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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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doch will diese Zeitschrift und, setzen wir hinzu, muß jede derartige deutsche
Zeitschrift diesen wahren, ja sie stellt ihn sogar an die Spitze ihres Programms.

Gosche's Archiv sucht diese verschiedenartigen Aufgaben in der Art zu
lösen, daß es neben Specialabhandlungen von wesentlich literar-historischer
Tendenz und eben solchen kleineren Notizen in ausführlichen Gesammtartikeln
die allgemeine literarische Bewegung der letzten Jahre übersichtlich zur Dar¬
stellung bringt. Wie begreiflich fällt diese schwerste Arbeit dem Herausgeber
selbst zu, der vor vielen anderen dazu befähigt ist. So bringt der 1. Band
und die bisher erschienenen Hefte des 2. eine damit noch nicht abgeschlossene
Uebersicht der literarhistorischen Arbeiten in den Jahren 1865--69, die eben
so sehr durch die scharf gedachte Systematik ihrer Anordnung wie durch den
ungemeinen Reichthum an Detail allen Ansprüchen genügt, die man vom
Standpunkt der allgemeinen Literaturwissenschaft zu erHeden berechtigt ist.
Man wird dabei nicht vergessen, daß es sich nicht um fachmäßige Ausführ¬
lichkeit innerhalb ver einzelnen Zweige handeln kann: diese möge man in den
Specialzeitschriften suchen. Hier kommt es darauf an, die allgemeinen Ge¬
sichtspunkte herauszuarbeiten, unter denen die gesammte geistige Bewegung der
Zeit, wie sie sich in der Literatur spiegelt, verstanden werden soll.

Daß aber auch die selbständigen Abhandlungen der bisherigen Hefte des
Lehrreichen und Neuen genug bringen, dafür bürgen schon die Namen ihrer
Verfasser. Es würde zu weit führen, sie hier einzeln aufzählen zu wollen,
zumal da es hier nur darum zu thun sein kann, uns mit dem Principe des
Archives auseinanderzusetzen, nicht eine Kritik des Einzelnen zu liefern. Aber
beispielsweise erwähnen wir aus dem ersten Bande K. Steinhart's Euripides'
Charakterisirung und Motivirung im Zusammenhang mit der Culturent¬
wickelung des Alterthums; R. Gosche's Idyll und Dorfgeschichte im Alterthum
und Mittelalter; R. Köhler's Um Städte werben in der deutschen volks-
thümlichen Poesie besonders des 17. Jahrhunderts; R. Köhler's die Grisel-
dis-Novelle als Volksmärchen; aus dem zweiten Bande, soweit er uns vor¬
liegt, Fr, Liebrecht Ueber Lyrische Volkslieder; Gosche, "die Lieder und Reime
von Straßburg, R. Boxberger, Schillers Lectüre; M. Steinschneider "Ueber
die Volksliteratur der Juden." Zugleich mag damit ein ungefährer Einblick
in die überaus reiche Mannigfaltigkeit des Inhalts ermöglicht werden, der
dem universellen Charakter des Unternehmens vollständig entspricht, wenn
auch wie begreiflich nicht alles auf einmal, und in gleich "ertheilten Gewicht
zur Vertretung gelangen kann. --


H. Rückert.


doch will diese Zeitschrift und, setzen wir hinzu, muß jede derartige deutsche
Zeitschrift diesen wahren, ja sie stellt ihn sogar an die Spitze ihres Programms.

Gosche's Archiv sucht diese verschiedenartigen Aufgaben in der Art zu
lösen, daß es neben Specialabhandlungen von wesentlich literar-historischer
Tendenz und eben solchen kleineren Notizen in ausführlichen Gesammtartikeln
die allgemeine literarische Bewegung der letzten Jahre übersichtlich zur Dar¬
stellung bringt. Wie begreiflich fällt diese schwerste Arbeit dem Herausgeber
selbst zu, der vor vielen anderen dazu befähigt ist. So bringt der 1. Band
und die bisher erschienenen Hefte des 2. eine damit noch nicht abgeschlossene
Uebersicht der literarhistorischen Arbeiten in den Jahren 1865—69, die eben
so sehr durch die scharf gedachte Systematik ihrer Anordnung wie durch den
ungemeinen Reichthum an Detail allen Ansprüchen genügt, die man vom
Standpunkt der allgemeinen Literaturwissenschaft zu erHeden berechtigt ist.
Man wird dabei nicht vergessen, daß es sich nicht um fachmäßige Ausführ¬
lichkeit innerhalb ver einzelnen Zweige handeln kann: diese möge man in den
Specialzeitschriften suchen. Hier kommt es darauf an, die allgemeinen Ge¬
sichtspunkte herauszuarbeiten, unter denen die gesammte geistige Bewegung der
Zeit, wie sie sich in der Literatur spiegelt, verstanden werden soll.

Daß aber auch die selbständigen Abhandlungen der bisherigen Hefte des
Lehrreichen und Neuen genug bringen, dafür bürgen schon die Namen ihrer
Verfasser. Es würde zu weit führen, sie hier einzeln aufzählen zu wollen,
zumal da es hier nur darum zu thun sein kann, uns mit dem Principe des
Archives auseinanderzusetzen, nicht eine Kritik des Einzelnen zu liefern. Aber
beispielsweise erwähnen wir aus dem ersten Bande K. Steinhart's Euripides'
Charakterisirung und Motivirung im Zusammenhang mit der Culturent¬
wickelung des Alterthums; R. Gosche's Idyll und Dorfgeschichte im Alterthum
und Mittelalter; R. Köhler's Um Städte werben in der deutschen volks-
thümlichen Poesie besonders des 17. Jahrhunderts; R. Köhler's die Grisel-
dis-Novelle als Volksmärchen; aus dem zweiten Bande, soweit er uns vor¬
liegt, Fr, Liebrecht Ueber Lyrische Volkslieder; Gosche, „die Lieder und Reime
von Straßburg, R. Boxberger, Schillers Lectüre; M. Steinschneider „Ueber
die Volksliteratur der Juden." Zugleich mag damit ein ungefährer Einblick
in die überaus reiche Mannigfaltigkeit des Inhalts ermöglicht werden, der
dem universellen Charakter des Unternehmens vollständig entspricht, wenn
auch wie begreiflich nicht alles auf einmal, und in gleich »ertheilten Gewicht
zur Vertretung gelangen kann. —


H. Rückert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/475>, abgerufen am 19.05.2024.