Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dernen Journalismus keine Illusionen mehr zu machen, vielmehr eine
"Zeitung" zu betrachten, wie einen Handelsartikel.

Die von mir speciell gestellten Punkte eines großen Thema,
mit dessen ausführlicherer Behandlung ich die Geduld der Leser zu ermüden
fürchte, sind hiermit erledigt. Es bleiben mir noch einige Worte übrig, welche
ich,--und zwar nicht als persönlicher vieero pro Zomo, denn meine persönliche
feuilletonistische Stellung bei der Hamburger "Reform" ist der Art, daß ich
keinen Grund zur Klage über Schädigung habe, an meine journalistischen College"
in Deutschland zu richten mir erlaube.

Das projektirte "Reichspreßgesetz." meine Herren Collegen, enthält noch
Etwas mehr. Etwas ganz bedeutendes mehr, als ein Labyrinth von
Paragraphen, welche den gesunden Menschenverstand ehrlicherJournalisten
und Schriftsteller choquiren.

Es involvirt die unzweideutig ausgesprochene Erklärung,
daß dieRegierung vert ernt hat, uns und unserm Stand Ach tung
zu bezeigen.

Und das, meine Herrn Collegen, ist schlimmer als ein Dutzend mehr
oder weniger scharfkantiger Paragraphen, über welche der Schriftsteller
der sie gegenstandlos zu machen verstehen muß, spöttisch lächeln kann.

Vom einseitig schriftstellerisch-pessimistischen Standpunkt könnte ich also, da
das Gesetz gleichzeitig seine Spitze gegen den uns demoralisirenden abstrakten
Jndustrialismus in der Journalistik kehrt, sprechen:

?out en comdattÄnt eetw loi, ^ Im Äösirs un Luocös ac trois arg.

Allein ein solcher Pessimismus ist nicht berechtigt, so lange es "in Sodom
noch Gerechte" giebt und unsere sittliche und Jnteressenaufgave besteht
darin, die Achtung, welche uns die Regierung mit Ostentation verweigert, ihr
abzuzwingen, indem wir ihr mit dem Bewußtsein der Standesehre ent¬
gegentreten.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn eine Scheerenflotte Pira¬
terie an der Arbeitskraft der Standesgenossen-treibt.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn er sich selbst zur geistigen
Namenlosigkeit in der Presse Herabdrücken läßt und den Mangel an Ver¬
trauen documentirt, daß die Wahrheit stets Wahrheit bleibt, gleichviel wer sie
ausspricht.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn der abstrakte Jndustria¬
lismus die "Organe der öffentlichen Meinung" zur bezahlten Reclame
benutzen darf, und wenn solche "Organe der öffentlichen Meinung" sich nicht
schämen, offen einzuladen: für so und so viel Silbergroschen per Zeile
sind die "Ritter vom Geist" die Colporteure von Wundersalben
u. f. w.


dernen Journalismus keine Illusionen mehr zu machen, vielmehr eine
„Zeitung" zu betrachten, wie einen Handelsartikel.

Die von mir speciell gestellten Punkte eines großen Thema,
mit dessen ausführlicherer Behandlung ich die Geduld der Leser zu ermüden
fürchte, sind hiermit erledigt. Es bleiben mir noch einige Worte übrig, welche
ich,—und zwar nicht als persönlicher vieero pro Zomo, denn meine persönliche
feuilletonistische Stellung bei der Hamburger „Reform" ist der Art, daß ich
keinen Grund zur Klage über Schädigung habe, an meine journalistischen College»
in Deutschland zu richten mir erlaube.

Das projektirte „Reichspreßgesetz." meine Herren Collegen, enthält noch
Etwas mehr. Etwas ganz bedeutendes mehr, als ein Labyrinth von
Paragraphen, welche den gesunden Menschenverstand ehrlicherJournalisten
und Schriftsteller choquiren.

Es involvirt die unzweideutig ausgesprochene Erklärung,
daß dieRegierung vert ernt hat, uns und unserm Stand Ach tung
zu bezeigen.

Und das, meine Herrn Collegen, ist schlimmer als ein Dutzend mehr
oder weniger scharfkantiger Paragraphen, über welche der Schriftsteller
der sie gegenstandlos zu machen verstehen muß, spöttisch lächeln kann.

Vom einseitig schriftstellerisch-pessimistischen Standpunkt könnte ich also, da
das Gesetz gleichzeitig seine Spitze gegen den uns demoralisirenden abstrakten
Jndustrialismus in der Journalistik kehrt, sprechen:

?out en comdattÄnt eetw loi, ^ Im Äösirs un Luocös ac trois arg.

Allein ein solcher Pessimismus ist nicht berechtigt, so lange es „in Sodom
noch Gerechte" giebt und unsere sittliche und Jnteressenaufgave besteht
darin, die Achtung, welche uns die Regierung mit Ostentation verweigert, ihr
abzuzwingen, indem wir ihr mit dem Bewußtsein der Standesehre ent¬
gegentreten.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn eine Scheerenflotte Pira¬
terie an der Arbeitskraft der Standesgenossen-treibt.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn er sich selbst zur geistigen
Namenlosigkeit in der Presse Herabdrücken läßt und den Mangel an Ver¬
trauen documentirt, daß die Wahrheit stets Wahrheit bleibt, gleichviel wer sie
ausspricht.

Es macht dem Stande keine Ehre, wenn der abstrakte Jndustria¬
lismus die „Organe der öffentlichen Meinung" zur bezahlten Reclame
benutzen darf, und wenn solche „Organe der öffentlichen Meinung" sich nicht
schämen, offen einzuladen: für so und so viel Silbergroschen per Zeile
sind die „Ritter vom Geist" die Colporteure von Wundersalben
u. f. w.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/130045"/>
          <p xml:id="ID_1678" prev="#ID_1677"> dernen Journalismus keine Illusionen mehr zu machen, vielmehr eine<lb/>
&#x201E;Zeitung" zu betrachten, wie einen Handelsartikel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1679"> Die von mir speciell gestellten Punkte eines großen Thema,<lb/>
mit dessen ausführlicherer Behandlung ich die Geduld der Leser zu ermüden<lb/>
fürchte, sind hiermit erledigt. Es bleiben mir noch einige Worte übrig, welche<lb/>
ich,&#x2014;und zwar nicht als persönlicher vieero pro Zomo, denn meine persönliche<lb/>
feuilletonistische Stellung bei der Hamburger &#x201E;Reform" ist der Art, daß ich<lb/>
keinen Grund zur Klage über Schädigung habe, an meine journalistischen College»<lb/>
in Deutschland zu richten mir erlaube.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1680"> Das projektirte &#x201E;Reichspreßgesetz." meine Herren Collegen, enthält noch<lb/>
Etwas mehr. Etwas ganz bedeutendes mehr, als ein Labyrinth von<lb/>
Paragraphen, welche den gesunden Menschenverstand ehrlicherJournalisten<lb/>
und Schriftsteller choquiren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1681"> Es involvirt die unzweideutig ausgesprochene Erklärung,<lb/>
daß dieRegierung vert ernt hat, uns und unserm Stand Ach tung<lb/>
zu bezeigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1682"> Und das, meine Herrn Collegen, ist schlimmer als ein Dutzend mehr<lb/>
oder weniger scharfkantiger Paragraphen, über welche der Schriftsteller<lb/>
der sie gegenstandlos zu machen verstehen muß, spöttisch lächeln kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1683"> Vom einseitig schriftstellerisch-pessimistischen Standpunkt könnte ich also, da<lb/>
das Gesetz gleichzeitig seine Spitze gegen den uns demoralisirenden abstrakten<lb/>
Jndustrialismus in der Journalistik kehrt, sprechen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1684"> ?out en comdattÄnt eetw loi, ^ Im Äösirs un Luocös ac trois arg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1685"> Allein ein solcher Pessimismus ist nicht berechtigt, so lange es &#x201E;in Sodom<lb/>
noch Gerechte" giebt und unsere sittliche und Jnteressenaufgave besteht<lb/>
darin, die Achtung, welche uns die Regierung mit Ostentation verweigert, ihr<lb/>
abzuzwingen, indem wir ihr mit dem Bewußtsein der Standesehre ent¬<lb/>
gegentreten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1686"> Es macht dem Stande keine Ehre, wenn eine Scheerenflotte Pira¬<lb/>
terie an der Arbeitskraft der Standesgenossen-treibt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1687"> Es macht dem Stande keine Ehre, wenn er sich selbst zur geistigen<lb/>
Namenlosigkeit in der Presse Herabdrücken läßt und den Mangel an Ver¬<lb/>
trauen documentirt, daß die Wahrheit stets Wahrheit bleibt, gleichviel wer sie<lb/>
ausspricht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1688"> Es macht dem Stande keine Ehre, wenn der abstrakte Jndustria¬<lb/>
lismus die &#x201E;Organe der öffentlichen Meinung" zur bezahlten Reclame<lb/>
benutzen darf, und wenn solche &#x201E;Organe der öffentlichen Meinung" sich nicht<lb/>
schämen, offen einzuladen: für so und so viel Silbergroschen per Zeile<lb/>
sind die &#x201E;Ritter vom Geist" die Colporteure von Wundersalben<lb/>
u. f. w.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0519] dernen Journalismus keine Illusionen mehr zu machen, vielmehr eine „Zeitung" zu betrachten, wie einen Handelsartikel. Die von mir speciell gestellten Punkte eines großen Thema, mit dessen ausführlicherer Behandlung ich die Geduld der Leser zu ermüden fürchte, sind hiermit erledigt. Es bleiben mir noch einige Worte übrig, welche ich,—und zwar nicht als persönlicher vieero pro Zomo, denn meine persönliche feuilletonistische Stellung bei der Hamburger „Reform" ist der Art, daß ich keinen Grund zur Klage über Schädigung habe, an meine journalistischen College» in Deutschland zu richten mir erlaube. Das projektirte „Reichspreßgesetz." meine Herren Collegen, enthält noch Etwas mehr. Etwas ganz bedeutendes mehr, als ein Labyrinth von Paragraphen, welche den gesunden Menschenverstand ehrlicherJournalisten und Schriftsteller choquiren. Es involvirt die unzweideutig ausgesprochene Erklärung, daß dieRegierung vert ernt hat, uns und unserm Stand Ach tung zu bezeigen. Und das, meine Herrn Collegen, ist schlimmer als ein Dutzend mehr oder weniger scharfkantiger Paragraphen, über welche der Schriftsteller der sie gegenstandlos zu machen verstehen muß, spöttisch lächeln kann. Vom einseitig schriftstellerisch-pessimistischen Standpunkt könnte ich also, da das Gesetz gleichzeitig seine Spitze gegen den uns demoralisirenden abstrakten Jndustrialismus in der Journalistik kehrt, sprechen: ?out en comdattÄnt eetw loi, ^ Im Äösirs un Luocös ac trois arg. Allein ein solcher Pessimismus ist nicht berechtigt, so lange es „in Sodom noch Gerechte" giebt und unsere sittliche und Jnteressenaufgave besteht darin, die Achtung, welche uns die Regierung mit Ostentation verweigert, ihr abzuzwingen, indem wir ihr mit dem Bewußtsein der Standesehre ent¬ gegentreten. Es macht dem Stande keine Ehre, wenn eine Scheerenflotte Pira¬ terie an der Arbeitskraft der Standesgenossen-treibt. Es macht dem Stande keine Ehre, wenn er sich selbst zur geistigen Namenlosigkeit in der Presse Herabdrücken läßt und den Mangel an Ver¬ trauen documentirt, daß die Wahrheit stets Wahrheit bleibt, gleichviel wer sie ausspricht. Es macht dem Stande keine Ehre, wenn der abstrakte Jndustria¬ lismus die „Organe der öffentlichen Meinung" zur bezahlten Reclame benutzen darf, und wenn solche „Organe der öffentlichen Meinung" sich nicht schämen, offen einzuladen: für so und so viel Silbergroschen per Zeile sind die „Ritter vom Geist" die Colporteure von Wundersalben u. f. w.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/519
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_129525/519>, abgerufen am 30.05.2024.