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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Verlegers A. M. Schlesinger war der Clavier-Auszug des Oberon W. mit
1500 Thlrn. honorirt worden.

Auf dem Hofoperntheater zu Wien kam Oberon erst 1829 am
4. Februar zum ersten Male, und zwar nach der Original-Partitur
und in der Original-Gestalt, zur Aufführung und ist, vielfach gegeben, seit¬
dem mehrere Male neu in Scene gesetzt, wie dies jetzt wiederum
in dem neuen Wiener Opernhause nächstdem bevorstehen soll. Der Zeit nach
ging Wien in der Aufführung dieser Oper eigentlich Berlin voran. Wie
wenig aber die hochgebildeten musikalischen Kunstfreunde Wiens diese Priori¬
tät in Anspruch nehmen dürften, wird sich erklären, wenn man den Zettel
des Josephstädter Theaters daselbst vom 20. März 1827 (an welchem
Tage der Oberon auf dieser Bühne zum ersten Male gegeben wurde) liest,
auf welchem es unter Andrem heißt: ,,nach der Hellsehen Uebersetzung aus
dem Englischen des Planchö, von Meist bearbeitet; Musik von
C. M. v. Weber; nach dem Clavier-Auszuge instrumentirt, vermehrt und
abgeändert von Franz Gläser zum Benefiz desselben." Wenn diese Verballhornung
auch nicht spurlos vorübergegangen wäre, so konnte sie wohl schon an und für
sich an dieser Stelle als gewissermaßen ungeschehen betrachtet werden.

In Paris kam die Oper nur langsam zum Durchbruch. 1826 wurde dem
dortigen Publicum die Bekanntschaft damit durch die Aufführung der Ouver¬
türe eröffnet; sie ging damals spurlos vorüber; 10 Jahre später, von Ha¬
beneck im Conservatoire vorgeführt, riß sie zur höchsten Bewunderung hin.
Bei der großen Concurrenz-Aufführung seitens der Musikchöre der verschiedenen
europäischen Armeen feierte mit derselben Ouvertüre am 21. Juli 1867 eben
dort die K. Preußische Militär-Musik durch die Musikchöre zweier K. Garde-
Regimenter unter Leitung ihres General-Directors W. Wiep recht jenen
damals durch die Welt schallenden Triumph. -- Aber etwa um 1844 schon
wurden in Paris in den Concerten des Konservatoriums Elfenchor und
Finale I, noch später 2 andere Stücke mit Enthusiasmus aufgenommen. Nur
zweimal dagegen wurde, mit Wilhelmine Schröder-Devrient als Rezia-
die ganze Oper deutsch im Theater Favart (jetzt OzMg, eoini<in<z) ohne be¬
sondere Wirkung, freilich auch musikalisch sehr nachlässig und äußerlich sehr
schlecht ausgestattet, gegeben, bis sie 1887 im ^IMtre Iz^i<zu<z mit höchst
glänzendem Erfolge auf Berlioz' Anregung unter Deloffre's Direction voll¬
ständig zur Ausführung gelangte und W.'s Namen, dem das französische Volk
schon immer mit Vorliebe huldigte, neue Lorbeern brachte. Berlioz sagt
nach diesen Aufführungen unter Anderm: "-- Was W.'s Jnstrumentation
anlangt, so will ich bloß anführen, daß sie reich, mannigfaltig und von
bewundrungswürdiger Originalität ist. Ein feiner kritischer Sinn ist außer¬
dem eine seiner hervorragenden Eigenschaften. Nirgends dem guten Geschmack


Verlegers A. M. Schlesinger war der Clavier-Auszug des Oberon W. mit
1500 Thlrn. honorirt worden.

Auf dem Hofoperntheater zu Wien kam Oberon erst 1829 am
4. Februar zum ersten Male, und zwar nach der Original-Partitur
und in der Original-Gestalt, zur Aufführung und ist, vielfach gegeben, seit¬
dem mehrere Male neu in Scene gesetzt, wie dies jetzt wiederum
in dem neuen Wiener Opernhause nächstdem bevorstehen soll. Der Zeit nach
ging Wien in der Aufführung dieser Oper eigentlich Berlin voran. Wie
wenig aber die hochgebildeten musikalischen Kunstfreunde Wiens diese Priori¬
tät in Anspruch nehmen dürften, wird sich erklären, wenn man den Zettel
des Josephstädter Theaters daselbst vom 20. März 1827 (an welchem
Tage der Oberon auf dieser Bühne zum ersten Male gegeben wurde) liest,
auf welchem es unter Andrem heißt: ,,nach der Hellsehen Uebersetzung aus
dem Englischen des Planchö, von Meist bearbeitet; Musik von
C. M. v. Weber; nach dem Clavier-Auszuge instrumentirt, vermehrt und
abgeändert von Franz Gläser zum Benefiz desselben." Wenn diese Verballhornung
auch nicht spurlos vorübergegangen wäre, so konnte sie wohl schon an und für
sich an dieser Stelle als gewissermaßen ungeschehen betrachtet werden.

In Paris kam die Oper nur langsam zum Durchbruch. 1826 wurde dem
dortigen Publicum die Bekanntschaft damit durch die Aufführung der Ouver¬
türe eröffnet; sie ging damals spurlos vorüber; 10 Jahre später, von Ha¬
beneck im Conservatoire vorgeführt, riß sie zur höchsten Bewunderung hin.
Bei der großen Concurrenz-Aufführung seitens der Musikchöre der verschiedenen
europäischen Armeen feierte mit derselben Ouvertüre am 21. Juli 1867 eben
dort die K. Preußische Militär-Musik durch die Musikchöre zweier K. Garde-
Regimenter unter Leitung ihres General-Directors W. Wiep recht jenen
damals durch die Welt schallenden Triumph. — Aber etwa um 1844 schon
wurden in Paris in den Concerten des Konservatoriums Elfenchor und
Finale I, noch später 2 andere Stücke mit Enthusiasmus aufgenommen. Nur
zweimal dagegen wurde, mit Wilhelmine Schröder-Devrient als Rezia-
die ganze Oper deutsch im Theater Favart (jetzt OzMg, eoini<in<z) ohne be¬
sondere Wirkung, freilich auch musikalisch sehr nachlässig und äußerlich sehr
schlecht ausgestattet, gegeben, bis sie 1887 im ^IMtre Iz^i<zu<z mit höchst
glänzendem Erfolge auf Berlioz' Anregung unter Deloffre's Direction voll¬
ständig zur Ausführung gelangte und W.'s Namen, dem das französische Volk
schon immer mit Vorliebe huldigte, neue Lorbeern brachte. Berlioz sagt
nach diesen Aufführungen unter Anderm: „— Was W.'s Jnstrumentation
anlangt, so will ich bloß anführen, daß sie reich, mannigfaltig und von
bewundrungswürdiger Originalität ist. Ein feiner kritischer Sinn ist außer¬
dem eine seiner hervorragenden Eigenschaften. Nirgends dem guten Geschmack


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[0513] Verlegers A. M. Schlesinger war der Clavier-Auszug des Oberon W. mit 1500 Thlrn. honorirt worden. Auf dem Hofoperntheater zu Wien kam Oberon erst 1829 am 4. Februar zum ersten Male, und zwar nach der Original-Partitur und in der Original-Gestalt, zur Aufführung und ist, vielfach gegeben, seit¬ dem mehrere Male neu in Scene gesetzt, wie dies jetzt wiederum in dem neuen Wiener Opernhause nächstdem bevorstehen soll. Der Zeit nach ging Wien in der Aufführung dieser Oper eigentlich Berlin voran. Wie wenig aber die hochgebildeten musikalischen Kunstfreunde Wiens diese Priori¬ tät in Anspruch nehmen dürften, wird sich erklären, wenn man den Zettel des Josephstädter Theaters daselbst vom 20. März 1827 (an welchem Tage der Oberon auf dieser Bühne zum ersten Male gegeben wurde) liest, auf welchem es unter Andrem heißt: ,,nach der Hellsehen Uebersetzung aus dem Englischen des Planchö, von Meist bearbeitet; Musik von C. M. v. Weber; nach dem Clavier-Auszuge instrumentirt, vermehrt und abgeändert von Franz Gläser zum Benefiz desselben." Wenn diese Verballhornung auch nicht spurlos vorübergegangen wäre, so konnte sie wohl schon an und für sich an dieser Stelle als gewissermaßen ungeschehen betrachtet werden. In Paris kam die Oper nur langsam zum Durchbruch. 1826 wurde dem dortigen Publicum die Bekanntschaft damit durch die Aufführung der Ouver¬ türe eröffnet; sie ging damals spurlos vorüber; 10 Jahre später, von Ha¬ beneck im Conservatoire vorgeführt, riß sie zur höchsten Bewunderung hin. Bei der großen Concurrenz-Aufführung seitens der Musikchöre der verschiedenen europäischen Armeen feierte mit derselben Ouvertüre am 21. Juli 1867 eben dort die K. Preußische Militär-Musik durch die Musikchöre zweier K. Garde- Regimenter unter Leitung ihres General-Directors W. Wiep recht jenen damals durch die Welt schallenden Triumph. — Aber etwa um 1844 schon wurden in Paris in den Concerten des Konservatoriums Elfenchor und Finale I, noch später 2 andere Stücke mit Enthusiasmus aufgenommen. Nur zweimal dagegen wurde, mit Wilhelmine Schröder-Devrient als Rezia- die ganze Oper deutsch im Theater Favart (jetzt OzMg, eoini<in<z) ohne be¬ sondere Wirkung, freilich auch musikalisch sehr nachlässig und äußerlich sehr schlecht ausgestattet, gegeben, bis sie 1887 im ^IMtre Iz^i<zu<z mit höchst glänzendem Erfolge auf Berlioz' Anregung unter Deloffre's Direction voll¬ ständig zur Ausführung gelangte und W.'s Namen, dem das französische Volk schon immer mit Vorliebe huldigte, neue Lorbeern brachte. Berlioz sagt nach diesen Aufführungen unter Anderm: „— Was W.'s Jnstrumentation anlangt, so will ich bloß anführen, daß sie reich, mannigfaltig und von bewundrungswürdiger Originalität ist. Ein feiner kritischer Sinn ist außer¬ dem eine seiner hervorragenden Eigenschaften. Nirgends dem guten Geschmack

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/513>, abgerufen am 18.06.2024.