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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Herrn die rückhaltlose Anerkennung der Schweizer Neutralität noch eher ge¬
geben, als gefordert wurde, während von französischer Seite die schimpfliche
Zumuthung kam, Eure Neutralität durch einen französischen General über¬
wachen und besorgen zu lassen:*) so habt Ihr eine kurze Darstellung der
deutschen Politik der Schweiz gegenüber, namentlich derjenigen unsres Kanzlers.

Wir Deutschen verlangen keinen Dank für diese der Schweiz erzeigte
freundnachbarliche Gesinnung, und haben ihn nie erwartet. Die Dankbarkeit
ist überhaupt eine christliche Tugend, auf welche der Politiker niemals rechnen
soll, so wenig vom Haus Habsburg wie von einer Republik. Aber das Eine
konnten und durften wir allerdings erwarten: daß ihr mit derselben Neu¬
tralität der Gesinnung unsern Kampf beobachten würdet, als sie Euch
politisch im Handeln geboten war, und wirklich von Euch treu und mit
großen Opfern geübt wurde.

Von Neutralität der Gesinnung aber ist überall das Gegentheil zu sehen
gewesen. Die große Mehrheit des Schweizer Volks ist von Anfang des
Krieges an mit ihren Sympathien laut auf die Seite unsrer Gegner getreten
Du bestreitest das -- nun, ich rufe die gesammte Schweizerische Presse zum
Zeugniß auf. Lese Eure eigenen Blätter nach vom Juli bis zum Tag von
Sedan. In allen -- auch die besten nicht ausgenommen, wie den "Bund",
die "Neue Züricher Zeitung" und das "Journal de Genöve", werdet Ihr
Alles finden, was unsre Feinde und der blasse Neid des neutralen Europa
wider den Ruhm der deutschen Waffen und Heerschaaren zusammenlog, da¬
gegen sehr wenig von dem, was unsre hochachtbare und in jedem Wort
wahrheitsliebende offizielle Presse über den Krieg und unsre und des Feindes
Thaten berichtete. Es mochte diese Begünstigung französischer, englischer,
österreichischer Kriegsberichte gegenüber den deutschen vielfach an der geographi¬
schen Lage der Schweiz, und der Hemmung der deutschen Bahnen für den Privat¬
verkehr liegen. Aber das Factum ist unbestreitbar. Die radicale schweizerische
Presse vollends, vor Allem die unreinen Blätter, welche aus dem geldprotzig-
frömmelnden Boden der Stadt Basel emporwachsen, unterschieden sich nur
durch den Ort ihres Erscheinens und den schlechten deutschen oder französi¬
schen Stil von den wüthendsten Organen unserer Feinde. Hier auch, auf
dem deutschen Bahnhof zu Basel fand die lächerliche Entwaffnung der badi¬
schen Ersatztruppen für die Strecke Basel-Leopoldshöhe statt, welche durch die
Schroffheit der Form und Ausführung noch weit spaßhafter wurde als durch
die Maßregel selbst. -- Doch, wozu solche Details des feindseligsten Deutschen¬
hasses aussuchen, wo heute so viel nettere Pröbchen in Fülle zu haben sind:
wo ein Züricher Kantonalrath amtlich bestätigt, daß er den Deutschenhaß der



*) Rüstow, Krieg um die Rheingrenze, 2. Lieferung S. 3. Zürich, F. Schultheß.

Herrn die rückhaltlose Anerkennung der Schweizer Neutralität noch eher ge¬
geben, als gefordert wurde, während von französischer Seite die schimpfliche
Zumuthung kam, Eure Neutralität durch einen französischen General über¬
wachen und besorgen zu lassen:*) so habt Ihr eine kurze Darstellung der
deutschen Politik der Schweiz gegenüber, namentlich derjenigen unsres Kanzlers.

Wir Deutschen verlangen keinen Dank für diese der Schweiz erzeigte
freundnachbarliche Gesinnung, und haben ihn nie erwartet. Die Dankbarkeit
ist überhaupt eine christliche Tugend, auf welche der Politiker niemals rechnen
soll, so wenig vom Haus Habsburg wie von einer Republik. Aber das Eine
konnten und durften wir allerdings erwarten: daß ihr mit derselben Neu¬
tralität der Gesinnung unsern Kampf beobachten würdet, als sie Euch
politisch im Handeln geboten war, und wirklich von Euch treu und mit
großen Opfern geübt wurde.

Von Neutralität der Gesinnung aber ist überall das Gegentheil zu sehen
gewesen. Die große Mehrheit des Schweizer Volks ist von Anfang des
Krieges an mit ihren Sympathien laut auf die Seite unsrer Gegner getreten
Du bestreitest das — nun, ich rufe die gesammte Schweizerische Presse zum
Zeugniß auf. Lese Eure eigenen Blätter nach vom Juli bis zum Tag von
Sedan. In allen — auch die besten nicht ausgenommen, wie den „Bund",
die „Neue Züricher Zeitung" und das „Journal de Genöve", werdet Ihr
Alles finden, was unsre Feinde und der blasse Neid des neutralen Europa
wider den Ruhm der deutschen Waffen und Heerschaaren zusammenlog, da¬
gegen sehr wenig von dem, was unsre hochachtbare und in jedem Wort
wahrheitsliebende offizielle Presse über den Krieg und unsre und des Feindes
Thaten berichtete. Es mochte diese Begünstigung französischer, englischer,
österreichischer Kriegsberichte gegenüber den deutschen vielfach an der geographi¬
schen Lage der Schweiz, und der Hemmung der deutschen Bahnen für den Privat¬
verkehr liegen. Aber das Factum ist unbestreitbar. Die radicale schweizerische
Presse vollends, vor Allem die unreinen Blätter, welche aus dem geldprotzig-
frömmelnden Boden der Stadt Basel emporwachsen, unterschieden sich nur
durch den Ort ihres Erscheinens und den schlechten deutschen oder französi¬
schen Stil von den wüthendsten Organen unserer Feinde. Hier auch, auf
dem deutschen Bahnhof zu Basel fand die lächerliche Entwaffnung der badi¬
schen Ersatztruppen für die Strecke Basel-Leopoldshöhe statt, welche durch die
Schroffheit der Form und Ausführung noch weit spaßhafter wurde als durch
die Maßregel selbst. — Doch, wozu solche Details des feindseligsten Deutschen¬
hasses aussuchen, wo heute so viel nettere Pröbchen in Fülle zu haben sind:
wo ein Züricher Kantonalrath amtlich bestätigt, daß er den Deutschenhaß der



*) Rüstow, Krieg um die Rheingrenze, 2. Lieferung S. 3. Zürich, F. Schultheß.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/27>, abgerufen am 21.05.2024.