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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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in neutralen*) oder feindlichen Handelsschiffen für gute Prise zu erklären;
denn bei Mischladungen von Privat- und Staatseigenthum leide unter der
nehmung des letzteren auch das Interesse der Privatablader. Aber der krieg¬
führende Staat kann die Privatablader vor solcher Beseitigung behüten, und
der Rheder kann seinen Befrachtern gegenüber dasselbe thun; er braucht nur
nicht Staatseigenthum und Privateigenthum zusammen zu laden.

Man kann sagen, sobald den Kriegführenden die nehmung feindlichen
Staatsguts zur See zugestanden werde, werde ihnen auch das lästige Durch¬
suchungsrecht belassen, welches Handelsfahrzeuge oft sehr erheblich beschä¬
dige. Aber einmal ist ein Verzicht auf die nehmung feindlichen Staatsguts
zur See, so wünschbar er immer sein mag, schon um deswillen nicht zu er¬
warten, weil die Schwächung der feindlichen Staatsmacht mit allen Mitteln
allerdings innerhalb der Aufgaben des Krieges liegt, und von dem Durch¬
suchungsrecht wird man auch um deswillen nicht ablassen können, weil man
als Kriegführender das Interesse hat, sich zu überzeugen, ob das Handels¬
fahrzeug, dem man begegnet, wirklich lediglich im Dienste des friedlichen Ver¬
kehrs fährt. Ist aber nur die Beseitigung von Privatgut ausgeschlossen, so
kann für den Kriegführenden nur in seltenen Fällen ein Interesse vorliegen,
vom Durchsuchungsrechte Gebrauch zu machen. Und überdies läßt sich dieses
Recht formell und materiell in so enge Schranken fassen, daß seine Hand¬
habung um der Schikane willen so gut wie gar nicht mehr zu befürchten steht.
Beispielsweise mag man das Durchsuchungsrecht nur auf dem Seeterri¬
torium der Kriegführenden gestatten; man mag bestimmen, daß die
Durchsuchung von dem Momente des gegebenen signales ab innerhalb
einer gewissen Maximalfrist vollendet sein müsse, und daß nach Ver¬
lauf dieser Frist das Handelsschiff unter allen Umständen frei zu geben, auch
innerhalb einer weiteren Frist vor einer zweiten Durchsuchung
gesichert sei. Man wird so nicht alle vergeblichen Verkehrsstörungen be¬
seitigen; aber, was die Hauptsache ist, so eingeschränkt und lediglich gestattet
zu dem oben angedeuteten Zwecke, wird das Durchsuchungsrecht keinen Be¬
frachter hindern, Güter aus den Häfen oder nach den Häfen von Kiegführen-
den zu senden, wird es die Rhederei der Kriegführenden so wenig brach legen,
wie der Landkrieg den friedlichen Frachtverkehr auf den Binnenstraßen, wird
es nicht einmal eine Versicherung wegen Kriegsgefahr nöthig machen.

Aber wie steht es mit der Kriegscontrebande?

Die Bremer Seerechts-Resolutionen von 1859 gingen nicht so weit, auch



") In neutralen Schiffen verladenes feindliches Staatsgut dürste selbstverständlich nur auf
feindlichem oder eigenem Territorium der nehmung ausgesetzt sein. Denn auf dem freien
Meere schwimmend, es aus neutralem Schisse zu nehmen, hieße die Neutralität verletzen. Frei¬
lich bedarf das Völkerrecht auch in Betreff des See-Territoriums ga^ sehr einer Revision.

in neutralen*) oder feindlichen Handelsschiffen für gute Prise zu erklären;
denn bei Mischladungen von Privat- und Staatseigenthum leide unter der
nehmung des letzteren auch das Interesse der Privatablader. Aber der krieg¬
führende Staat kann die Privatablader vor solcher Beseitigung behüten, und
der Rheder kann seinen Befrachtern gegenüber dasselbe thun; er braucht nur
nicht Staatseigenthum und Privateigenthum zusammen zu laden.

Man kann sagen, sobald den Kriegführenden die nehmung feindlichen
Staatsguts zur See zugestanden werde, werde ihnen auch das lästige Durch¬
suchungsrecht belassen, welches Handelsfahrzeuge oft sehr erheblich beschä¬
dige. Aber einmal ist ein Verzicht auf die nehmung feindlichen Staatsguts
zur See, so wünschbar er immer sein mag, schon um deswillen nicht zu er¬
warten, weil die Schwächung der feindlichen Staatsmacht mit allen Mitteln
allerdings innerhalb der Aufgaben des Krieges liegt, und von dem Durch¬
suchungsrecht wird man auch um deswillen nicht ablassen können, weil man
als Kriegführender das Interesse hat, sich zu überzeugen, ob das Handels¬
fahrzeug, dem man begegnet, wirklich lediglich im Dienste des friedlichen Ver¬
kehrs fährt. Ist aber nur die Beseitigung von Privatgut ausgeschlossen, so
kann für den Kriegführenden nur in seltenen Fällen ein Interesse vorliegen,
vom Durchsuchungsrechte Gebrauch zu machen. Und überdies läßt sich dieses
Recht formell und materiell in so enge Schranken fassen, daß seine Hand¬
habung um der Schikane willen so gut wie gar nicht mehr zu befürchten steht.
Beispielsweise mag man das Durchsuchungsrecht nur auf dem Seeterri¬
torium der Kriegführenden gestatten; man mag bestimmen, daß die
Durchsuchung von dem Momente des gegebenen signales ab innerhalb
einer gewissen Maximalfrist vollendet sein müsse, und daß nach Ver¬
lauf dieser Frist das Handelsschiff unter allen Umständen frei zu geben, auch
innerhalb einer weiteren Frist vor einer zweiten Durchsuchung
gesichert sei. Man wird so nicht alle vergeblichen Verkehrsstörungen be¬
seitigen; aber, was die Hauptsache ist, so eingeschränkt und lediglich gestattet
zu dem oben angedeuteten Zwecke, wird das Durchsuchungsrecht keinen Be¬
frachter hindern, Güter aus den Häfen oder nach den Häfen von Kiegführen-
den zu senden, wird es die Rhederei der Kriegführenden so wenig brach legen,
wie der Landkrieg den friedlichen Frachtverkehr auf den Binnenstraßen, wird
es nicht einmal eine Versicherung wegen Kriegsgefahr nöthig machen.

Aber wie steht es mit der Kriegscontrebande?

Die Bremer Seerechts-Resolutionen von 1859 gingen nicht so weit, auch



») In neutralen Schiffen verladenes feindliches Staatsgut dürste selbstverständlich nur auf
feindlichem oder eigenem Territorium der nehmung ausgesetzt sein. Denn auf dem freien
Meere schwimmend, es aus neutralem Schisse zu nehmen, hieße die Neutralität verletzen. Frei¬
lich bedarf das Völkerrecht auch in Betreff des See-Territoriums ga^ sehr einer Revision.
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[0062] in neutralen*) oder feindlichen Handelsschiffen für gute Prise zu erklären; denn bei Mischladungen von Privat- und Staatseigenthum leide unter der nehmung des letzteren auch das Interesse der Privatablader. Aber der krieg¬ führende Staat kann die Privatablader vor solcher Beseitigung behüten, und der Rheder kann seinen Befrachtern gegenüber dasselbe thun; er braucht nur nicht Staatseigenthum und Privateigenthum zusammen zu laden. Man kann sagen, sobald den Kriegführenden die nehmung feindlichen Staatsguts zur See zugestanden werde, werde ihnen auch das lästige Durch¬ suchungsrecht belassen, welches Handelsfahrzeuge oft sehr erheblich beschä¬ dige. Aber einmal ist ein Verzicht auf die nehmung feindlichen Staatsguts zur See, so wünschbar er immer sein mag, schon um deswillen nicht zu er¬ warten, weil die Schwächung der feindlichen Staatsmacht mit allen Mitteln allerdings innerhalb der Aufgaben des Krieges liegt, und von dem Durch¬ suchungsrecht wird man auch um deswillen nicht ablassen können, weil man als Kriegführender das Interesse hat, sich zu überzeugen, ob das Handels¬ fahrzeug, dem man begegnet, wirklich lediglich im Dienste des friedlichen Ver¬ kehrs fährt. Ist aber nur die Beseitigung von Privatgut ausgeschlossen, so kann für den Kriegführenden nur in seltenen Fällen ein Interesse vorliegen, vom Durchsuchungsrechte Gebrauch zu machen. Und überdies läßt sich dieses Recht formell und materiell in so enge Schranken fassen, daß seine Hand¬ habung um der Schikane willen so gut wie gar nicht mehr zu befürchten steht. Beispielsweise mag man das Durchsuchungsrecht nur auf dem Seeterri¬ torium der Kriegführenden gestatten; man mag bestimmen, daß die Durchsuchung von dem Momente des gegebenen signales ab innerhalb einer gewissen Maximalfrist vollendet sein müsse, und daß nach Ver¬ lauf dieser Frist das Handelsschiff unter allen Umständen frei zu geben, auch innerhalb einer weiteren Frist vor einer zweiten Durchsuchung gesichert sei. Man wird so nicht alle vergeblichen Verkehrsstörungen be¬ seitigen; aber, was die Hauptsache ist, so eingeschränkt und lediglich gestattet zu dem oben angedeuteten Zwecke, wird das Durchsuchungsrecht keinen Be¬ frachter hindern, Güter aus den Häfen oder nach den Häfen von Kiegführen- den zu senden, wird es die Rhederei der Kriegführenden so wenig brach legen, wie der Landkrieg den friedlichen Frachtverkehr auf den Binnenstraßen, wird es nicht einmal eine Versicherung wegen Kriegsgefahr nöthig machen. Aber wie steht es mit der Kriegscontrebande? Die Bremer Seerechts-Resolutionen von 1859 gingen nicht so weit, auch ») In neutralen Schiffen verladenes feindliches Staatsgut dürste selbstverständlich nur auf feindlichem oder eigenem Territorium der nehmung ausgesetzt sein. Denn auf dem freien Meere schwimmend, es aus neutralem Schisse zu nehmen, hieße die Neutralität verletzen. Frei¬ lich bedarf das Völkerrecht auch in Betreff des See-Territoriums ga^ sehr einer Revision.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/62>, abgerufen am 13.06.2024.