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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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bürg.) Es wird Auswärtigen verboten vor Kirchthüren oder auf Brücken
Kunst feil zu halten, und zwar wird dies Verbot auf Anzeige von Raths¬
wegen aufrecht erhalten. Ohne Bürgerrecht und Zeche kein Handel . . .
"allein ym iormargkt, an welchen iber man frey ist." Diese Bestimmung ist
wiederum fast allgemein, doch findet sich auch, wie in Heiligenstadt der Usus,
daß jedem, der mit Waare ankommt, zwei Tage Freihandel gewährt wird. Es
liegt auf der Hand, daß diese Satzungen am ersten und am meisten über¬
treten werden, sobald die Zunftverhältnisse sich zu lockern beginnen und Frei¬
handel nicht allein geübt, sondern auch von Magistraten vertreten zu wer¬
den anfängt.

Um sich dem Zwange der Zunft zu entziehen kommt es vor, daß Ma¬
ler sich in den Dienst von Domherrn und geistlichen Personen begeben . . .
"den zal man yn kalte dingen fordern (fördern) und kein goltsloher zal ym
noch gold noth zilbr vorkowffen."

Zum Kriegsdienste waren alle Zunftangehörigen, ja selbst die Lehrjungen
verpflichtet. In dem Lehrlingsregister der Malerzeche zu Breslau finden sich
1457 neun Namen mit dem Zusätze: dy sind nicht gewest in der Herfart; eine
Bemerkung, die als Tadel noch öfter wiederholt wird. Diesem kriegerischen
Zwecke dient die Bestimmung, daß gewisse Einnahmen der Zunft aus Auf¬
nahmegeldern, Strafen u. a. zur Besserung des Harnisch verwendet wurden.
Der Kriegsapparat scheint also von Zunftwegen verwahrt und im Stande
gehalten zu sein. Man erinnere sich indessen, daß unter dem Beiitzthum des
Michael Ostendorfer ein paar Spitzhauben und unter dem des Caspar Dur-
chelsteiner sein Schwert und seine Trompete vorkamen. Handelte es sich um
Vertheidigung der Stadt, so waren den Zünften besondere Bastionen und
Mauerebene zugewiesen, die jeder von ihnen ein für allemal bestimmt waren;
auch im übrigen bildeten sie gemeinsame Züge.

Es ist bis jetzt von den Lucasbruderschaften noch mit keinem Worte die
Rede gewesen. Lucasbruderschaften? was ist das? sind es die Malerzünfte
unter besonderen Namen, sind es besondere Vereinigungen außerhalb der
Zunft, oder gehören die Zunftgenossen beiden Vereinigungen an, oder giebt
es hier Malerzünfte dort Lucasbruderschaften? Das sind Fragen, die sich uns
sogleich aufdrängen. nachzuweisen sind diese Bruderschaften seit dem drei¬
zehnten Jahrhundert in Antwerpen, Paris, Lüneburg, Osnabrück, Luzern,
Augsburg, München, Nürnberg, Würzburg und Prag. Es werden wieder¬
holt Commenden und Jcihresrenten der Lucasbruderschaft eingerichtet, es
wird der Se. Lucas-Tag erwähnt, Gesellen und Lehrlinge zahlen Geld und
Wachs an Sünde Lucas, es werden Capellen erworben, Altäre errichtet,
Messmer angestellt, aber alles dies giebt uns nicht Antwort auf die aufge-


bürg.) Es wird Auswärtigen verboten vor Kirchthüren oder auf Brücken
Kunst feil zu halten, und zwar wird dies Verbot auf Anzeige von Raths¬
wegen aufrecht erhalten. Ohne Bürgerrecht und Zeche kein Handel . . .
„allein ym iormargkt, an welchen iber man frey ist." Diese Bestimmung ist
wiederum fast allgemein, doch findet sich auch, wie in Heiligenstadt der Usus,
daß jedem, der mit Waare ankommt, zwei Tage Freihandel gewährt wird. Es
liegt auf der Hand, daß diese Satzungen am ersten und am meisten über¬
treten werden, sobald die Zunftverhältnisse sich zu lockern beginnen und Frei¬
handel nicht allein geübt, sondern auch von Magistraten vertreten zu wer¬
den anfängt.

Um sich dem Zwange der Zunft zu entziehen kommt es vor, daß Ma¬
ler sich in den Dienst von Domherrn und geistlichen Personen begeben . . .
„den zal man yn kalte dingen fordern (fördern) und kein goltsloher zal ym
noch gold noth zilbr vorkowffen."

Zum Kriegsdienste waren alle Zunftangehörigen, ja selbst die Lehrjungen
verpflichtet. In dem Lehrlingsregister der Malerzeche zu Breslau finden sich
1457 neun Namen mit dem Zusätze: dy sind nicht gewest in der Herfart; eine
Bemerkung, die als Tadel noch öfter wiederholt wird. Diesem kriegerischen
Zwecke dient die Bestimmung, daß gewisse Einnahmen der Zunft aus Auf¬
nahmegeldern, Strafen u. a. zur Besserung des Harnisch verwendet wurden.
Der Kriegsapparat scheint also von Zunftwegen verwahrt und im Stande
gehalten zu sein. Man erinnere sich indessen, daß unter dem Beiitzthum des
Michael Ostendorfer ein paar Spitzhauben und unter dem des Caspar Dur-
chelsteiner sein Schwert und seine Trompete vorkamen. Handelte es sich um
Vertheidigung der Stadt, so waren den Zünften besondere Bastionen und
Mauerebene zugewiesen, die jeder von ihnen ein für allemal bestimmt waren;
auch im übrigen bildeten sie gemeinsame Züge.

Es ist bis jetzt von den Lucasbruderschaften noch mit keinem Worte die
Rede gewesen. Lucasbruderschaften? was ist das? sind es die Malerzünfte
unter besonderen Namen, sind es besondere Vereinigungen außerhalb der
Zunft, oder gehören die Zunftgenossen beiden Vereinigungen an, oder giebt
es hier Malerzünfte dort Lucasbruderschaften? Das sind Fragen, die sich uns
sogleich aufdrängen. nachzuweisen sind diese Bruderschaften seit dem drei¬
zehnten Jahrhundert in Antwerpen, Paris, Lüneburg, Osnabrück, Luzern,
Augsburg, München, Nürnberg, Würzburg und Prag. Es werden wieder¬
holt Commenden und Jcihresrenten der Lucasbruderschaft eingerichtet, es
wird der Se. Lucas-Tag erwähnt, Gesellen und Lehrlinge zahlen Geld und
Wachs an Sünde Lucas, es werden Capellen erworben, Altäre errichtet,
Messmer angestellt, aber alles dies giebt uns nicht Antwort auf die aufge-


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[0145] bürg.) Es wird Auswärtigen verboten vor Kirchthüren oder auf Brücken Kunst feil zu halten, und zwar wird dies Verbot auf Anzeige von Raths¬ wegen aufrecht erhalten. Ohne Bürgerrecht und Zeche kein Handel . . . „allein ym iormargkt, an welchen iber man frey ist." Diese Bestimmung ist wiederum fast allgemein, doch findet sich auch, wie in Heiligenstadt der Usus, daß jedem, der mit Waare ankommt, zwei Tage Freihandel gewährt wird. Es liegt auf der Hand, daß diese Satzungen am ersten und am meisten über¬ treten werden, sobald die Zunftverhältnisse sich zu lockern beginnen und Frei¬ handel nicht allein geübt, sondern auch von Magistraten vertreten zu wer¬ den anfängt. Um sich dem Zwange der Zunft zu entziehen kommt es vor, daß Ma¬ ler sich in den Dienst von Domherrn und geistlichen Personen begeben . . . „den zal man yn kalte dingen fordern (fördern) und kein goltsloher zal ym noch gold noth zilbr vorkowffen." Zum Kriegsdienste waren alle Zunftangehörigen, ja selbst die Lehrjungen verpflichtet. In dem Lehrlingsregister der Malerzeche zu Breslau finden sich 1457 neun Namen mit dem Zusätze: dy sind nicht gewest in der Herfart; eine Bemerkung, die als Tadel noch öfter wiederholt wird. Diesem kriegerischen Zwecke dient die Bestimmung, daß gewisse Einnahmen der Zunft aus Auf¬ nahmegeldern, Strafen u. a. zur Besserung des Harnisch verwendet wurden. Der Kriegsapparat scheint also von Zunftwegen verwahrt und im Stande gehalten zu sein. Man erinnere sich indessen, daß unter dem Beiitzthum des Michael Ostendorfer ein paar Spitzhauben und unter dem des Caspar Dur- chelsteiner sein Schwert und seine Trompete vorkamen. Handelte es sich um Vertheidigung der Stadt, so waren den Zünften besondere Bastionen und Mauerebene zugewiesen, die jeder von ihnen ein für allemal bestimmt waren; auch im übrigen bildeten sie gemeinsame Züge. Es ist bis jetzt von den Lucasbruderschaften noch mit keinem Worte die Rede gewesen. Lucasbruderschaften? was ist das? sind es die Malerzünfte unter besonderen Namen, sind es besondere Vereinigungen außerhalb der Zunft, oder gehören die Zunftgenossen beiden Vereinigungen an, oder giebt es hier Malerzünfte dort Lucasbruderschaften? Das sind Fragen, die sich uns sogleich aufdrängen. nachzuweisen sind diese Bruderschaften seit dem drei¬ zehnten Jahrhundert in Antwerpen, Paris, Lüneburg, Osnabrück, Luzern, Augsburg, München, Nürnberg, Würzburg und Prag. Es werden wieder¬ holt Commenden und Jcihresrenten der Lucasbruderschaft eingerichtet, es wird der Se. Lucas-Tag erwähnt, Gesellen und Lehrlinge zahlen Geld und Wachs an Sünde Lucas, es werden Capellen erworben, Altäre errichtet, Messmer angestellt, aber alles dies giebt uns nicht Antwort auf die aufge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/145>, abgerufen am 28.05.2024.