Platz gewählt. Ueber Speisen und Weine bedarf es keiner wei¬
teren Angaben. Man weiß, daß die französischen Köche wirklich an der'
Spitze der sie speciell betreffenden Abzweigung der Civilisation marschiren.
Diesen Ruhm können wir unseren Nachbarn gern gönnen, ebenso wie den¬
jenigen, als Tanzmeister, Friseure und Barbiere es uns und allen übrigen
Völkern zuvorzuthun. Es war Alles ohne Tadel.

Graf Bismarck-Bohlen brachte die Gesundheit des Königs, unseres
künftigen Kaisers aus; Präsident von Kühlwetter in längerer, sehr gut ge¬
setzter Rede, in der er der politischen Ereignisse, des bisherigen Ganges des
Krieges, der Einigung Deutschlands und unserer Sendung gedachte, diejenige
der Adreß-Deputation des Reichstages, worauf Präsident Simson mit einem
Hoch auf die vereinigten deutschen Heere und Führer, insbesondere der in
Straßburg anwesenden, antwortete. General von Decker ließ den Reichstag
des norddeutschen Bundes hoch leben. In gehobener Stimmung verließen
sämmtliche Gäste die Tafel, und verfügten sich in den jenseitigen Theil des
Gebäudes, wo man noch Stunden lang bei der Cigarre den Lauf der uns
unmittelbar berührenden welthistorischen Ereignisse besprach.

Da unsere Abfahrt auf den nächsten Tag, 7Vs Uhr Morgens angesetzt
war, zu einer Stunde, zu der es kaum anfing, Tag zu werden, so hatte ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/299>, abgerufen am 18.05.2024.