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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Pferdegeschirren zuzuführen. Pferde können zum Ackern so gut wie zum Ka¬
nonenziehen und für die Cavallerie, Pulver zum Sprengen so gut wie zum
Schießen auf den Feind, Mehl so gut zur Verproviantirung von Festungen,
wie zur Versorgung der Haushaltungen benutzt werden. Wenn man der
nehmung zur See nur aussetzt, was unbedingt nur kriegerischen
Zwecken dienen kann, und etwa kriegsfähige Mannschaften hin-
zunimmt, so ist man zur See weniger rigoros als zu Lande, und erreicht
doch den Zweck im Wesentlichen. Aber für die Interessen des friedlichen Ver¬
kehrs ist es viel wichtiger, daß überhaupt eine völkerrechtlich sanc-
tionirte Definition des Begriffes der Kriegscontrebande be¬
stehe, als daß diese sonderlich eng sei.

Daher wird als eine weitere wichtige Reform des Seekriegsrechtes anzu¬
sehen sein, daß der Begriff der Kriegskontrebande auf dem Wege des inter¬
nationalen Vertrages festgestellt und so den Schwankungen, welche sich bei
der Jndividual-Feststellung für jeden einzelnen Fall ergeben, entrückt werde.

Es bleibt mir noch übrig, ein Wort über den 4. Satz der Pariser See-
rechts-Deelarationen, welcher von der Blokade handelt, beizufügen. >

Das Analogon der Blokade im Landkriege bildet die Cernirung. Krieg¬
führende werden auf jenes Mittel der kriegerischen Action so wenig verzichten,
wie auf dieses. Aber die Entwickelung des Völkerrechtes zeigt die Tendenz,
sie zum Verzicht auf dieses Mittel insoweit zu zwingen, als es zu einem außer¬
halb des Krieges liegenden Zwecke angewendet wird. Man kann auf Privat- und
Staatscaperei verzichten, aber die Küsten des feindlichen Staates in Blokade-
zustand erklären, und jedes Fahrzeug, dem man auf der Fahrt nach feind¬
lichen Häfen innerhalb der Blokadelinie oder aus der Fahrt von einem feind¬
lichen Hafen irgendwo begegnet, der nehmung aussetzen, d. h. die über den
Kriegszweck hinausgehende Verletzung des Privateigenthums in der einen
Form sich versagen, um sie in der anderen Form um so bequemer üben zu
können. Auf diese Weise würde die feindliche Rhederei und der feindliche
Handel nur im fremden Dienst respectirt, im heimischen Dienst aber nur um
so sicherer vernichtet. Der vierte Satz der Pariser Seerechts - Declarationen
hat die sogenannte Papier-Blokade ausschließen wollen. Das wäre schon ein
unzweifelhafter Gewinn. Aber mit wie unzureichenden Mitteln dieß geschehen,
zeigt wiederum recht deutlich der gegenwärtige Krieg. Die Definition des
Begriffes der effectiven Blokade, wie sie der vierte Pariser Satz enthält, ist
so dehnbar, daß die Franzosen behaupten und beweisen können, die
Blokirung, welche sie von Mitte August bis Anfang September über die ge-
sammten deutschen Nord- und Ostseeküsten verhängt hatten, sei eine effective
Blokade gewesen. Wenn aus den Verklarungen damals aus - und eingegan¬
gener Handelsschiffe sich ergeben sollte, daß auf ihrer ganzen Fahrt von frau-


Pferdegeschirren zuzuführen. Pferde können zum Ackern so gut wie zum Ka¬
nonenziehen und für die Cavallerie, Pulver zum Sprengen so gut wie zum
Schießen auf den Feind, Mehl so gut zur Verproviantirung von Festungen,
wie zur Versorgung der Haushaltungen benutzt werden. Wenn man der
nehmung zur See nur aussetzt, was unbedingt nur kriegerischen
Zwecken dienen kann, und etwa kriegsfähige Mannschaften hin-
zunimmt, so ist man zur See weniger rigoros als zu Lande, und erreicht
doch den Zweck im Wesentlichen. Aber für die Interessen des friedlichen Ver¬
kehrs ist es viel wichtiger, daß überhaupt eine völkerrechtlich sanc-
tionirte Definition des Begriffes der Kriegscontrebande be¬
stehe, als daß diese sonderlich eng sei.

Daher wird als eine weitere wichtige Reform des Seekriegsrechtes anzu¬
sehen sein, daß der Begriff der Kriegskontrebande auf dem Wege des inter¬
nationalen Vertrages festgestellt und so den Schwankungen, welche sich bei
der Jndividual-Feststellung für jeden einzelnen Fall ergeben, entrückt werde.

Es bleibt mir noch übrig, ein Wort über den 4. Satz der Pariser See-
rechts-Deelarationen, welcher von der Blokade handelt, beizufügen. >

Das Analogon der Blokade im Landkriege bildet die Cernirung. Krieg¬
führende werden auf jenes Mittel der kriegerischen Action so wenig verzichten,
wie auf dieses. Aber die Entwickelung des Völkerrechtes zeigt die Tendenz,
sie zum Verzicht auf dieses Mittel insoweit zu zwingen, als es zu einem außer¬
halb des Krieges liegenden Zwecke angewendet wird. Man kann auf Privat- und
Staatscaperei verzichten, aber die Küsten des feindlichen Staates in Blokade-
zustand erklären, und jedes Fahrzeug, dem man auf der Fahrt nach feind¬
lichen Häfen innerhalb der Blokadelinie oder aus der Fahrt von einem feind¬
lichen Hafen irgendwo begegnet, der nehmung aussetzen, d. h. die über den
Kriegszweck hinausgehende Verletzung des Privateigenthums in der einen
Form sich versagen, um sie in der anderen Form um so bequemer üben zu
können. Auf diese Weise würde die feindliche Rhederei und der feindliche
Handel nur im fremden Dienst respectirt, im heimischen Dienst aber nur um
so sicherer vernichtet. Der vierte Satz der Pariser Seerechts - Declarationen
hat die sogenannte Papier-Blokade ausschließen wollen. Das wäre schon ein
unzweifelhafter Gewinn. Aber mit wie unzureichenden Mitteln dieß geschehen,
zeigt wiederum recht deutlich der gegenwärtige Krieg. Die Definition des
Begriffes der effectiven Blokade, wie sie der vierte Pariser Satz enthält, ist
so dehnbar, daß die Franzosen behaupten und beweisen können, die
Blokirung, welche sie von Mitte August bis Anfang September über die ge-
sammten deutschen Nord- und Ostseeküsten verhängt hatten, sei eine effective
Blokade gewesen. Wenn aus den Verklarungen damals aus - und eingegan¬
gener Handelsschiffe sich ergeben sollte, daß auf ihrer ganzen Fahrt von frau-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/64>, abgerufen am 06.06.2024.