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Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band.

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Meter breiten Mittelschiffe mit vielen, je 118 Meter langen, 15 Meter brei¬
ten Querschiffen und einer in der Mitte liegenden kolossalen Rotunde von
107 Meter Durchmesser bei 84 Meter Höhe. Doch hat dieses neue Sy¬
stem sich leider als nicht praktisch für die übersichtliche Aufstellung
so vieler Gegenstande bewährt. Es ist eben ein unglücklich ausgefallener
Versuch.

Die Herstellung dieses kolossalen Palastes ist wesentlich ein Werk der
Ingenieure. Aber es erscheint nicht als solches, sondern als ein monu¬
mentales Werk der Architekten, in den Formen der späteren und wieder
modernen französischen Renaissance. Abgesehen davon, daß es nicht passend
erscheint für einen nur vorübergehenden Zweck ein Gebäude von monu¬
mentalen Charakter herzustellen, ist es auch durchaus unkünstlerisch ein
wesentlich aus Eisen construirtes Gebäude als ein solches aus Stein erscheinen
zu lassen. Und selbst wenn auch das letztere zugegeben werden sollte, so sind
von dem Architekten dieses Palastes, Hasen an er, die architektonischen For¬
men ohne das rechte Verständniß für den Zweck und die Bedeutung derselben
angewendet worden. Säulen, Gesimse ze, haben hier, selbst wenn sie nicht
aus Gyps, Leinewand :c. sondern aus Stein beständen, keine tektonische Func-
tion, sondern sind weiter nichts als Decoration. Die architektonischen Glie¬
der sind in zu großer Häufung angewendet worden, wodurch der Eindruck
des Großen und Großartigen, welchen der Palast bei seinen wirklich bedeu¬
tenden Abmessungen sonst leicht hätte machen können, gänzlich verloren ge¬
gangen ist. Das Südportal z. B. -- es ist gewiß nicht zu rechefertigen, daß
es viel höher ist, als die Halle, welcher es als Eingang dient -- wirkt bei
seinen wirklich kolossalen Dimensionen keineswegs großartig, was nur an der
Anwendung zu reicher Gliederung und zu vieler Details liegt. Man hätte
also, bei richtigem Verständniß unter Aufwendung viel geringerer Mittel, leicht
eine weit größere Wirkung erzielen können. Viele Einzelheiten dagegen sind
sehr schön. So sind z, B. die Arkaden zu beiden Seiten der Rotunde
von schönen, edlen Verhältnissen und beleben die Facade in sehr passender
Weise.

Die Mitte des Industriepalastes wird, wie erwähnt, durch die berühmte
oder vielmehr berüchtigte Rotunde eingenommen. Der Gedanke, einen kolos¬
salen, großartig wirkenden Raum zu schaffen, welcher als Ruhepunkt für
die den Jndustriepalast durchwandernden Beschauer dient, vielleicht auch als
eine Art Ehrensaal verwendet werden konnte, welcher zugleich ein Meisterstück
der Ingenieur-Wissenschaft ist, welcher zeigt, was man heute im Ueberdecken
weiter Räume ohne Anwendung von Stützen zu leisten im Stande ist, war
gewiß eine sehr glückliche. Doch mußte dieser Raum dann auch künstlerisch
behandelt sein, mußte vor allem von einer den aufgewendeten Mitteln ent-


Meter breiten Mittelschiffe mit vielen, je 118 Meter langen, 15 Meter brei¬
ten Querschiffen und einer in der Mitte liegenden kolossalen Rotunde von
107 Meter Durchmesser bei 84 Meter Höhe. Doch hat dieses neue Sy¬
stem sich leider als nicht praktisch für die übersichtliche Aufstellung
so vieler Gegenstande bewährt. Es ist eben ein unglücklich ausgefallener
Versuch.

Die Herstellung dieses kolossalen Palastes ist wesentlich ein Werk der
Ingenieure. Aber es erscheint nicht als solches, sondern als ein monu¬
mentales Werk der Architekten, in den Formen der späteren und wieder
modernen französischen Renaissance. Abgesehen davon, daß es nicht passend
erscheint für einen nur vorübergehenden Zweck ein Gebäude von monu¬
mentalen Charakter herzustellen, ist es auch durchaus unkünstlerisch ein
wesentlich aus Eisen construirtes Gebäude als ein solches aus Stein erscheinen
zu lassen. Und selbst wenn auch das letztere zugegeben werden sollte, so sind
von dem Architekten dieses Palastes, Hasen an er, die architektonischen For¬
men ohne das rechte Verständniß für den Zweck und die Bedeutung derselben
angewendet worden. Säulen, Gesimse ze, haben hier, selbst wenn sie nicht
aus Gyps, Leinewand :c. sondern aus Stein beständen, keine tektonische Func-
tion, sondern sind weiter nichts als Decoration. Die architektonischen Glie¬
der sind in zu großer Häufung angewendet worden, wodurch der Eindruck
des Großen und Großartigen, welchen der Palast bei seinen wirklich bedeu¬
tenden Abmessungen sonst leicht hätte machen können, gänzlich verloren ge¬
gangen ist. Das Südportal z. B. — es ist gewiß nicht zu rechefertigen, daß
es viel höher ist, als die Halle, welcher es als Eingang dient — wirkt bei
seinen wirklich kolossalen Dimensionen keineswegs großartig, was nur an der
Anwendung zu reicher Gliederung und zu vieler Details liegt. Man hätte
also, bei richtigem Verständniß unter Aufwendung viel geringerer Mittel, leicht
eine weit größere Wirkung erzielen können. Viele Einzelheiten dagegen sind
sehr schön. So sind z, B. die Arkaden zu beiden Seiten der Rotunde
von schönen, edlen Verhältnissen und beleben die Facade in sehr passender
Weise.

Die Mitte des Industriepalastes wird, wie erwähnt, durch die berühmte
oder vielmehr berüchtigte Rotunde eingenommen. Der Gedanke, einen kolos¬
salen, großartig wirkenden Raum zu schaffen, welcher als Ruhepunkt für
die den Jndustriepalast durchwandernden Beschauer dient, vielleicht auch als
eine Art Ehrensaal verwendet werden konnte, welcher zugleich ein Meisterstück
der Ingenieur-Wissenschaft ist, welcher zeigt, was man heute im Ueberdecken
weiter Räume ohne Anwendung von Stützen zu leisten im Stande ist, war
gewiß eine sehr glückliche. Doch mußte dieser Raum dann auch künstlerisch
behandelt sein, mußte vor allem von einer den aufgewendeten Mitteln ent-


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[0075] Meter breiten Mittelschiffe mit vielen, je 118 Meter langen, 15 Meter brei¬ ten Querschiffen und einer in der Mitte liegenden kolossalen Rotunde von 107 Meter Durchmesser bei 84 Meter Höhe. Doch hat dieses neue Sy¬ stem sich leider als nicht praktisch für die übersichtliche Aufstellung so vieler Gegenstande bewährt. Es ist eben ein unglücklich ausgefallener Versuch. Die Herstellung dieses kolossalen Palastes ist wesentlich ein Werk der Ingenieure. Aber es erscheint nicht als solches, sondern als ein monu¬ mentales Werk der Architekten, in den Formen der späteren und wieder modernen französischen Renaissance. Abgesehen davon, daß es nicht passend erscheint für einen nur vorübergehenden Zweck ein Gebäude von monu¬ mentalen Charakter herzustellen, ist es auch durchaus unkünstlerisch ein wesentlich aus Eisen construirtes Gebäude als ein solches aus Stein erscheinen zu lassen. Und selbst wenn auch das letztere zugegeben werden sollte, so sind von dem Architekten dieses Palastes, Hasen an er, die architektonischen For¬ men ohne das rechte Verständniß für den Zweck und die Bedeutung derselben angewendet worden. Säulen, Gesimse ze, haben hier, selbst wenn sie nicht aus Gyps, Leinewand :c. sondern aus Stein beständen, keine tektonische Func- tion, sondern sind weiter nichts als Decoration. Die architektonischen Glie¬ der sind in zu großer Häufung angewendet worden, wodurch der Eindruck des Großen und Großartigen, welchen der Palast bei seinen wirklich bedeu¬ tenden Abmessungen sonst leicht hätte machen können, gänzlich verloren ge¬ gangen ist. Das Südportal z. B. — es ist gewiß nicht zu rechefertigen, daß es viel höher ist, als die Halle, welcher es als Eingang dient — wirkt bei seinen wirklich kolossalen Dimensionen keineswegs großartig, was nur an der Anwendung zu reicher Gliederung und zu vieler Details liegt. Man hätte also, bei richtigem Verständniß unter Aufwendung viel geringerer Mittel, leicht eine weit größere Wirkung erzielen können. Viele Einzelheiten dagegen sind sehr schön. So sind z, B. die Arkaden zu beiden Seiten der Rotunde von schönen, edlen Verhältnissen und beleben die Facade in sehr passender Weise. Die Mitte des Industriepalastes wird, wie erwähnt, durch die berühmte oder vielmehr berüchtigte Rotunde eingenommen. Der Gedanke, einen kolos¬ salen, großartig wirkenden Raum zu schaffen, welcher als Ruhepunkt für die den Jndustriepalast durchwandernden Beschauer dient, vielleicht auch als eine Art Ehrensaal verwendet werden konnte, welcher zugleich ein Meisterstück der Ingenieur-Wissenschaft ist, welcher zeigt, was man heute im Ueberdecken weiter Räume ohne Anwendung von Stützen zu leisten im Stande ist, war gewiß eine sehr glückliche. Doch mußte dieser Raum dann auch künstlerisch behandelt sein, mußte vor allem von einer den aufgewendeten Mitteln ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 32, 1873, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341817_130059/75>, abgerufen am 19.05.2024.