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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band.

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den Städten und auswärts wohnenden Gutsbesitzer mit heran und umgeht
die Schwierigkeit der Besteuerung von Einkommen aus auswärtigem Grund¬
besitz. Dagegen hat sie den Nachtheil, daß ihre Einführung mit großen Un¬
kosten und großer Zeitversäumniß verbunden ist. Der Plan selbst stellt drei
Jahre als Frist zur Abschätzung der Güter fest. -- Die Einkommensteuer da¬
gegen kann in wenigen Monaten vertheilt und erhoben werden, was von
großem Werthe ist, da die Bedürfnisse dringend Befriedigung erheischen. Als¬
dann lastet sie nicht auf den verschuldeten Grundbesitzern ebenso stark, wie auf
den unverschuldeten, wogegen von den Anhängern der Grundsteuer freilich
wieder bemerkt wird, daß die Einkommensteuer durch Heranziehung der Hypo¬
thekenbesitzer das Capital für die dessen bedürftigen Grundeigenthümer um so
viel mehr vertheuert. Ein weiterer Vortheil der letzteren ist, daß sie sich leicht
auf die Städte übertragen läßt, mit denen doch wahrscheinlich in nicht langer
Zeit ein gemeinsamer Steuer-Verband eintreten wird. Ja, wie es heißt
soll die russische Regierung selbst schon eine Vereinbarung der Ritterschaft mit
den Städten zum Zweck der Einrichtung einer gemeinsamen Casse für gewisse
Landesbedürfnisse verlangt haben.

Alles erwogen, scheint uns das Einkommensteuer-Project entschieden den
Vorzug zu verdienen, weniger wegen seiner wirds'schaftlichen, als wegen seiner
großen politischen Vortheile. Dem Princip der Einkommensteuer zur Be¬
streitung von provinziellen Bedürfnissen hat die Regierung bereits ihre ent¬
schiedene Billigung ertheilt, indem sie ihre Einführung in Finnland genehmigte,
noch mehr, indem sie diese Steuer anderen Reichstheilen ausdrücklich empfahl.
Und was die vorgeschlagene Theilnahme der nichtadligen Landbevölkerung an
der Veranlagung und Selbstverwaltung betrifft, so hat sie solche ebenfalls in
Finnland genehmigt, wenn auch die Theilnahme des dritten Standes an der
Landesvertretung ein altes Recht ist.

Sache der livländischen Ritterschaft in dem gegenwärtigen Landtage wird
es sein, durch ihre erleuchtete Initiative die Haltung der Regierung zu be¬
stimmen. Wir hegen zu ihrem Patriotismus, welcher sich schon lange der ma߬
gebenden Standesselbstsucht entledigt hat, das Vertrauen, daß sie inmitten
der großen Schwierigkeiten ihrer Lage den richtigen Weg zu dem Ziele der
Bewahrung und Weiterförderung der deutschen Cultur finden wird. Möge
sie bei ihren Berathungen und Arbeiten das Bewußtsein stärken, daß Deutsch¬
land seine Blicke auf sie gerichtet hat und ihre Bestrebungen mit Theilnahme
K. verfolgt.




den Städten und auswärts wohnenden Gutsbesitzer mit heran und umgeht
die Schwierigkeit der Besteuerung von Einkommen aus auswärtigem Grund¬
besitz. Dagegen hat sie den Nachtheil, daß ihre Einführung mit großen Un¬
kosten und großer Zeitversäumniß verbunden ist. Der Plan selbst stellt drei
Jahre als Frist zur Abschätzung der Güter fest. — Die Einkommensteuer da¬
gegen kann in wenigen Monaten vertheilt und erhoben werden, was von
großem Werthe ist, da die Bedürfnisse dringend Befriedigung erheischen. Als¬
dann lastet sie nicht auf den verschuldeten Grundbesitzern ebenso stark, wie auf
den unverschuldeten, wogegen von den Anhängern der Grundsteuer freilich
wieder bemerkt wird, daß die Einkommensteuer durch Heranziehung der Hypo¬
thekenbesitzer das Capital für die dessen bedürftigen Grundeigenthümer um so
viel mehr vertheuert. Ein weiterer Vortheil der letzteren ist, daß sie sich leicht
auf die Städte übertragen läßt, mit denen doch wahrscheinlich in nicht langer
Zeit ein gemeinsamer Steuer-Verband eintreten wird. Ja, wie es heißt
soll die russische Regierung selbst schon eine Vereinbarung der Ritterschaft mit
den Städten zum Zweck der Einrichtung einer gemeinsamen Casse für gewisse
Landesbedürfnisse verlangt haben.

Alles erwogen, scheint uns das Einkommensteuer-Project entschieden den
Vorzug zu verdienen, weniger wegen seiner wirds'schaftlichen, als wegen seiner
großen politischen Vortheile. Dem Princip der Einkommensteuer zur Be¬
streitung von provinziellen Bedürfnissen hat die Regierung bereits ihre ent¬
schiedene Billigung ertheilt, indem sie ihre Einführung in Finnland genehmigte,
noch mehr, indem sie diese Steuer anderen Reichstheilen ausdrücklich empfahl.
Und was die vorgeschlagene Theilnahme der nichtadligen Landbevölkerung an
der Veranlagung und Selbstverwaltung betrifft, so hat sie solche ebenfalls in
Finnland genehmigt, wenn auch die Theilnahme des dritten Standes an der
Landesvertretung ein altes Recht ist.

Sache der livländischen Ritterschaft in dem gegenwärtigen Landtage wird
es sein, durch ihre erleuchtete Initiative die Haltung der Regierung zu be¬
stimmen. Wir hegen zu ihrem Patriotismus, welcher sich schon lange der ma߬
gebenden Standesselbstsucht entledigt hat, das Vertrauen, daß sie inmitten
der großen Schwierigkeiten ihrer Lage den richtigen Weg zu dem Ziele der
Bewahrung und Weiterförderung der deutschen Cultur finden wird. Möge
sie bei ihren Berathungen und Arbeiten das Bewußtsein stärken, daß Deutsch¬
land seine Blicke auf sie gerichtet hat und ihre Bestrebungen mit Theilnahme
K. verfolgt.




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[0042] den Städten und auswärts wohnenden Gutsbesitzer mit heran und umgeht die Schwierigkeit der Besteuerung von Einkommen aus auswärtigem Grund¬ besitz. Dagegen hat sie den Nachtheil, daß ihre Einführung mit großen Un¬ kosten und großer Zeitversäumniß verbunden ist. Der Plan selbst stellt drei Jahre als Frist zur Abschätzung der Güter fest. — Die Einkommensteuer da¬ gegen kann in wenigen Monaten vertheilt und erhoben werden, was von großem Werthe ist, da die Bedürfnisse dringend Befriedigung erheischen. Als¬ dann lastet sie nicht auf den verschuldeten Grundbesitzern ebenso stark, wie auf den unverschuldeten, wogegen von den Anhängern der Grundsteuer freilich wieder bemerkt wird, daß die Einkommensteuer durch Heranziehung der Hypo¬ thekenbesitzer das Capital für die dessen bedürftigen Grundeigenthümer um so viel mehr vertheuert. Ein weiterer Vortheil der letzteren ist, daß sie sich leicht auf die Städte übertragen läßt, mit denen doch wahrscheinlich in nicht langer Zeit ein gemeinsamer Steuer-Verband eintreten wird. Ja, wie es heißt soll die russische Regierung selbst schon eine Vereinbarung der Ritterschaft mit den Städten zum Zweck der Einrichtung einer gemeinsamen Casse für gewisse Landesbedürfnisse verlangt haben. Alles erwogen, scheint uns das Einkommensteuer-Project entschieden den Vorzug zu verdienen, weniger wegen seiner wirds'schaftlichen, als wegen seiner großen politischen Vortheile. Dem Princip der Einkommensteuer zur Be¬ streitung von provinziellen Bedürfnissen hat die Regierung bereits ihre ent¬ schiedene Billigung ertheilt, indem sie ihre Einführung in Finnland genehmigte, noch mehr, indem sie diese Steuer anderen Reichstheilen ausdrücklich empfahl. Und was die vorgeschlagene Theilnahme der nichtadligen Landbevölkerung an der Veranlagung und Selbstverwaltung betrifft, so hat sie solche ebenfalls in Finnland genehmigt, wenn auch die Theilnahme des dritten Standes an der Landesvertretung ein altes Recht ist. Sache der livländischen Ritterschaft in dem gegenwärtigen Landtage wird es sein, durch ihre erleuchtete Initiative die Haltung der Regierung zu be¬ stimmen. Wir hegen zu ihrem Patriotismus, welcher sich schon lange der ma߬ gebenden Standesselbstsucht entledigt hat, das Vertrauen, daß sie inmitten der großen Schwierigkeiten ihrer Lage den richtigen Weg zu dem Ziele der Bewahrung und Weiterförderung der deutschen Cultur finden wird. Möge sie bei ihren Berathungen und Arbeiten das Bewußtsein stärken, daß Deutsch¬ land seine Blicke auf sie gerichtet hat und ihre Bestrebungen mit Theilnahme K. verfolgt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127927/42>, abgerufen am 22.05.2024.