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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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geistlichen (anfänglich etwa 2000), war indessen selbst dieser factischen Aus¬
breitung der Reichsposten, so wünschenswert!) dieselbe für das Gemeinwohl
sein mochte, in hohem Grade hinderlich.

Der Mangel an einer bestimmten staatsrechtlichen Regelung des Post¬
rechtsverhältnisses zwischen dem Kaiser und den Reichsständen war die Quelle
langjähriger und erbitterter Streitigkeiten. Als Kaiser Rudolph II. Leon-
hard von Taxis, dessen Vorfahren nur für die Burgundischen Niederlande
mit dem General-Postmeister-Amte belehnt waren, im Jahre 1893 zum Ge-
neral-Reichs-Postmeister ernannte, und Kaiser Matthias am 27. Juli 1615
dem Freiherrn von Taxis und dessen männlichen Erben "das General-Post¬
meister-Amt über die Posten im Reich" als "männliches Reichsregal und
Lehn" übertrug, begannen die Reichsstände gegen die Einführung Taxisscher
Posten in geschlossener Phalanx Widerstand zu leisten. Herzog Friedrich von
Württemberg schrieb 1597 unter das Mandat Rudolph's II. eigenhändig:
"Weilen es keine Schuldigkeit ist, so darf man auch nicht pariren, wie Wir
es denn auch nicht thun werden, sondern Jhro Majestät bitten, Ihre Posten
anderswohin zu legen, denn wie es vor Alters gehalten worden, so bleibt es."
Offenbar konnten die kaiserlichen Patente allein eine für die Stände verbind¬
liche staatsrechtliche Norm nicht aufstellen, weil zu der Billigkeit einer solchen
nach der deutschen Staatsverfassung die Zustimmung von Kaiser und Reich,
d. i. der Reichsversammlung, nöthig war, die PostHoheit auch als ein kaiserliches
Hus rv86rvatum nicht anerkannt wurde. Und dies ist das xunetum Stilen",
welches die Reichsstände zu jenem Jahrhunderte langen Kampfe legitimirte.
durch welchen sie bezüglich der PostVerhältnisse sich je länger desto mehr von
der Autorität des Kaisers emancipirten.

Das östreichische Haus selbst schuf hierin ein bemerkenswerthes Präjudiz, indem
es in seinen Erbländer unter Ausschluß der Taxisschen Reichsposten eigene
Territorialposten anlegte. Von hervorragendem Interesse unter jenen Kämpfen
ist insbesondere der Streit zwischen dem großen Kurfürsten und dem Hause
Taxis. Diese Fehde, von Taxis unter dem sophistischen Vorwande begonnen:
"es seien die Territorialposten des Kurfürsten dem gemeinen Wesen sehr nach¬
theilig, ein Eingriff, Mißbrauch und schädliche Neuerung," wurde in An¬
betracht der Wichtigkeit des streitigen Objects gewissermaßen der Angelpunkt,
um den die Kämpfe der Reichsstände mit dem Grafen Taxis sich gruppiren.
Der Kurfürst von Brandenburg war der mächtigste Reichsfürst, der nach einer
einheitlich geordneten Verwaltung des PostWesens schon seines langgestreckten
Gebietes wegen streben mußte. Auf der anderen Seite reizte der reiche Er¬
trag der Brandenburgischen Posten den Grafen von Taxis, gerade diese Post¬
anlagen in seine Gewalt zu bekommen; der Sieg über den "neuen König der
Wenden," dessen Machtentwickelung man ohnehin im kaiserlichen Hoflager


geistlichen (anfänglich etwa 2000), war indessen selbst dieser factischen Aus¬
breitung der Reichsposten, so wünschenswert!) dieselbe für das Gemeinwohl
sein mochte, in hohem Grade hinderlich.

Der Mangel an einer bestimmten staatsrechtlichen Regelung des Post¬
rechtsverhältnisses zwischen dem Kaiser und den Reichsständen war die Quelle
langjähriger und erbitterter Streitigkeiten. Als Kaiser Rudolph II. Leon-
hard von Taxis, dessen Vorfahren nur für die Burgundischen Niederlande
mit dem General-Postmeister-Amte belehnt waren, im Jahre 1893 zum Ge-
neral-Reichs-Postmeister ernannte, und Kaiser Matthias am 27. Juli 1615
dem Freiherrn von Taxis und dessen männlichen Erben „das General-Post¬
meister-Amt über die Posten im Reich" als „männliches Reichsregal und
Lehn" übertrug, begannen die Reichsstände gegen die Einführung Taxisscher
Posten in geschlossener Phalanx Widerstand zu leisten. Herzog Friedrich von
Württemberg schrieb 1597 unter das Mandat Rudolph's II. eigenhändig:
„Weilen es keine Schuldigkeit ist, so darf man auch nicht pariren, wie Wir
es denn auch nicht thun werden, sondern Jhro Majestät bitten, Ihre Posten
anderswohin zu legen, denn wie es vor Alters gehalten worden, so bleibt es."
Offenbar konnten die kaiserlichen Patente allein eine für die Stände verbind¬
liche staatsrechtliche Norm nicht aufstellen, weil zu der Billigkeit einer solchen
nach der deutschen Staatsverfassung die Zustimmung von Kaiser und Reich,
d. i. der Reichsversammlung, nöthig war, die PostHoheit auch als ein kaiserliches
Hus rv86rvatum nicht anerkannt wurde. Und dies ist das xunetum Stilen«,
welches die Reichsstände zu jenem Jahrhunderte langen Kampfe legitimirte.
durch welchen sie bezüglich der PostVerhältnisse sich je länger desto mehr von
der Autorität des Kaisers emancipirten.

Das östreichische Haus selbst schuf hierin ein bemerkenswerthes Präjudiz, indem
es in seinen Erbländer unter Ausschluß der Taxisschen Reichsposten eigene
Territorialposten anlegte. Von hervorragendem Interesse unter jenen Kämpfen
ist insbesondere der Streit zwischen dem großen Kurfürsten und dem Hause
Taxis. Diese Fehde, von Taxis unter dem sophistischen Vorwande begonnen:
„es seien die Territorialposten des Kurfürsten dem gemeinen Wesen sehr nach¬
theilig, ein Eingriff, Mißbrauch und schädliche Neuerung," wurde in An¬
betracht der Wichtigkeit des streitigen Objects gewissermaßen der Angelpunkt,
um den die Kämpfe der Reichsstände mit dem Grafen Taxis sich gruppiren.
Der Kurfürst von Brandenburg war der mächtigste Reichsfürst, der nach einer
einheitlich geordneten Verwaltung des PostWesens schon seines langgestreckten
Gebietes wegen streben mußte. Auf der anderen Seite reizte der reiche Er¬
trag der Brandenburgischen Posten den Grafen von Taxis, gerade diese Post¬
anlagen in seine Gewalt zu bekommen; der Sieg über den „neuen König der
Wenden," dessen Machtentwickelung man ohnehin im kaiserlichen Hoflager


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[0276] geistlichen (anfänglich etwa 2000), war indessen selbst dieser factischen Aus¬ breitung der Reichsposten, so wünschenswert!) dieselbe für das Gemeinwohl sein mochte, in hohem Grade hinderlich. Der Mangel an einer bestimmten staatsrechtlichen Regelung des Post¬ rechtsverhältnisses zwischen dem Kaiser und den Reichsständen war die Quelle langjähriger und erbitterter Streitigkeiten. Als Kaiser Rudolph II. Leon- hard von Taxis, dessen Vorfahren nur für die Burgundischen Niederlande mit dem General-Postmeister-Amte belehnt waren, im Jahre 1893 zum Ge- neral-Reichs-Postmeister ernannte, und Kaiser Matthias am 27. Juli 1615 dem Freiherrn von Taxis und dessen männlichen Erben „das General-Post¬ meister-Amt über die Posten im Reich" als „männliches Reichsregal und Lehn" übertrug, begannen die Reichsstände gegen die Einführung Taxisscher Posten in geschlossener Phalanx Widerstand zu leisten. Herzog Friedrich von Württemberg schrieb 1597 unter das Mandat Rudolph's II. eigenhändig: „Weilen es keine Schuldigkeit ist, so darf man auch nicht pariren, wie Wir es denn auch nicht thun werden, sondern Jhro Majestät bitten, Ihre Posten anderswohin zu legen, denn wie es vor Alters gehalten worden, so bleibt es." Offenbar konnten die kaiserlichen Patente allein eine für die Stände verbind¬ liche staatsrechtliche Norm nicht aufstellen, weil zu der Billigkeit einer solchen nach der deutschen Staatsverfassung die Zustimmung von Kaiser und Reich, d. i. der Reichsversammlung, nöthig war, die PostHoheit auch als ein kaiserliches Hus rv86rvatum nicht anerkannt wurde. Und dies ist das xunetum Stilen«, welches die Reichsstände zu jenem Jahrhunderte langen Kampfe legitimirte. durch welchen sie bezüglich der PostVerhältnisse sich je länger desto mehr von der Autorität des Kaisers emancipirten. Das östreichische Haus selbst schuf hierin ein bemerkenswerthes Präjudiz, indem es in seinen Erbländer unter Ausschluß der Taxisschen Reichsposten eigene Territorialposten anlegte. Von hervorragendem Interesse unter jenen Kämpfen ist insbesondere der Streit zwischen dem großen Kurfürsten und dem Hause Taxis. Diese Fehde, von Taxis unter dem sophistischen Vorwande begonnen: „es seien die Territorialposten des Kurfürsten dem gemeinen Wesen sehr nach¬ theilig, ein Eingriff, Mißbrauch und schädliche Neuerung," wurde in An¬ betracht der Wichtigkeit des streitigen Objects gewissermaßen der Angelpunkt, um den die Kämpfe der Reichsstände mit dem Grafen Taxis sich gruppiren. Der Kurfürst von Brandenburg war der mächtigste Reichsfürst, der nach einer einheitlich geordneten Verwaltung des PostWesens schon seines langgestreckten Gebietes wegen streben mußte. Auf der anderen Seite reizte der reiche Er¬ trag der Brandenburgischen Posten den Grafen von Taxis, gerade diese Post¬ anlagen in seine Gewalt zu bekommen; der Sieg über den „neuen König der Wenden," dessen Machtentwickelung man ohnehin im kaiserlichen Hoflager

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/276>, abgerufen am 14.06.2024.