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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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die über Suez geschickte allemal. Für die südchinesischen Häfen erschien die
Sache fraglich, aber ein Bericht des englischen Postmeisters in Victoria (Hong¬
kong) zeigt, daß auch Kanton und Hongkong für die Suezcanal-Route ge¬
fährdet sind. Aus dem Berichte geht hervor, daß zwölf Reisen der Post-
dampfer von Hongkong über Schanghai nach San Francisco 1870 im Durch¬
schnitt 34 Tage Zeit erforderten; dagegen bedurften die Dampfer von Eng¬
land, welche durch den Suezcanal gingen, bis Hongkong 81 Tage Zeit. Ein
Brief aus England nach Hongkong durch die Vereinigten Staaten wird also
seinen Bestimmungsort allemal schneller erreichen, wenn der Abgang des Post-
dampfers von San Francisco -- wohin der englische Brief in 14 Tagen ge¬
langt -- mit dem Eintreffen der englischen Post correspondirt. Nach
Schanghai und allen nördlicher gelegenen Häfen ist der Weg durch die Ver¬
einigten Staaten noch weit günstiger. Niemand wird durch das rothe Meer
nach Japan fahren mögen, wenn er über San Francisco dorthin fahren
kann; er wird .nicht diesen weiten und theuren Weg durch heiße Klimate
machen, gegenüber der durch die gemäßigte Zone führenden amerikanischen
Route.

Unter solchen Umständen wird begreiflich, daß man in Amerika an zwei
weiteren Bahnen baut, die von Ocean zu Ocean führen, und mit ihnen, an
die sich gleichfalls Dampferrouten nach Asien anschließen werden, .muß der
Verkehr noch mehr, als bisher der Fall, sich dem amerikanischen Wege zu¬
wenden. Schwer fällt hierbei noch ein anderer Umstand ins Gewicht. San
Francisco, der Mittelpunkt der großen Goldgewinnung, ist die erste Münz¬
stätte der Vereinigten Staaten geworden, in der jährlich für mehr als zwan¬
zig Millionen Dollars Gold und Silber ausgeprägt werden. Schon geht
kalifornisches Gold und Silber mit den Dampfern nach China, um dort die
Handelsbilanz der amerikanischen und europäischen Kaufleute auszugleichen.
Als finanzieller Mittelpunkt hebt die Stadt sich zusehends, und wie ihr schon
unzweifelhaft die Vermittelung zwischen Amerika einerseits und Australien und
Asien andererseits zukommt, so wird sie auch im Geschäftsverkehr zwischen
Europa und Asien mehr und mehr eine Rolle spielen.
'

Von weiterem Einflüsse auf den Sieg der amerikanischen Route wird
endlich sein, daß man stark damit umgeht, die Fahrten zwischen Europa und
New-Uork um ö Tage abzukürzen. Es soll das dadurch erlangt werden, daß
quer durch Neufundland eine Eisenbahn gebaut wird, von Se. Johns nach der
Se. Georgebai. Bon dort soll eine große Fähre die Passagiere und die Post
über den Lorenzgolf nach Neu-Braun schweig bringen, wo der Anschluß an die
Jntercolonial Railroad erfolgt. Man rechnet, daß man auf diesem Wege
New-York in 8, San Francisco in 13 Tagen erreichen kann! Der Plan,
mit dem man eine tägliche Dampferlinie zwischen Europa und Amerika in


die über Suez geschickte allemal. Für die südchinesischen Häfen erschien die
Sache fraglich, aber ein Bericht des englischen Postmeisters in Victoria (Hong¬
kong) zeigt, daß auch Kanton und Hongkong für die Suezcanal-Route ge¬
fährdet sind. Aus dem Berichte geht hervor, daß zwölf Reisen der Post-
dampfer von Hongkong über Schanghai nach San Francisco 1870 im Durch¬
schnitt 34 Tage Zeit erforderten; dagegen bedurften die Dampfer von Eng¬
land, welche durch den Suezcanal gingen, bis Hongkong 81 Tage Zeit. Ein
Brief aus England nach Hongkong durch die Vereinigten Staaten wird also
seinen Bestimmungsort allemal schneller erreichen, wenn der Abgang des Post-
dampfers von San Francisco — wohin der englische Brief in 14 Tagen ge¬
langt — mit dem Eintreffen der englischen Post correspondirt. Nach
Schanghai und allen nördlicher gelegenen Häfen ist der Weg durch die Ver¬
einigten Staaten noch weit günstiger. Niemand wird durch das rothe Meer
nach Japan fahren mögen, wenn er über San Francisco dorthin fahren
kann; er wird .nicht diesen weiten und theuren Weg durch heiße Klimate
machen, gegenüber der durch die gemäßigte Zone führenden amerikanischen
Route.

Unter solchen Umständen wird begreiflich, daß man in Amerika an zwei
weiteren Bahnen baut, die von Ocean zu Ocean führen, und mit ihnen, an
die sich gleichfalls Dampferrouten nach Asien anschließen werden, .muß der
Verkehr noch mehr, als bisher der Fall, sich dem amerikanischen Wege zu¬
wenden. Schwer fällt hierbei noch ein anderer Umstand ins Gewicht. San
Francisco, der Mittelpunkt der großen Goldgewinnung, ist die erste Münz¬
stätte der Vereinigten Staaten geworden, in der jährlich für mehr als zwan¬
zig Millionen Dollars Gold und Silber ausgeprägt werden. Schon geht
kalifornisches Gold und Silber mit den Dampfern nach China, um dort die
Handelsbilanz der amerikanischen und europäischen Kaufleute auszugleichen.
Als finanzieller Mittelpunkt hebt die Stadt sich zusehends, und wie ihr schon
unzweifelhaft die Vermittelung zwischen Amerika einerseits und Australien und
Asien andererseits zukommt, so wird sie auch im Geschäftsverkehr zwischen
Europa und Asien mehr und mehr eine Rolle spielen.
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Von weiterem Einflüsse auf den Sieg der amerikanischen Route wird
endlich sein, daß man stark damit umgeht, die Fahrten zwischen Europa und
New-Uork um ö Tage abzukürzen. Es soll das dadurch erlangt werden, daß
quer durch Neufundland eine Eisenbahn gebaut wird, von Se. Johns nach der
Se. Georgebai. Bon dort soll eine große Fähre die Passagiere und die Post
über den Lorenzgolf nach Neu-Braun schweig bringen, wo der Anschluß an die
Jntercolonial Railroad erfolgt. Man rechnet, daß man auf diesem Wege
New-York in 8, San Francisco in 13 Tagen erreichen kann! Der Plan,
mit dem man eine tägliche Dampferlinie zwischen Europa und Amerika in


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[0197] die über Suez geschickte allemal. Für die südchinesischen Häfen erschien die Sache fraglich, aber ein Bericht des englischen Postmeisters in Victoria (Hong¬ kong) zeigt, daß auch Kanton und Hongkong für die Suezcanal-Route ge¬ fährdet sind. Aus dem Berichte geht hervor, daß zwölf Reisen der Post- dampfer von Hongkong über Schanghai nach San Francisco 1870 im Durch¬ schnitt 34 Tage Zeit erforderten; dagegen bedurften die Dampfer von Eng¬ land, welche durch den Suezcanal gingen, bis Hongkong 81 Tage Zeit. Ein Brief aus England nach Hongkong durch die Vereinigten Staaten wird also seinen Bestimmungsort allemal schneller erreichen, wenn der Abgang des Post- dampfers von San Francisco — wohin der englische Brief in 14 Tagen ge¬ langt — mit dem Eintreffen der englischen Post correspondirt. Nach Schanghai und allen nördlicher gelegenen Häfen ist der Weg durch die Ver¬ einigten Staaten noch weit günstiger. Niemand wird durch das rothe Meer nach Japan fahren mögen, wenn er über San Francisco dorthin fahren kann; er wird .nicht diesen weiten und theuren Weg durch heiße Klimate machen, gegenüber der durch die gemäßigte Zone führenden amerikanischen Route. Unter solchen Umständen wird begreiflich, daß man in Amerika an zwei weiteren Bahnen baut, die von Ocean zu Ocean führen, und mit ihnen, an die sich gleichfalls Dampferrouten nach Asien anschließen werden, .muß der Verkehr noch mehr, als bisher der Fall, sich dem amerikanischen Wege zu¬ wenden. Schwer fällt hierbei noch ein anderer Umstand ins Gewicht. San Francisco, der Mittelpunkt der großen Goldgewinnung, ist die erste Münz¬ stätte der Vereinigten Staaten geworden, in der jährlich für mehr als zwan¬ zig Millionen Dollars Gold und Silber ausgeprägt werden. Schon geht kalifornisches Gold und Silber mit den Dampfern nach China, um dort die Handelsbilanz der amerikanischen und europäischen Kaufleute auszugleichen. Als finanzieller Mittelpunkt hebt die Stadt sich zusehends, und wie ihr schon unzweifelhaft die Vermittelung zwischen Amerika einerseits und Australien und Asien andererseits zukommt, so wird sie auch im Geschäftsverkehr zwischen Europa und Asien mehr und mehr eine Rolle spielen. ' Von weiterem Einflüsse auf den Sieg der amerikanischen Route wird endlich sein, daß man stark damit umgeht, die Fahrten zwischen Europa und New-Uork um ö Tage abzukürzen. Es soll das dadurch erlangt werden, daß quer durch Neufundland eine Eisenbahn gebaut wird, von Se. Johns nach der Se. Georgebai. Bon dort soll eine große Fähre die Passagiere und die Post über den Lorenzgolf nach Neu-Braun schweig bringen, wo der Anschluß an die Jntercolonial Railroad erfolgt. Man rechnet, daß man auf diesem Wege New-York in 8, San Francisco in 13 Tagen erreichen kann! Der Plan, mit dem man eine tägliche Dampferlinie zwischen Europa und Amerika in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/197>, abgerufen am 19.05.2024.