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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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franken vertheilen, ist nicht eine einzige im Sinne der Ultramontanen ausge¬
fallen. Bei Ansbach kann dies nicht Wunder nehmen, da Mittelfranken von
jeher zur deutschen Sache stand; um so merkwürdiger ist das Ergebniß in den
3 übrigen Bezirken. Die erste dieser drei Wahlen fand nämlich in Kelheim
statt, in dem kleinen niederbairischen Städtlein, das trotz der Ruhmeshalle,
die dort zum Himmel ragt, bisher in ziemlicher Dunkelheit dahinlebte. Der
Candidat, den die Ultramontanen dort aufstellten, ist der Nachgeborene einer
adeligen in Niederbaiern begüterten Familie, ein Name, der in den bairischen
Annalen guten Klang besitzt und so mußte man denn sehr befürchten, daß
er in den dämmerhellen Gemüthern jener Gegend einen vollständigen Sieg
erringen werde. Allein die Gegend war besser als ihr Ruf, sie verschmähte
den jungen Grafen, und gab dem nationalliberalen Candidaten eine bedeu¬
tende Mehrheit.

Die beiden schwäbischen Bezirke, die eine Nachwahl nöthig machten, sind
Dillingen und Kaufoeuern; dort war der frühere Minister v. Hörmann ge¬
wählt worden, der einzige deutsche Deputirte, der drei Mandate in den
Reichstag erhalten hatte. Was die Wahl in Dillingen so sehr erschwerte,
war die unwürdige Agitation, zu der sich die "ehrwürdigen" Kapuziner ver¬
leiten ließen. Obwohl Bettelbrüder im strengsten Sinne des Wortes hatten
sie dennoch förmliche Emissäre entsandt, um das Landvolk draußen zu be¬
arbeiten, und obwohl die Statuten ihres Ordens ihnen jede Einmischung in
weltliche Dinge aufs Strengste untersagen, nahmen sie doch in einer Weise
an den politischen Umtrieben theil, daß das Volk den ultramontanen Candi¬
daten geradezu den Kapuzinercandidaten nannte. Allein auch hier galt das
berüchtigte Wort, das Talleyrand einst sprach: "?g.L trop as messieurs.''
Die Landleute waren durch diesen blinden Eifer mißtrauisch geworden und
trotz der ungeheuren Agitation (vielleicht wegen derselben) trug auch hier das
nationale Princip den Sieg davon.'

In Kaufbeuern bot die Persönlichkeit der Gegencandidaten der 'Sache
große Gefahr. Hier trat ja keiner von jenen absolut und unverbesserlich¬
schwarzen Helden als Bewerber auf, kein Mann des "Vaterlandes", sondern
einer, der seine curialen Gesinnungen mit dem Mantel der Nächstenliebe
das heißt mit erheuchelten Sympathien für den nordischen Nachbar umhüllte.
Dr. Unkeler zählt zur bairischen Centrumsfraetion, er war an dem Grün¬
dungsgeschäft dieses politisch-insolventen Unternehmens betheiligt und mußte
natürlich wünschen, als Führer dieses Parteichors ein Reichstagsmandat zu
erhalten. Durch die Verbreitung, die sein Blatt (Augsburger Postzeitung)
im katholischen Schwaben besitzt, hatte er die Mittel zur Agitation in Hän¬
den und man mußte sehr befürchten, daß Professor Edel aus Würzburg ihm
unterliegen würde. Allein die Mittelstellung, welche Dr. Nurtler einzunehmen


franken vertheilen, ist nicht eine einzige im Sinne der Ultramontanen ausge¬
fallen. Bei Ansbach kann dies nicht Wunder nehmen, da Mittelfranken von
jeher zur deutschen Sache stand; um so merkwürdiger ist das Ergebniß in den
3 übrigen Bezirken. Die erste dieser drei Wahlen fand nämlich in Kelheim
statt, in dem kleinen niederbairischen Städtlein, das trotz der Ruhmeshalle,
die dort zum Himmel ragt, bisher in ziemlicher Dunkelheit dahinlebte. Der
Candidat, den die Ultramontanen dort aufstellten, ist der Nachgeborene einer
adeligen in Niederbaiern begüterten Familie, ein Name, der in den bairischen
Annalen guten Klang besitzt und so mußte man denn sehr befürchten, daß
er in den dämmerhellen Gemüthern jener Gegend einen vollständigen Sieg
erringen werde. Allein die Gegend war besser als ihr Ruf, sie verschmähte
den jungen Grafen, und gab dem nationalliberalen Candidaten eine bedeu¬
tende Mehrheit.

Die beiden schwäbischen Bezirke, die eine Nachwahl nöthig machten, sind
Dillingen und Kaufoeuern; dort war der frühere Minister v. Hörmann ge¬
wählt worden, der einzige deutsche Deputirte, der drei Mandate in den
Reichstag erhalten hatte. Was die Wahl in Dillingen so sehr erschwerte,
war die unwürdige Agitation, zu der sich die „ehrwürdigen" Kapuziner ver¬
leiten ließen. Obwohl Bettelbrüder im strengsten Sinne des Wortes hatten
sie dennoch förmliche Emissäre entsandt, um das Landvolk draußen zu be¬
arbeiten, und obwohl die Statuten ihres Ordens ihnen jede Einmischung in
weltliche Dinge aufs Strengste untersagen, nahmen sie doch in einer Weise
an den politischen Umtrieben theil, daß das Volk den ultramontanen Candi¬
daten geradezu den Kapuzinercandidaten nannte. Allein auch hier galt das
berüchtigte Wort, das Talleyrand einst sprach: „?g.L trop as messieurs.''
Die Landleute waren durch diesen blinden Eifer mißtrauisch geworden und
trotz der ungeheuren Agitation (vielleicht wegen derselben) trug auch hier das
nationale Princip den Sieg davon.'

In Kaufbeuern bot die Persönlichkeit der Gegencandidaten der 'Sache
große Gefahr. Hier trat ja keiner von jenen absolut und unverbesserlich¬
schwarzen Helden als Bewerber auf, kein Mann des „Vaterlandes", sondern
einer, der seine curialen Gesinnungen mit dem Mantel der Nächstenliebe
das heißt mit erheuchelten Sympathien für den nordischen Nachbar umhüllte.
Dr. Unkeler zählt zur bairischen Centrumsfraetion, er war an dem Grün¬
dungsgeschäft dieses politisch-insolventen Unternehmens betheiligt und mußte
natürlich wünschen, als Führer dieses Parteichors ein Reichstagsmandat zu
erhalten. Durch die Verbreitung, die sein Blatt (Augsburger Postzeitung)
im katholischen Schwaben besitzt, hatte er die Mittel zur Agitation in Hän¬
den und man mußte sehr befürchten, daß Professor Edel aus Würzburg ihm
unterliegen würde. Allein die Mittelstellung, welche Dr. Nurtler einzunehmen


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[0157] franken vertheilen, ist nicht eine einzige im Sinne der Ultramontanen ausge¬ fallen. Bei Ansbach kann dies nicht Wunder nehmen, da Mittelfranken von jeher zur deutschen Sache stand; um so merkwürdiger ist das Ergebniß in den 3 übrigen Bezirken. Die erste dieser drei Wahlen fand nämlich in Kelheim statt, in dem kleinen niederbairischen Städtlein, das trotz der Ruhmeshalle, die dort zum Himmel ragt, bisher in ziemlicher Dunkelheit dahinlebte. Der Candidat, den die Ultramontanen dort aufstellten, ist der Nachgeborene einer adeligen in Niederbaiern begüterten Familie, ein Name, der in den bairischen Annalen guten Klang besitzt und so mußte man denn sehr befürchten, daß er in den dämmerhellen Gemüthern jener Gegend einen vollständigen Sieg erringen werde. Allein die Gegend war besser als ihr Ruf, sie verschmähte den jungen Grafen, und gab dem nationalliberalen Candidaten eine bedeu¬ tende Mehrheit. Die beiden schwäbischen Bezirke, die eine Nachwahl nöthig machten, sind Dillingen und Kaufoeuern; dort war der frühere Minister v. Hörmann ge¬ wählt worden, der einzige deutsche Deputirte, der drei Mandate in den Reichstag erhalten hatte. Was die Wahl in Dillingen so sehr erschwerte, war die unwürdige Agitation, zu der sich die „ehrwürdigen" Kapuziner ver¬ leiten ließen. Obwohl Bettelbrüder im strengsten Sinne des Wortes hatten sie dennoch förmliche Emissäre entsandt, um das Landvolk draußen zu be¬ arbeiten, und obwohl die Statuten ihres Ordens ihnen jede Einmischung in weltliche Dinge aufs Strengste untersagen, nahmen sie doch in einer Weise an den politischen Umtrieben theil, daß das Volk den ultramontanen Candi¬ daten geradezu den Kapuzinercandidaten nannte. Allein auch hier galt das berüchtigte Wort, das Talleyrand einst sprach: „?g.L trop as messieurs.'' Die Landleute waren durch diesen blinden Eifer mißtrauisch geworden und trotz der ungeheuren Agitation (vielleicht wegen derselben) trug auch hier das nationale Princip den Sieg davon.' In Kaufbeuern bot die Persönlichkeit der Gegencandidaten der 'Sache große Gefahr. Hier trat ja keiner von jenen absolut und unverbesserlich¬ schwarzen Helden als Bewerber auf, kein Mann des „Vaterlandes", sondern einer, der seine curialen Gesinnungen mit dem Mantel der Nächstenliebe das heißt mit erheuchelten Sympathien für den nordischen Nachbar umhüllte. Dr. Unkeler zählt zur bairischen Centrumsfraetion, er war an dem Grün¬ dungsgeschäft dieses politisch-insolventen Unternehmens betheiligt und mußte natürlich wünschen, als Führer dieses Parteichors ein Reichstagsmandat zu erhalten. Durch die Verbreitung, die sein Blatt (Augsburger Postzeitung) im katholischen Schwaben besitzt, hatte er die Mittel zur Agitation in Hän¬ den und man mußte sehr befürchten, daß Professor Edel aus Würzburg ihm unterliegen würde. Allein die Mittelstellung, welche Dr. Nurtler einzunehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/157>, abgerufen am 21.05.2024.