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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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unter Anderem noch hinzu: "-- Nach solchem Triumph tritt eine gewisse
wohlthätige Beruhigung ein, daß ein großer Schritt in der Welt abermals
abgethan ist. Auf jeden Fall war ich hier bei Oberon auf einem viel un¬
sicherem Standpunkte, als bei meinen früheren Werken. Die Eifersucht der
Theater, das höchst erregbare Publicum, das immer an Opposition gewöhnt
ist und sich darin gefällt, und die Ereignisse den Tag vorher (der Paton war
ein Stück Decoration auf den Kopf gefallen, weshalb sie die Generalprobe
nicht mitmachte), das Alles machte den Erfolg doppelt schätzenswert!)." --
"Die Paton sang herrlich, und die Borstellung griff so ineinander, mit solchem
Feuer und Liebe, wie Du wohl weißt, daß meine Musik das Glück hat, bei
den Menschen hervorzubringen. Wie oft habe ich dabei an Dich gedacht!" --
Der Beifall verblieb danach in gleicher Höhe bei den, wie er Lina schreibt, "in
ununterbrochener Reihe und bei immer überfüllten Häusern" stattfindenden
Wiederholungen der Oper; die 28ste nennt er ihr als am 29. Mai statt gehabt;
die ersten 12 hatte er selbst dirigirt. -- An Honorar erhielt W. von Kemble
S00 Pfd. Sterling. -- Das Interesse des Publicums gab sich während
dieser Zeit nochmals lebhaft und überraschend kund bet einer Gelegen¬
heit, wo sein neues Werk nur indirect eine Verbindung zwischen Publicum
und Componisten bildete. Er schrieb darüber am 30. April nach
Dresden: " -- Gestern war denn ein interessanter Tag, die erste Vorstellung
von meines sogenannten Rivals Bishop's Oper "Aladin". Mit Mühe
waren Plätze zu bekommen. Einer der Inhaber des Theaters bot mir
aber seine Loge an und machte mir sogar die Visite vorher. Wir aßen
alle zu Hause und fuhren dann in Drurhlane. Kaum trat ich in die Loge
und wurde gesehn, als das ganze Haus aufstand und mich mit dem größesten
Enthusiasmus empfing. Dieß in einem fremden Theater, an diesem
Tage zeigte recht von der Liebe der Nation und freute mich sehr." -- Dieser
lebhaften Theilnahme des englischen Publicums stehen manche Aeußerungen
der englischen Kritik entgegen. Nach ihnen ist die Musik des Oberon schwer
und zuweilen melodielos; Ersteres wäre durch die Originalität und Tiefe des
Werks, bei Mangel genauerer Bekanntschaft mit demselben leicht erklärlich.
Letzteres ist dies nicht, da Oberon melodiöser, als manches Andere von W.--
In dem Referat der Londoner musikalischen Zeitschrift des "Harmo-
nicon" heißt es damals unter Andern?: "--Von der Musik bemerken
wir hier im Allgemeinen, daß sie mehr auf das wissenschaftliche Urtheil der
Kenner, als auf die große Menge berechnet ist. Sie ist nicht ohne Melodie
-- wie Manche behaupten^!), -- doch ist diese für ungeübte Hörer durch
eine fast übermächtige Fülle der Begleitung meist verdeckt. Wir hörten die
Probe und bewunderten viele Partieen; wir wohnten der ersten Aufführung
bei und bemerkten Manches, was uns am Abend zuvor entgangen war, und


unter Anderem noch hinzu: „— Nach solchem Triumph tritt eine gewisse
wohlthätige Beruhigung ein, daß ein großer Schritt in der Welt abermals
abgethan ist. Auf jeden Fall war ich hier bei Oberon auf einem viel un¬
sicherem Standpunkte, als bei meinen früheren Werken. Die Eifersucht der
Theater, das höchst erregbare Publicum, das immer an Opposition gewöhnt
ist und sich darin gefällt, und die Ereignisse den Tag vorher (der Paton war
ein Stück Decoration auf den Kopf gefallen, weshalb sie die Generalprobe
nicht mitmachte), das Alles machte den Erfolg doppelt schätzenswert!)." —
„Die Paton sang herrlich, und die Borstellung griff so ineinander, mit solchem
Feuer und Liebe, wie Du wohl weißt, daß meine Musik das Glück hat, bei
den Menschen hervorzubringen. Wie oft habe ich dabei an Dich gedacht!" —
Der Beifall verblieb danach in gleicher Höhe bei den, wie er Lina schreibt, „in
ununterbrochener Reihe und bei immer überfüllten Häusern" stattfindenden
Wiederholungen der Oper; die 28ste nennt er ihr als am 29. Mai statt gehabt;
die ersten 12 hatte er selbst dirigirt. — An Honorar erhielt W. von Kemble
S00 Pfd. Sterling. — Das Interesse des Publicums gab sich während
dieser Zeit nochmals lebhaft und überraschend kund bet einer Gelegen¬
heit, wo sein neues Werk nur indirect eine Verbindung zwischen Publicum
und Componisten bildete. Er schrieb darüber am 30. April nach
Dresden: „ — Gestern war denn ein interessanter Tag, die erste Vorstellung
von meines sogenannten Rivals Bishop's Oper „Aladin". Mit Mühe
waren Plätze zu bekommen. Einer der Inhaber des Theaters bot mir
aber seine Loge an und machte mir sogar die Visite vorher. Wir aßen
alle zu Hause und fuhren dann in Drurhlane. Kaum trat ich in die Loge
und wurde gesehn, als das ganze Haus aufstand und mich mit dem größesten
Enthusiasmus empfing. Dieß in einem fremden Theater, an diesem
Tage zeigte recht von der Liebe der Nation und freute mich sehr." — Dieser
lebhaften Theilnahme des englischen Publicums stehen manche Aeußerungen
der englischen Kritik entgegen. Nach ihnen ist die Musik des Oberon schwer
und zuweilen melodielos; Ersteres wäre durch die Originalität und Tiefe des
Werks, bei Mangel genauerer Bekanntschaft mit demselben leicht erklärlich.
Letzteres ist dies nicht, da Oberon melodiöser, als manches Andere von W.—
In dem Referat der Londoner musikalischen Zeitschrift des „Harmo-
nicon" heißt es damals unter Andern?: „—Von der Musik bemerken
wir hier im Allgemeinen, daß sie mehr auf das wissenschaftliche Urtheil der
Kenner, als auf die große Menge berechnet ist. Sie ist nicht ohne Melodie
— wie Manche behaupten^!), — doch ist diese für ungeübte Hörer durch
eine fast übermächtige Fülle der Begleitung meist verdeckt. Wir hörten die
Probe und bewunderten viele Partieen; wir wohnten der ersten Aufführung
bei und bemerkten Manches, was uns am Abend zuvor entgangen war, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/508>, abgerufen am 18.06.2024.