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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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stürmen, wurde aber mit Flintenschüssen abgewiesen. Ebensowenig Erfolg
hatte der berüchtigte General Stivero, der mit einer Anzahl Reitern in der
Vorstadt San Cosme den Aufstand unterstützen wollte. Auch diese Bande
ermordete den ihr entgegentretenden Oberst Castro.

Sobald Juarez von dem Ausbruche des Aufruhrs Nachricht erhalten
hatte, beorderte er den Generallieutenant Roch", den Erstürmer von Tampico,
welcher sofort die Citadelle mit 3000 Mann umstellte. Er wurde mit einem
heftigen Artilleriefeuer empfangen, welches ihm jedoch wenig Schaden zufügte,
da die Truppen gedeckt standen; aber er wagte sich auch seiner Artillerie nicht
zu bedienen, weil dadurch leicht eine Erplosion der großen Pulvervorräthe in
der Citadelle und eine Zerstörung der in der Nähe befindlichen Straßen hätte
herbeigeführt werden können. Die Empörer wagten gegen Mitternacht einen
Ausfall, wurden jedoch dabei zurückgeschlagen und nun mit der ihnen abge¬
nommenen Kanone beschossen; die Truppen stürmten die Citadelle und tödteten
dabei viele der Meuterer, die anderen machten sie zu Gefangenen. Die Führer
und einige der Aufrührer entkamen unter dem Schutze der Nacht; fast sämmt¬
liche Officiere derselben wurden niedergehauen. Die Insurgenten hatten 180
Todte und 70 Verwundete, die Regierungstruppen 38 Todte und 108 Ver¬
wundete.

Die Regierung schien nun mit Zuversicht darauf zu rechnen, daß die Re¬
volution damit niedergeschlagen sei oder doch keine Bedeutung mehr habe.
Sie täuschte sich jedoch darin; wenn auch nicht zu verkennen war, daß durch
die Vereitelung des Attentates die Hauptstadt selbst einer Plünderung durch
die befreiten Verbrecher entging, so liefen doch aus den Provinzen nicht die
besten Nachrichten ein. Der Congreß faßte daher auf den Antrag der Re¬
gierung die Suspendirung einer Anzahl von Verfassungsbestimmungen ins
Auge, welche die Gewalt des Präsidenten, solchen Störungen der Ordnung
energisch zu begegnen, beschränkten, und man hoffte, mit dieser Maßregel und
bei der Kaltblütigkeit und Entschiedenheit des Präsidenten Juarez werde man
der Ordnung Herr bleiben und aus dem Wirrwarr der sich durchkreuzenden
Bestrebungen herauskommen. Diese Maßregel war sehr nothwendig, denn
der Aufstand hatte sich in kurzer Zeit mehr, als man befürchtete, ausgedehnt,
und war keineswegs so leicht zu unterdrücken; es stand viel schlimmer, als bei
früheren Gelegenheiten. So war Saltillo am 4. November, also nach fast
fünf Wochen, noch immer von den Truppen der aufrührerischen Führer Tre-
vino und Martinez belagert, welche an 3000 Mann stark waren, weit stärker
als die Belagerten. Diese wurden auch bei verschiedenen Ausfällen, die sie
gemacht, zurückgeschlagen. Die Regierungsdepeschen gaben an, daß Trevino
keinen Schritt vorwärts gethan, die kleinen Abtheilungen der Insurgenten seien
überall geschlagen worden.


stürmen, wurde aber mit Flintenschüssen abgewiesen. Ebensowenig Erfolg
hatte der berüchtigte General Stivero, der mit einer Anzahl Reitern in der
Vorstadt San Cosme den Aufstand unterstützen wollte. Auch diese Bande
ermordete den ihr entgegentretenden Oberst Castro.

Sobald Juarez von dem Ausbruche des Aufruhrs Nachricht erhalten
hatte, beorderte er den Generallieutenant Roch«, den Erstürmer von Tampico,
welcher sofort die Citadelle mit 3000 Mann umstellte. Er wurde mit einem
heftigen Artilleriefeuer empfangen, welches ihm jedoch wenig Schaden zufügte,
da die Truppen gedeckt standen; aber er wagte sich auch seiner Artillerie nicht
zu bedienen, weil dadurch leicht eine Erplosion der großen Pulvervorräthe in
der Citadelle und eine Zerstörung der in der Nähe befindlichen Straßen hätte
herbeigeführt werden können. Die Empörer wagten gegen Mitternacht einen
Ausfall, wurden jedoch dabei zurückgeschlagen und nun mit der ihnen abge¬
nommenen Kanone beschossen; die Truppen stürmten die Citadelle und tödteten
dabei viele der Meuterer, die anderen machten sie zu Gefangenen. Die Führer
und einige der Aufrührer entkamen unter dem Schutze der Nacht; fast sämmt¬
liche Officiere derselben wurden niedergehauen. Die Insurgenten hatten 180
Todte und 70 Verwundete, die Regierungstruppen 38 Todte und 108 Ver¬
wundete.

Die Regierung schien nun mit Zuversicht darauf zu rechnen, daß die Re¬
volution damit niedergeschlagen sei oder doch keine Bedeutung mehr habe.
Sie täuschte sich jedoch darin; wenn auch nicht zu verkennen war, daß durch
die Vereitelung des Attentates die Hauptstadt selbst einer Plünderung durch
die befreiten Verbrecher entging, so liefen doch aus den Provinzen nicht die
besten Nachrichten ein. Der Congreß faßte daher auf den Antrag der Re¬
gierung die Suspendirung einer Anzahl von Verfassungsbestimmungen ins
Auge, welche die Gewalt des Präsidenten, solchen Störungen der Ordnung
energisch zu begegnen, beschränkten, und man hoffte, mit dieser Maßregel und
bei der Kaltblütigkeit und Entschiedenheit des Präsidenten Juarez werde man
der Ordnung Herr bleiben und aus dem Wirrwarr der sich durchkreuzenden
Bestrebungen herauskommen. Diese Maßregel war sehr nothwendig, denn
der Aufstand hatte sich in kurzer Zeit mehr, als man befürchtete, ausgedehnt,
und war keineswegs so leicht zu unterdrücken; es stand viel schlimmer, als bei
früheren Gelegenheiten. So war Saltillo am 4. November, also nach fast
fünf Wochen, noch immer von den Truppen der aufrührerischen Führer Tre-
vino und Martinez belagert, welche an 3000 Mann stark waren, weit stärker
als die Belagerten. Diese wurden auch bei verschiedenen Ausfällen, die sie
gemacht, zurückgeschlagen. Die Regierungsdepeschen gaben an, daß Trevino
keinen Schritt vorwärts gethan, die kleinen Abtheilungen der Insurgenten seien
überall geschlagen worden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/231>, abgerufen am 28.05.2024.