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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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sitzende, ebenfalls gekrönte'Christuskind hat ein rothes', mit goldenen Blumen
geschmücktes Kleid. In der Linken hält es die Weltkugel.

Das Mosaik besteht aus cubischen Email-Paften, (d. i. undurchsichtiges
Glas) von meist 2/2 Zoll Seite, jedoch, je dem Bedürfnisse entsprechend, oft
auch kleiner und von anderer Form, in wenigen Fällen auch größer. Die
einzelnen Paften verjüngen sich nach hinten pyramidal, um dem sie fest hal¬
tenden Cement mehr Raum zu lassen. Sie sind meist durch und durch von
homogener Masse und undurchsichtig. Nur die goldenen haben auf schwarzem
oder rothem Glase einen feinen Ueberzug von echtem Golde, welches durch
eine seine Schicht farblosen, durchsichtigen Glases vor schädlichen Einflüssen
geschützt wird. Diese Paften sind durchaus ähnlich denjenigen, welche im Mit¬
telalter in Italien für die Mosaiken in den Tribunen der Basiliken benutzt
wurden, und höchst wahrscheinlich gleichen Ursprungs wie jene. Die Mauer¬
nische, in welcher die Statue steht, ist ebenfalls mit Mosaik überzogen und
zwar im Hintergrunde golden, an den Seiten blau mit goldenen Sternen.
Der nach außen hin abfallende Bogen der Nische ist mit gelben und dunkel¬
grünen Fliesen von glasirtem Thon bedeckt.

Der in seinen Farben harmonisch zusammenwirkende Mosaik-Ueberzug
der Statue, welcher durch Künstler ausgeführt wurde, die sonst nur Bilder
auf ebener Fläche anfertigen, welche also mit den Gesetzen der Plastik nicht
vertraut waren, hat veranlaßt, daß die vorher wahrscheinlich bessere Statue
in einzelnen Theilen ihre guten Verhältnisse verloren hat. Namentlich erscheint
der rechte Arm zu kurz, die rechte Hand sehr ungeschickt, während andere
Theile, besonders der Faltenwurf, sehr vortrefflich sind. In ihrer architekto¬
nischen Gesammtwirkung aber macht diese Madonnen-Statue, schon durch ihre
Größe und ihren zauberhaften Farbenschimmer, auf jeden Unbefangenen einen
gewaltigen, überwältigenden Eindruck. Besonders großartig ist ihre Wirkung,
wenn sie von der Morgensonne beschienen, oder von dem milden Licht des
Mondes beleuchtet wird.

Alte Beschreibungen derselben besitzen wir nicht. Doch gibt es eine
hübsche Erzählung, welche der Chronist Johann v. Positge berichtet*) (Lin-
denblatt's Jahrbücher, herausgegeben von Voigt u. Schubert, Seite 229,
und Lerixtores Rerum Vi-ussiearum Bd. III. S. 321) und den Beweis von
dem Ansehen liefert, in welchem die Statue in alter Zeit bei dem Volke
stand. Während der Belagerung Marienburgs durch die Polen im Jahre 1410
nämlich hatte ein Büchsenschütze sein Feuerrohr auf die Madonna gerichtet
und "vvläs setussm esu äem Iiuse deZm. Hasel' Libu ?ron>pill bilcis



") Abweichend wird die Begebenheit von dem wenig glaubwürdigen Simon Gmnau er¬
zählt. Vergl. I. Voigt, Geschichte Marienburgs, Seite 27S.
Grenzboten I. 1871. 5

sitzende, ebenfalls gekrönte'Christuskind hat ein rothes', mit goldenen Blumen
geschmücktes Kleid. In der Linken hält es die Weltkugel.

Das Mosaik besteht aus cubischen Email-Paften, (d. i. undurchsichtiges
Glas) von meist 2/2 Zoll Seite, jedoch, je dem Bedürfnisse entsprechend, oft
auch kleiner und von anderer Form, in wenigen Fällen auch größer. Die
einzelnen Paften verjüngen sich nach hinten pyramidal, um dem sie fest hal¬
tenden Cement mehr Raum zu lassen. Sie sind meist durch und durch von
homogener Masse und undurchsichtig. Nur die goldenen haben auf schwarzem
oder rothem Glase einen feinen Ueberzug von echtem Golde, welches durch
eine seine Schicht farblosen, durchsichtigen Glases vor schädlichen Einflüssen
geschützt wird. Diese Paften sind durchaus ähnlich denjenigen, welche im Mit¬
telalter in Italien für die Mosaiken in den Tribunen der Basiliken benutzt
wurden, und höchst wahrscheinlich gleichen Ursprungs wie jene. Die Mauer¬
nische, in welcher die Statue steht, ist ebenfalls mit Mosaik überzogen und
zwar im Hintergrunde golden, an den Seiten blau mit goldenen Sternen.
Der nach außen hin abfallende Bogen der Nische ist mit gelben und dunkel¬
grünen Fliesen von glasirtem Thon bedeckt.

Der in seinen Farben harmonisch zusammenwirkende Mosaik-Ueberzug
der Statue, welcher durch Künstler ausgeführt wurde, die sonst nur Bilder
auf ebener Fläche anfertigen, welche also mit den Gesetzen der Plastik nicht
vertraut waren, hat veranlaßt, daß die vorher wahrscheinlich bessere Statue
in einzelnen Theilen ihre guten Verhältnisse verloren hat. Namentlich erscheint
der rechte Arm zu kurz, die rechte Hand sehr ungeschickt, während andere
Theile, besonders der Faltenwurf, sehr vortrefflich sind. In ihrer architekto¬
nischen Gesammtwirkung aber macht diese Madonnen-Statue, schon durch ihre
Größe und ihren zauberhaften Farbenschimmer, auf jeden Unbefangenen einen
gewaltigen, überwältigenden Eindruck. Besonders großartig ist ihre Wirkung,
wenn sie von der Morgensonne beschienen, oder von dem milden Licht des
Mondes beleuchtet wird.

Alte Beschreibungen derselben besitzen wir nicht. Doch gibt es eine
hübsche Erzählung, welche der Chronist Johann v. Positge berichtet*) (Lin-
denblatt's Jahrbücher, herausgegeben von Voigt u. Schubert, Seite 229,
und Lerixtores Rerum Vi-ussiearum Bd. III. S. 321) und den Beweis von
dem Ansehen liefert, in welchem die Statue in alter Zeit bei dem Volke
stand. Während der Belagerung Marienburgs durch die Polen im Jahre 1410
nämlich hatte ein Büchsenschütze sein Feuerrohr auf die Madonna gerichtet
und „vvläs setussm esu äem Iiuse deZm. Hasel' Libu ?ron>pill bilcis



») Abweichend wird die Begebenheit von dem wenig glaubwürdigen Simon Gmnau er¬
zählt. Vergl. I. Voigt, Geschichte Marienburgs, Seite 27S.
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[0041] sitzende, ebenfalls gekrönte'Christuskind hat ein rothes', mit goldenen Blumen geschmücktes Kleid. In der Linken hält es die Weltkugel. Das Mosaik besteht aus cubischen Email-Paften, (d. i. undurchsichtiges Glas) von meist 2/2 Zoll Seite, jedoch, je dem Bedürfnisse entsprechend, oft auch kleiner und von anderer Form, in wenigen Fällen auch größer. Die einzelnen Paften verjüngen sich nach hinten pyramidal, um dem sie fest hal¬ tenden Cement mehr Raum zu lassen. Sie sind meist durch und durch von homogener Masse und undurchsichtig. Nur die goldenen haben auf schwarzem oder rothem Glase einen feinen Ueberzug von echtem Golde, welches durch eine seine Schicht farblosen, durchsichtigen Glases vor schädlichen Einflüssen geschützt wird. Diese Paften sind durchaus ähnlich denjenigen, welche im Mit¬ telalter in Italien für die Mosaiken in den Tribunen der Basiliken benutzt wurden, und höchst wahrscheinlich gleichen Ursprungs wie jene. Die Mauer¬ nische, in welcher die Statue steht, ist ebenfalls mit Mosaik überzogen und zwar im Hintergrunde golden, an den Seiten blau mit goldenen Sternen. Der nach außen hin abfallende Bogen der Nische ist mit gelben und dunkel¬ grünen Fliesen von glasirtem Thon bedeckt. Der in seinen Farben harmonisch zusammenwirkende Mosaik-Ueberzug der Statue, welcher durch Künstler ausgeführt wurde, die sonst nur Bilder auf ebener Fläche anfertigen, welche also mit den Gesetzen der Plastik nicht vertraut waren, hat veranlaßt, daß die vorher wahrscheinlich bessere Statue in einzelnen Theilen ihre guten Verhältnisse verloren hat. Namentlich erscheint der rechte Arm zu kurz, die rechte Hand sehr ungeschickt, während andere Theile, besonders der Faltenwurf, sehr vortrefflich sind. In ihrer architekto¬ nischen Gesammtwirkung aber macht diese Madonnen-Statue, schon durch ihre Größe und ihren zauberhaften Farbenschimmer, auf jeden Unbefangenen einen gewaltigen, überwältigenden Eindruck. Besonders großartig ist ihre Wirkung, wenn sie von der Morgensonne beschienen, oder von dem milden Licht des Mondes beleuchtet wird. Alte Beschreibungen derselben besitzen wir nicht. Doch gibt es eine hübsche Erzählung, welche der Chronist Johann v. Positge berichtet*) (Lin- denblatt's Jahrbücher, herausgegeben von Voigt u. Schubert, Seite 229, und Lerixtores Rerum Vi-ussiearum Bd. III. S. 321) und den Beweis von dem Ansehen liefert, in welchem die Statue in alter Zeit bei dem Volke stand. Während der Belagerung Marienburgs durch die Polen im Jahre 1410 nämlich hatte ein Büchsenschütze sein Feuerrohr auf die Madonna gerichtet und „vvläs setussm esu äem Iiuse deZm. Hasel' Libu ?ron>pill bilcis ») Abweichend wird die Begebenheit von dem wenig glaubwürdigen Simon Gmnau er¬ zählt. Vergl. I. Voigt, Geschichte Marienburgs, Seite 27S. Grenzboten I. 1871. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/41>, abgerufen am 24.05.2024.