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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band.

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Lea com' un torrs, tsi-mo, otuz voll eroHs,
Qiammai 1a eima xsr LoKar as' venti.

Und so wollte er auch jetzt nicht zurückhalten mit den schweren Besorg¬
nissen, die ihm der Gedanke an die Zukunft unseres Volkes einflößte, Besorg¬
nisse, die ihn um so schwerer drückten, je lebhafter er wünschte, daß sie sich
als unbegründet erweisen und durch den Erfolg widerlegt werden möchten.*)

Aber wie er zuletzt auch gestanden haben mag zu der Masse der Nation,
wie wenig Gehör seine Stimme auch fand und wie heftig man ihm zürnte,
sein Name wird für alle Zeiten glänzen in der Geschichte des deutschen
Geistes, und sobald die Leidenschaften dieser großen Tage verrauscht sind,
wird das deutsche Volk wieder stolz darauf sein, auch ihn zu seinen Söhnen
zu zählen.

Um so erfreulicher ist, daß so bald nach seinem Tode gerade von na¬
tionaler Seite und vom nationalen Standpuncte aus seine ungemeinen, seine
bahnbrechenden Verdienste hervorgehoben worden sind; sein Name würde sonst
nur zu leicht das Eigenthum einer einzelnen Partei und eine mächtige Waffe
in der Hand von Leuten geworden sein, denen er immer fern geblieben und
die ihn am Wenigsten verstanden.

Richard Gosche, der geistvolle und gelehrte Literarhistoriker, hat sich
das große Verdienst erworben, mit feinstem Verständniß und in schönster
Form den Deutschen ins Gedächtniß zurückzurufen, wer und was Gervinus
gewesen, und hat zugleich unternommen, die Genesis seines politischen Stand¬
punctes zu entwickeln. Das Schriftchen besteht aus einer Reihe von Artikeln,
die zuerst in der Vossischen Zeitung erschienen waren, jetzt zusammengedruckt
und erweitert als eigene Broschüre in den Buchhandel gekommen sind. Möch¬
ten sie hier nicht untergehen in dem Schwall der Tagesliteratur und auch für
weitere Kreise ein Anstoß sein, von dem hohen nationalen Ziele, das wir er¬
reicht, einmal den denkenden Blick zurückzuwenden nach dem Wege, der zu ihm
geführt hat.

Gosche zeichnet uns zunächst den Entwickelungsgang, den Gervinus als
Knabe und Jüngling genommen und der bei ihm einfluß- und folgenreicher
war, als gewöhnlich, und den künftigen Mann in den wesentlichsten Momen¬
ten bestimmt hat. Auch in den Werken von Gervinus begegnen uns ziemlich
häusig Anspielungen auf seine Jugend, wie er denn überhaupt vielfach über
seinen Lebenslauf und das allmählige Werden seines Denkens und Fühlens
reflectirt haben muß. Es wäre sehr erwünscht, wenn der autobiographische
Abriß, den er dem Vernehmen nach hinterlassen hat, möglichst bald veröffent-



") Das erzählt Zeller in seiner Grabrede auf Gervinus. (Heidelberg, Gross, 1871.)
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Und so wollte er auch jetzt nicht zurückhalten mit den schweren Besorg¬
nissen, die ihm der Gedanke an die Zukunft unseres Volkes einflößte, Besorg¬
nisse, die ihn um so schwerer drückten, je lebhafter er wünschte, daß sie sich
als unbegründet erweisen und durch den Erfolg widerlegt werden möchten.*)

Aber wie er zuletzt auch gestanden haben mag zu der Masse der Nation,
wie wenig Gehör seine Stimme auch fand und wie heftig man ihm zürnte,
sein Name wird für alle Zeiten glänzen in der Geschichte des deutschen
Geistes, und sobald die Leidenschaften dieser großen Tage verrauscht sind,
wird das deutsche Volk wieder stolz darauf sein, auch ihn zu seinen Söhnen
zu zählen.

Um so erfreulicher ist, daß so bald nach seinem Tode gerade von na¬
tionaler Seite und vom nationalen Standpuncte aus seine ungemeinen, seine
bahnbrechenden Verdienste hervorgehoben worden sind; sein Name würde sonst
nur zu leicht das Eigenthum einer einzelnen Partei und eine mächtige Waffe
in der Hand von Leuten geworden sein, denen er immer fern geblieben und
die ihn am Wenigsten verstanden.

Richard Gosche, der geistvolle und gelehrte Literarhistoriker, hat sich
das große Verdienst erworben, mit feinstem Verständniß und in schönster
Form den Deutschen ins Gedächtniß zurückzurufen, wer und was Gervinus
gewesen, und hat zugleich unternommen, die Genesis seines politischen Stand¬
punctes zu entwickeln. Das Schriftchen besteht aus einer Reihe von Artikeln,
die zuerst in der Vossischen Zeitung erschienen waren, jetzt zusammengedruckt
und erweitert als eigene Broschüre in den Buchhandel gekommen sind. Möch¬
ten sie hier nicht untergehen in dem Schwall der Tagesliteratur und auch für
weitere Kreise ein Anstoß sein, von dem hohen nationalen Ziele, das wir er¬
reicht, einmal den denkenden Blick zurückzuwenden nach dem Wege, der zu ihm
geführt hat.

Gosche zeichnet uns zunächst den Entwickelungsgang, den Gervinus als
Knabe und Jüngling genommen und der bei ihm einfluß- und folgenreicher
war, als gewöhnlich, und den künftigen Mann in den wesentlichsten Momen¬
ten bestimmt hat. Auch in den Werken von Gervinus begegnen uns ziemlich
häusig Anspielungen auf seine Jugend, wie er denn überhaupt vielfach über
seinen Lebenslauf und das allmählige Werden seines Denkens und Fühlens
reflectirt haben muß. Es wäre sehr erwünscht, wenn der autobiographische
Abriß, den er dem Vernehmen nach hinterlassen hat, möglichst bald veröffent-



") Das erzählt Zeller in seiner Grabrede auf Gervinus. (Heidelberg, Gross, 1871.)
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_126853/61>, abgerufen am 19.05.2024.