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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Wir geben im Folgenden nunmehr die kurze Uebersicht, was der That¬
bestand und welches das Rechtsverhältniß der beiden Vorlagen war, wir
werden im Großen und Ganzen die parlamentarische Behandlung derselben
im Abgeordnetenhause und endlich den dauernden Erfolg berühren, den die
Abstimmung in unserem Staatsleben hervorrief.

Den zeitlichen und wohl auch den sachlichen Vorrang hat die Beschwerde
des Bischofs von Augsburg. Sie war auf Verletzung der Verfassung gerichtet
und nahm auf die Vorgänge in Mering Bezug; daß dort ein excommunicirter
Priester seine regelmäßigen Functionen übe und sogar den Schutz der Re¬
gierung genieße, das verstoße direct gegen die Stellung, die der Kirche in
Bayern durch Concordat und Religionsedikt gewährt sei. So ungefähr lautete
der Tenor der Anklage, die übrigen mattherziger Phrasen von der Verfolgung
der Katholiken, der Ungefährlichst der neuen Lehre und wie die alte Leier eben
sonst noch lautet, gingen in Kauf. Die wenigen niederen Klerikalen die den
Muth hatten, ihre Existenz in die Schanze zu schlagen, um der Wahrheit
Zeugniß zu geben, werden in der Beschwerde als Ketzer und Apostaten hinge¬
stellt, die Bischöfe dagegen, die ihre Ueberzeugung alsbald wechselten nachdem
sie im Juli 1870 den Zug über den Brenner verlassen hatten, die mitten im
Fett ihrer Pfründe sitzen, stellen sich als Märtyrer dar und heucheln vor dem
Volke, daß man sie wegen ihrer Glaubenstreue verfolge, während sie trotz
einer schamlosen Unbotmäßigkeit gegen die Staatsgesetze noch immer in Amt
und Würde stehen, und von der Regierung Gehalt und Schutz empfangen.
Das einzige, wozu sich diese ermannte, war ja die That, daß sie auch den
wenigen Pfarrern, die ihren Standpunkt theilten, den gleichen Schutz ge¬
währte, aber auch das war schon zu viel in den Augen der herrschsüchtigen
Kirchenfürsten. Man hatte die Stirn von der Regierung, die man selbst so
eben mit Füßen getreten, zu fordern, daß sie das Recht dieser Mißhandlung
anerkenne, und jene, die die Gesetze in Ehren gehalten, zu Gunsten ihrer Oberen
überfalle. Das bezweckte die Beschwerde des "hochwürdigsten" Bischofs von
Augsburg, das ist der moralische Maßstab nach dem sie beurtheilt werden
muß. Rechtlich lagen die Dinge vollkommen klar. Da das Meet von
dem Beschwerdeführer weder nachgesucht noch erlangt worden war, so besteht
eben für die Staasregierung das Dogma nicht zu Recht und eine Mitwirkung
derselben, um die Katholiken zum Glauben hieran zu nöthigen, ist formell
keineswegs begründet und wäre materiell schon deshalb ganz unzulässig, weil
das Dogma selber mit den Fundamenten der bayrischen Verfassung im Wider¬
spruche steht.

Diese Folgerung erscheint so einfach, daß man glauben könnte, der stillste
Landcaplan und der Träger der bescheidensten Jurisdiktion müßte sie begreifen:
allein die Bischöfe stehen dazu viel zu hoch. Ihr Verständniß regelt sich nach


Wir geben im Folgenden nunmehr die kurze Uebersicht, was der That¬
bestand und welches das Rechtsverhältniß der beiden Vorlagen war, wir
werden im Großen und Ganzen die parlamentarische Behandlung derselben
im Abgeordnetenhause und endlich den dauernden Erfolg berühren, den die
Abstimmung in unserem Staatsleben hervorrief.

Den zeitlichen und wohl auch den sachlichen Vorrang hat die Beschwerde
des Bischofs von Augsburg. Sie war auf Verletzung der Verfassung gerichtet
und nahm auf die Vorgänge in Mering Bezug; daß dort ein excommunicirter
Priester seine regelmäßigen Functionen übe und sogar den Schutz der Re¬
gierung genieße, das verstoße direct gegen die Stellung, die der Kirche in
Bayern durch Concordat und Religionsedikt gewährt sei. So ungefähr lautete
der Tenor der Anklage, die übrigen mattherziger Phrasen von der Verfolgung
der Katholiken, der Ungefährlichst der neuen Lehre und wie die alte Leier eben
sonst noch lautet, gingen in Kauf. Die wenigen niederen Klerikalen die den
Muth hatten, ihre Existenz in die Schanze zu schlagen, um der Wahrheit
Zeugniß zu geben, werden in der Beschwerde als Ketzer und Apostaten hinge¬
stellt, die Bischöfe dagegen, die ihre Ueberzeugung alsbald wechselten nachdem
sie im Juli 1870 den Zug über den Brenner verlassen hatten, die mitten im
Fett ihrer Pfründe sitzen, stellen sich als Märtyrer dar und heucheln vor dem
Volke, daß man sie wegen ihrer Glaubenstreue verfolge, während sie trotz
einer schamlosen Unbotmäßigkeit gegen die Staatsgesetze noch immer in Amt
und Würde stehen, und von der Regierung Gehalt und Schutz empfangen.
Das einzige, wozu sich diese ermannte, war ja die That, daß sie auch den
wenigen Pfarrern, die ihren Standpunkt theilten, den gleichen Schutz ge¬
währte, aber auch das war schon zu viel in den Augen der herrschsüchtigen
Kirchenfürsten. Man hatte die Stirn von der Regierung, die man selbst so
eben mit Füßen getreten, zu fordern, daß sie das Recht dieser Mißhandlung
anerkenne, und jene, die die Gesetze in Ehren gehalten, zu Gunsten ihrer Oberen
überfalle. Das bezweckte die Beschwerde des „hochwürdigsten" Bischofs von
Augsburg, das ist der moralische Maßstab nach dem sie beurtheilt werden
muß. Rechtlich lagen die Dinge vollkommen klar. Da das Meet von
dem Beschwerdeführer weder nachgesucht noch erlangt worden war, so besteht
eben für die Staasregierung das Dogma nicht zu Recht und eine Mitwirkung
derselben, um die Katholiken zum Glauben hieran zu nöthigen, ist formell
keineswegs begründet und wäre materiell schon deshalb ganz unzulässig, weil
das Dogma selber mit den Fundamenten der bayrischen Verfassung im Wider¬
spruche steht.

Diese Folgerung erscheint so einfach, daß man glauben könnte, der stillste
Landcaplan und der Träger der bescheidensten Jurisdiktion müßte sie begreifen:
allein die Bischöfe stehen dazu viel zu hoch. Ihr Verständniß regelt sich nach


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[0439] Wir geben im Folgenden nunmehr die kurze Uebersicht, was der That¬ bestand und welches das Rechtsverhältniß der beiden Vorlagen war, wir werden im Großen und Ganzen die parlamentarische Behandlung derselben im Abgeordnetenhause und endlich den dauernden Erfolg berühren, den die Abstimmung in unserem Staatsleben hervorrief. Den zeitlichen und wohl auch den sachlichen Vorrang hat die Beschwerde des Bischofs von Augsburg. Sie war auf Verletzung der Verfassung gerichtet und nahm auf die Vorgänge in Mering Bezug; daß dort ein excommunicirter Priester seine regelmäßigen Functionen übe und sogar den Schutz der Re¬ gierung genieße, das verstoße direct gegen die Stellung, die der Kirche in Bayern durch Concordat und Religionsedikt gewährt sei. So ungefähr lautete der Tenor der Anklage, die übrigen mattherziger Phrasen von der Verfolgung der Katholiken, der Ungefährlichst der neuen Lehre und wie die alte Leier eben sonst noch lautet, gingen in Kauf. Die wenigen niederen Klerikalen die den Muth hatten, ihre Existenz in die Schanze zu schlagen, um der Wahrheit Zeugniß zu geben, werden in der Beschwerde als Ketzer und Apostaten hinge¬ stellt, die Bischöfe dagegen, die ihre Ueberzeugung alsbald wechselten nachdem sie im Juli 1870 den Zug über den Brenner verlassen hatten, die mitten im Fett ihrer Pfründe sitzen, stellen sich als Märtyrer dar und heucheln vor dem Volke, daß man sie wegen ihrer Glaubenstreue verfolge, während sie trotz einer schamlosen Unbotmäßigkeit gegen die Staatsgesetze noch immer in Amt und Würde stehen, und von der Regierung Gehalt und Schutz empfangen. Das einzige, wozu sich diese ermannte, war ja die That, daß sie auch den wenigen Pfarrern, die ihren Standpunkt theilten, den gleichen Schutz ge¬ währte, aber auch das war schon zu viel in den Augen der herrschsüchtigen Kirchenfürsten. Man hatte die Stirn von der Regierung, die man selbst so eben mit Füßen getreten, zu fordern, daß sie das Recht dieser Mißhandlung anerkenne, und jene, die die Gesetze in Ehren gehalten, zu Gunsten ihrer Oberen überfalle. Das bezweckte die Beschwerde des „hochwürdigsten" Bischofs von Augsburg, das ist der moralische Maßstab nach dem sie beurtheilt werden muß. Rechtlich lagen die Dinge vollkommen klar. Da das Meet von dem Beschwerdeführer weder nachgesucht noch erlangt worden war, so besteht eben für die Staasregierung das Dogma nicht zu Recht und eine Mitwirkung derselben, um die Katholiken zum Glauben hieran zu nöthigen, ist formell keineswegs begründet und wäre materiell schon deshalb ganz unzulässig, weil das Dogma selber mit den Fundamenten der bayrischen Verfassung im Wider¬ spruche steht. Diese Folgerung erscheint so einfach, daß man glauben könnte, der stillste Landcaplan und der Träger der bescheidensten Jurisdiktion müßte sie begreifen: allein die Bischöfe stehen dazu viel zu hoch. Ihr Verständniß regelt sich nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/439>, abgerufen am 19.05.2024.