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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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katholische Geistliche im westlichen Sauerlande ihnen zukommen ließen. Diese
drückten ihre Freude aus über der Renitenten "edle, unumwundene, apo¬
stolische Sprache" und begrüßten dieselben als ihre "Kampfgenossen gegen das
heidnische Prinzip eines omnipotenten Staats". Besonders schien ihnen die
Schroffheit des Auftretens und die Beharrlichkeit in der Renitenz zu gefallen.
Der ungebührliche Lärm, welchen zur Freude der Renitenten die Nachrichten
über ihre Handlungen des Widerstands machten, sing im Herbst 1873 sogar
in Frankreich an, Aufsehen zu machen, indem der pariser "soir" mit Wohl¬
gefallen von diesen, ,wie er meinte "separatistischen Tendenzen" sprach. Selbst
liberale deutsche Blätter begannen, sich durch den Lärm irre führen zu lassen,
und man mußte die Ansicht lesen, durch des Landgrafen Friedrich von Hessen
neuerlichen Verzicht auf seine Thronfolgerechte selber partikularistischen Partei
in Hessen endlich der Boden entzogen. Es existirt aber eine solche Partei
nicht und die in Rede stehenden Sonderlinge verdienen kaum die Bezeichnung
einer Partei.

Seine Blüthe erreichte der Widerstand in der Antwort. welche die Reni¬
tenten auf den Erlaß des Kultusministeriums v. 13. August ertheilten. Sie
blieben bei ihrer Nichtanerkennung des neuen Konsistoriums, durch dessen Ein¬
setzung der Organismus der Kirche völlig zerbrochen, das königliche Amt Jesu
Christi aus der Kirche verdrängt und ihr Amt, das sie allein von Christus
erhalten, aus der Unterordnung unter die alleinige Autorität dieses ihres
Herrn gelöst und in die Unterordnung unter menschliche Autorität gestellt sei;
sie könnten dieses Amt nur in einer solchen Kirche ausüben, in der Alles
nach den festen Ordnungen vollzogen werden dürfe, "die ihren Quell von dem
Herrn Jesus herleiten/' sie wollten ausharren, selbst wenn der letzte irdische
Besitz ihnen entzogen wäre oder Kerkerhaft bevorstehe, und sie würden durch
williges Erdulden aller Leiden beweisen, daß sie Diener "Jesu Christi, des
geoffenbarten Gottes" seien, der sie zum Zeugen seiner Herrlichkeit gemacht
habe. Die "Hessischen Blätter" vom 1. November 1873 bezeichneten gar jenen
ministeriellen Erlaß als "Auflehnung" gegen "die Majestät des Gottessohnes".

In Berlin schien man doch nun auch einzusehen, daß mit diesen Herren
der fixen Idee jede Discussion unmöglich ist.

Als Antwort auf jenes merkwürdige Actenstück, in welchem der ganze
Fanatismus der Sonderlinge sich ausspricht, erfolgte zur Ausfüllung einer
Lücke der Gesetzgebung am 27. Sept. 1873 ein königl. Erlaß, wodurch das
Gesammt-Konsistorium in erster und das Kultusministerium in zweiter Instanz
als Disciplinarbehörde der Geistlichen bei auf Amtsentsetzung gerichtetem
Verfahren bestellt wird. Seitdem sind bis zum 21. Dezember 1873
dreizehn Renitenten ihres Amtes entsetzt, wogegen ihr Führer Mlmar
am 7. November "unbedingten Rechtswiderspruch" erhob. Ihr Organ


katholische Geistliche im westlichen Sauerlande ihnen zukommen ließen. Diese
drückten ihre Freude aus über der Renitenten „edle, unumwundene, apo¬
stolische Sprache" und begrüßten dieselben als ihre „Kampfgenossen gegen das
heidnische Prinzip eines omnipotenten Staats". Besonders schien ihnen die
Schroffheit des Auftretens und die Beharrlichkeit in der Renitenz zu gefallen.
Der ungebührliche Lärm, welchen zur Freude der Renitenten die Nachrichten
über ihre Handlungen des Widerstands machten, sing im Herbst 1873 sogar
in Frankreich an, Aufsehen zu machen, indem der pariser „soir" mit Wohl¬
gefallen von diesen, ,wie er meinte „separatistischen Tendenzen" sprach. Selbst
liberale deutsche Blätter begannen, sich durch den Lärm irre führen zu lassen,
und man mußte die Ansicht lesen, durch des Landgrafen Friedrich von Hessen
neuerlichen Verzicht auf seine Thronfolgerechte selber partikularistischen Partei
in Hessen endlich der Boden entzogen. Es existirt aber eine solche Partei
nicht und die in Rede stehenden Sonderlinge verdienen kaum die Bezeichnung
einer Partei.

Seine Blüthe erreichte der Widerstand in der Antwort. welche die Reni¬
tenten auf den Erlaß des Kultusministeriums v. 13. August ertheilten. Sie
blieben bei ihrer Nichtanerkennung des neuen Konsistoriums, durch dessen Ein¬
setzung der Organismus der Kirche völlig zerbrochen, das königliche Amt Jesu
Christi aus der Kirche verdrängt und ihr Amt, das sie allein von Christus
erhalten, aus der Unterordnung unter die alleinige Autorität dieses ihres
Herrn gelöst und in die Unterordnung unter menschliche Autorität gestellt sei;
sie könnten dieses Amt nur in einer solchen Kirche ausüben, in der Alles
nach den festen Ordnungen vollzogen werden dürfe, „die ihren Quell von dem
Herrn Jesus herleiten/' sie wollten ausharren, selbst wenn der letzte irdische
Besitz ihnen entzogen wäre oder Kerkerhaft bevorstehe, und sie würden durch
williges Erdulden aller Leiden beweisen, daß sie Diener „Jesu Christi, des
geoffenbarten Gottes" seien, der sie zum Zeugen seiner Herrlichkeit gemacht
habe. Die „Hessischen Blätter" vom 1. November 1873 bezeichneten gar jenen
ministeriellen Erlaß als „Auflehnung" gegen „die Majestät des Gottessohnes".

In Berlin schien man doch nun auch einzusehen, daß mit diesen Herren
der fixen Idee jede Discussion unmöglich ist.

Als Antwort auf jenes merkwürdige Actenstück, in welchem der ganze
Fanatismus der Sonderlinge sich ausspricht, erfolgte zur Ausfüllung einer
Lücke der Gesetzgebung am 27. Sept. 1873 ein königl. Erlaß, wodurch das
Gesammt-Konsistorium in erster und das Kultusministerium in zweiter Instanz
als Disciplinarbehörde der Geistlichen bei auf Amtsentsetzung gerichtetem
Verfahren bestellt wird. Seitdem sind bis zum 21. Dezember 1873
dreizehn Renitenten ihres Amtes entsetzt, wogegen ihr Führer Mlmar
am 7. November „unbedingten Rechtswiderspruch" erhob. Ihr Organ


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[0507] katholische Geistliche im westlichen Sauerlande ihnen zukommen ließen. Diese drückten ihre Freude aus über der Renitenten „edle, unumwundene, apo¬ stolische Sprache" und begrüßten dieselben als ihre „Kampfgenossen gegen das heidnische Prinzip eines omnipotenten Staats". Besonders schien ihnen die Schroffheit des Auftretens und die Beharrlichkeit in der Renitenz zu gefallen. Der ungebührliche Lärm, welchen zur Freude der Renitenten die Nachrichten über ihre Handlungen des Widerstands machten, sing im Herbst 1873 sogar in Frankreich an, Aufsehen zu machen, indem der pariser „soir" mit Wohl¬ gefallen von diesen, ,wie er meinte „separatistischen Tendenzen" sprach. Selbst liberale deutsche Blätter begannen, sich durch den Lärm irre führen zu lassen, und man mußte die Ansicht lesen, durch des Landgrafen Friedrich von Hessen neuerlichen Verzicht auf seine Thronfolgerechte selber partikularistischen Partei in Hessen endlich der Boden entzogen. Es existirt aber eine solche Partei nicht und die in Rede stehenden Sonderlinge verdienen kaum die Bezeichnung einer Partei. Seine Blüthe erreichte der Widerstand in der Antwort. welche die Reni¬ tenten auf den Erlaß des Kultusministeriums v. 13. August ertheilten. Sie blieben bei ihrer Nichtanerkennung des neuen Konsistoriums, durch dessen Ein¬ setzung der Organismus der Kirche völlig zerbrochen, das königliche Amt Jesu Christi aus der Kirche verdrängt und ihr Amt, das sie allein von Christus erhalten, aus der Unterordnung unter die alleinige Autorität dieses ihres Herrn gelöst und in die Unterordnung unter menschliche Autorität gestellt sei; sie könnten dieses Amt nur in einer solchen Kirche ausüben, in der Alles nach den festen Ordnungen vollzogen werden dürfe, „die ihren Quell von dem Herrn Jesus herleiten/' sie wollten ausharren, selbst wenn der letzte irdische Besitz ihnen entzogen wäre oder Kerkerhaft bevorstehe, und sie würden durch williges Erdulden aller Leiden beweisen, daß sie Diener „Jesu Christi, des geoffenbarten Gottes" seien, der sie zum Zeugen seiner Herrlichkeit gemacht habe. Die „Hessischen Blätter" vom 1. November 1873 bezeichneten gar jenen ministeriellen Erlaß als „Auflehnung" gegen „die Majestät des Gottessohnes". In Berlin schien man doch nun auch einzusehen, daß mit diesen Herren der fixen Idee jede Discussion unmöglich ist. Als Antwort auf jenes merkwürdige Actenstück, in welchem der ganze Fanatismus der Sonderlinge sich ausspricht, erfolgte zur Ausfüllung einer Lücke der Gesetzgebung am 27. Sept. 1873 ein königl. Erlaß, wodurch das Gesammt-Konsistorium in erster und das Kultusministerium in zweiter Instanz als Disciplinarbehörde der Geistlichen bei auf Amtsentsetzung gerichtetem Verfahren bestellt wird. Seitdem sind bis zum 21. Dezember 1873 dreizehn Renitenten ihres Amtes entsetzt, wogegen ihr Führer Mlmar am 7. November „unbedingten Rechtswiderspruch" erhob. Ihr Organ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/507>, abgerufen am 10.06.2024.