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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Punkt aus nur mit den sanften Titel "vorbereitender Handlungen zum
Hochverrath" beehrt wurden. Um so liebevoller werden sie zu diesem Wollen
sich bekennen. Gerade durch ihr Verhalten während des letzten Krieges sind
sie bei jedem, der ein Gefühl für die Ehre des deutschen Namens hat, so
schmählich in Verruf gerathen -- natürlich nur als Politiker daß sie nach
dem Schein des Märtyrerthums mit beiden Händen zugreifen sollten. Er ist
ja so billig zu haben, mit ein paar Jahren ehrlichem Zuchthaus oder fried¬
licher Festungshaft. Was ist das gegen die Gut- und Blutphrasen, mit
denen die Herren stets so verschwenderisch umgegangen sind?




Ire Denkschrift des Sächsischen Kultusministeriums gegen
die Hrenzboten

ist erschienen (Leipzig, Brandstetter 1872). nachdem sie bereits vor ihrem Er¬
scheinen in der 2. Kammer zu Dresden als Schild gegen Angriffe der Kammer
benutzt worden ist. Diese Methode der Vertheidigung ist neu, aber die hohe
Kammer hat sie sich gefallen lassen. Gut. Nicht gut aber ist, daß die Denk¬
schrift des Ministeriums, die "Man auch kein Bedenken getragen hat, der
Oeffentlichkeit zu übergeben", gegen den Verfasser unserer Artikel und diese
Artikel selbst Ausdrücke gebraucht, wie die folgenden: "Der Verfasser zeigt
sich als Taktiker; er weiß feine Truppen und Zahlen in eine täuschende
Stellung zu bringen." "vielleicht auch ein auf Täuschung berechnetes Resultat;"
"Verdacht unlauterer Nebenabsichten;" "der Verfasser gerirt sich als Fachmann;"
"das Organ für das Verständniß der innern Seite des Unterrichtswesens
scheint ihm abzugehen:" "es scheint, daß es ihm leichter wird, sich in offen¬
baren Widersprüchen zu ergehen, als der Wahrheit die Ehre zu geben;" "der
Verfasser wagt in die Welt hinauszuschreiben;" "Wahrhaftigkeit und Gerech¬
tigkeit sind so hohe Tugenden, daß man ein solches Gebahren nicht streng
genug verurtheilen kann;" "die vielen anderen schiefen Urtheile und Ent¬
stellungen, zum Theil völligen Unwahrheiten;" u. s. w.

Wir ersuchen das Kgl. Ministerium, uns die seit der Ent¬
deckung des "beschränkten Unterthanenverstandes" erschienenen
Staatsschriften namhaft zu machen, die mehr persönliche Jn-
vectiven und weniger Ruhe und Leidenschaftslosigkeit ent¬
hielten, als diese Schrift!

Wir hielten diese Erklärung geboten, erstens um dem Verfasser zu ermög¬
lichen, sich in seiner Replik in jenen Grenzen der Objectivität zu halten, welche /
die Denkschrift verlassen hat; zweitens um die Freiheit öffentlicher Kritik und
die persönliche Würde unserer Mitarbeiter vor Verunglimpfungen zu be¬
wahren, die keineswegs um deßwillen schon berechtigte sind, weil das Kgl. Sachs.
Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts Sich solidarisch zur
Vaterschaft Derselben bekannt hat.


Die Redaction der Grenzboten.


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Han" Blum.
Berta" von F. L. Herliig. -- Druck von Hiithcl " Le"ter in Leipzig.

Punkt aus nur mit den sanften Titel „vorbereitender Handlungen zum
Hochverrath" beehrt wurden. Um so liebevoller werden sie zu diesem Wollen
sich bekennen. Gerade durch ihr Verhalten während des letzten Krieges sind
sie bei jedem, der ein Gefühl für die Ehre des deutschen Namens hat, so
schmählich in Verruf gerathen — natürlich nur als Politiker daß sie nach
dem Schein des Märtyrerthums mit beiden Händen zugreifen sollten. Er ist
ja so billig zu haben, mit ein paar Jahren ehrlichem Zuchthaus oder fried¬
licher Festungshaft. Was ist das gegen die Gut- und Blutphrasen, mit
denen die Herren stets so verschwenderisch umgegangen sind?




Ire Denkschrift des Sächsischen Kultusministeriums gegen
die Hrenzboten

ist erschienen (Leipzig, Brandstetter 1872). nachdem sie bereits vor ihrem Er¬
scheinen in der 2. Kammer zu Dresden als Schild gegen Angriffe der Kammer
benutzt worden ist. Diese Methode der Vertheidigung ist neu, aber die hohe
Kammer hat sie sich gefallen lassen. Gut. Nicht gut aber ist, daß die Denk¬
schrift des Ministeriums, die „Man auch kein Bedenken getragen hat, der
Oeffentlichkeit zu übergeben", gegen den Verfasser unserer Artikel und diese
Artikel selbst Ausdrücke gebraucht, wie die folgenden: „Der Verfasser zeigt
sich als Taktiker; er weiß feine Truppen und Zahlen in eine täuschende
Stellung zu bringen." „vielleicht auch ein auf Täuschung berechnetes Resultat;"
„Verdacht unlauterer Nebenabsichten;" „der Verfasser gerirt sich als Fachmann;"
„das Organ für das Verständniß der innern Seite des Unterrichtswesens
scheint ihm abzugehen:" „es scheint, daß es ihm leichter wird, sich in offen¬
baren Widersprüchen zu ergehen, als der Wahrheit die Ehre zu geben;" „der
Verfasser wagt in die Welt hinauszuschreiben;" „Wahrhaftigkeit und Gerech¬
tigkeit sind so hohe Tugenden, daß man ein solches Gebahren nicht streng
genug verurtheilen kann;" „die vielen anderen schiefen Urtheile und Ent¬
stellungen, zum Theil völligen Unwahrheiten;" u. s. w.

Wir ersuchen das Kgl. Ministerium, uns die seit der Ent¬
deckung des „beschränkten Unterthanenverstandes" erschienenen
Staatsschriften namhaft zu machen, die mehr persönliche Jn-
vectiven und weniger Ruhe und Leidenschaftslosigkeit ent¬
hielten, als diese Schrift!

Wir hielten diese Erklärung geboten, erstens um dem Verfasser zu ermög¬
lichen, sich in seiner Replik in jenen Grenzen der Objectivität zu halten, welche /
die Denkschrift verlassen hat; zweitens um die Freiheit öffentlicher Kritik und
die persönliche Würde unserer Mitarbeiter vor Verunglimpfungen zu be¬
wahren, die keineswegs um deßwillen schon berechtigte sind, weil das Kgl. Sachs.
Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts Sich solidarisch zur
Vaterschaft Derselben bekannt hat.


Die Redaction der Grenzboten.


Verantwortlicher Redacteur: Dr. Han« Blum.
Berta» von F. L. Herliig. — Druck von Hiithcl » Le„ter in Leipzig.
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[0416] Punkt aus nur mit den sanften Titel „vorbereitender Handlungen zum Hochverrath" beehrt wurden. Um so liebevoller werden sie zu diesem Wollen sich bekennen. Gerade durch ihr Verhalten während des letzten Krieges sind sie bei jedem, der ein Gefühl für die Ehre des deutschen Namens hat, so schmählich in Verruf gerathen — natürlich nur als Politiker daß sie nach dem Schein des Märtyrerthums mit beiden Händen zugreifen sollten. Er ist ja so billig zu haben, mit ein paar Jahren ehrlichem Zuchthaus oder fried¬ licher Festungshaft. Was ist das gegen die Gut- und Blutphrasen, mit denen die Herren stets so verschwenderisch umgegangen sind? Ire Denkschrift des Sächsischen Kultusministeriums gegen die Hrenzboten ist erschienen (Leipzig, Brandstetter 1872). nachdem sie bereits vor ihrem Er¬ scheinen in der 2. Kammer zu Dresden als Schild gegen Angriffe der Kammer benutzt worden ist. Diese Methode der Vertheidigung ist neu, aber die hohe Kammer hat sie sich gefallen lassen. Gut. Nicht gut aber ist, daß die Denk¬ schrift des Ministeriums, die „Man auch kein Bedenken getragen hat, der Oeffentlichkeit zu übergeben", gegen den Verfasser unserer Artikel und diese Artikel selbst Ausdrücke gebraucht, wie die folgenden: „Der Verfasser zeigt sich als Taktiker; er weiß feine Truppen und Zahlen in eine täuschende Stellung zu bringen." „vielleicht auch ein auf Täuschung berechnetes Resultat;" „Verdacht unlauterer Nebenabsichten;" „der Verfasser gerirt sich als Fachmann;" „das Organ für das Verständniß der innern Seite des Unterrichtswesens scheint ihm abzugehen:" „es scheint, daß es ihm leichter wird, sich in offen¬ baren Widersprüchen zu ergehen, als der Wahrheit die Ehre zu geben;" „der Verfasser wagt in die Welt hinauszuschreiben;" „Wahrhaftigkeit und Gerech¬ tigkeit sind so hohe Tugenden, daß man ein solches Gebahren nicht streng genug verurtheilen kann;" „die vielen anderen schiefen Urtheile und Ent¬ stellungen, zum Theil völligen Unwahrheiten;" u. s. w. Wir ersuchen das Kgl. Ministerium, uns die seit der Ent¬ deckung des „beschränkten Unterthanenverstandes" erschienenen Staatsschriften namhaft zu machen, die mehr persönliche Jn- vectiven und weniger Ruhe und Leidenschaftslosigkeit ent¬ hielten, als diese Schrift! Wir hielten diese Erklärung geboten, erstens um dem Verfasser zu ermög¬ lichen, sich in seiner Replik in jenen Grenzen der Objectivität zu halten, welche / die Denkschrift verlassen hat; zweitens um die Freiheit öffentlicher Kritik und die persönliche Würde unserer Mitarbeiter vor Verunglimpfungen zu be¬ wahren, die keineswegs um deßwillen schon berechtigte sind, weil das Kgl. Sachs. Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts Sich solidarisch zur Vaterschaft Derselben bekannt hat. Die Redaction der Grenzboten. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Han« Blum. Berta» von F. L. Herliig. — Druck von Hiithcl » Le„ter in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/416>, abgerufen am 28.05.2024.