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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Cavour selbst, obgleich er nunmehr eine sehr zuversichtliche Haltung zur
Schau trug, mochte von vornherein keinen Anlaß haben, jene günstige Wen¬
dung der Angelegenheit zu überschätzen, deren Verantwortung er auf sich
genommen und deren Wucht ihm nachträglich zum Bewußtsein gekommen
Wie wenig die Großmächte Sardinien, trotz seines guten Willens und seiner
nützlichen Mithülfe, als einen ebenbürtigen Bundesgenossen anerkannten, stellte
sich handgreiflich heraus bei Gelegenheit des auf österreichischen Vorschlag an
Nußland gerichteten Ultimatums, bei welchem Sardinien auch nicht einmal
der Form nach zugezogen wurde. Sogar die Theilnahme an dem in Paris
abzuhaltenden Friedenskongresse wurde dem italienischen Königreiche von
Wien aus, ohne ernstlichen Widerspruch Englands und Frankreichs, streitig
gemacht und endlich nur auf eifrigen Betneb Rußlands, das dadurch Rache
an Oesterreich üben zu wollen schien, zugestanden.

Bei diesem Gange der Dinge schwand die Hoffnung Cavour's auf den
Erfolg seines Unternehmens so weit, daß er es mit Mühe über sich gewann,
der Einladung zu dem Friedenskongresse Folge zu leisten, auf welchem er
neue Demüthigungen für Sardinien und das Ende seiner eigenen Laufbahn
voraussehen zu müssen glaubte. -- Im Beginn der im Februar 1836 begon¬
nenen Friedensverhandlungen, und so lange sich dieselben um orientalische
Fragen drehten, hielt sich Cavour, mit sichtlicher Anlehnung an Rußland,
innerhalb der bescheidenen Rolle, welche ihm der geringe Antheil anwies, den
Sardinien sowohl im Namen seiner Macht wie im Namen seiner Interessen
an diesen Angelegenheiten beanspruchen konnte. Indessen, er war darum nicht
unthätig für seinen Nationalzweck. Im Anschluß an eine schon im Januar
an Napoleon III. aus dessen gelegentliche Frage: was kann man für Italien
thun? gerichtete Denkschrift, in welcher er die wirksame Theilnahme Frankreichs
für sein Vaterland als rühmliche bonapartistische Ueberlieferung angerufen
und insbesondere den Gedanken angeregt, Oesterreich für Lombards-Venetien
in den Donaufürstenthümern zu entschädigen, richtete er am 27. März eine
sogenannte Verbalnote an die englischen und französischen Mitglieder des
Pariser Kongresses, welche neue Vorschläge zur Abstellung einzelner italienischer
Mißverhältnisse zur Sprache brachte. Diesmal galt es vorzugsweise
dem Priesterregimente im Kirchenstaate, das wenigstens in den jenseits des
Apennin gelegenen Provinzen, wo es am schwersten ertragen werde und eine
bereits sieben Jahre währende österreichische Besetzung der Romagna und der
Legationen herbeigeführt habe, durch administrative Trennung von dem soge¬
nannten Patrimonium Petri, so weit als irgend möglich beschränkt werden
müsse, wenn man nicht diese Landschaften zu einem Herde ewiger Revolutions¬
gefahr für Italien und der Beunruhigung für ganz Europa werden lassen
wolle.


Cavour selbst, obgleich er nunmehr eine sehr zuversichtliche Haltung zur
Schau trug, mochte von vornherein keinen Anlaß haben, jene günstige Wen¬
dung der Angelegenheit zu überschätzen, deren Verantwortung er auf sich
genommen und deren Wucht ihm nachträglich zum Bewußtsein gekommen
Wie wenig die Großmächte Sardinien, trotz seines guten Willens und seiner
nützlichen Mithülfe, als einen ebenbürtigen Bundesgenossen anerkannten, stellte
sich handgreiflich heraus bei Gelegenheit des auf österreichischen Vorschlag an
Nußland gerichteten Ultimatums, bei welchem Sardinien auch nicht einmal
der Form nach zugezogen wurde. Sogar die Theilnahme an dem in Paris
abzuhaltenden Friedenskongresse wurde dem italienischen Königreiche von
Wien aus, ohne ernstlichen Widerspruch Englands und Frankreichs, streitig
gemacht und endlich nur auf eifrigen Betneb Rußlands, das dadurch Rache
an Oesterreich üben zu wollen schien, zugestanden.

Bei diesem Gange der Dinge schwand die Hoffnung Cavour's auf den
Erfolg seines Unternehmens so weit, daß er es mit Mühe über sich gewann,
der Einladung zu dem Friedenskongresse Folge zu leisten, auf welchem er
neue Demüthigungen für Sardinien und das Ende seiner eigenen Laufbahn
voraussehen zu müssen glaubte. — Im Beginn der im Februar 1836 begon¬
nenen Friedensverhandlungen, und so lange sich dieselben um orientalische
Fragen drehten, hielt sich Cavour, mit sichtlicher Anlehnung an Rußland,
innerhalb der bescheidenen Rolle, welche ihm der geringe Antheil anwies, den
Sardinien sowohl im Namen seiner Macht wie im Namen seiner Interessen
an diesen Angelegenheiten beanspruchen konnte. Indessen, er war darum nicht
unthätig für seinen Nationalzweck. Im Anschluß an eine schon im Januar
an Napoleon III. aus dessen gelegentliche Frage: was kann man für Italien
thun? gerichtete Denkschrift, in welcher er die wirksame Theilnahme Frankreichs
für sein Vaterland als rühmliche bonapartistische Ueberlieferung angerufen
und insbesondere den Gedanken angeregt, Oesterreich für Lombards-Venetien
in den Donaufürstenthümern zu entschädigen, richtete er am 27. März eine
sogenannte Verbalnote an die englischen und französischen Mitglieder des
Pariser Kongresses, welche neue Vorschläge zur Abstellung einzelner italienischer
Mißverhältnisse zur Sprache brachte. Diesmal galt es vorzugsweise
dem Priesterregimente im Kirchenstaate, das wenigstens in den jenseits des
Apennin gelegenen Provinzen, wo es am schwersten ertragen werde und eine
bereits sieben Jahre währende österreichische Besetzung der Romagna und der
Legationen herbeigeführt habe, durch administrative Trennung von dem soge¬
nannten Patrimonium Petri, so weit als irgend möglich beschränkt werden
müsse, wenn man nicht diese Landschaften zu einem Herde ewiger Revolutions¬
gefahr für Italien und der Beunruhigung für ganz Europa werden lassen
wolle.


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[0186] Cavour selbst, obgleich er nunmehr eine sehr zuversichtliche Haltung zur Schau trug, mochte von vornherein keinen Anlaß haben, jene günstige Wen¬ dung der Angelegenheit zu überschätzen, deren Verantwortung er auf sich genommen und deren Wucht ihm nachträglich zum Bewußtsein gekommen Wie wenig die Großmächte Sardinien, trotz seines guten Willens und seiner nützlichen Mithülfe, als einen ebenbürtigen Bundesgenossen anerkannten, stellte sich handgreiflich heraus bei Gelegenheit des auf österreichischen Vorschlag an Nußland gerichteten Ultimatums, bei welchem Sardinien auch nicht einmal der Form nach zugezogen wurde. Sogar die Theilnahme an dem in Paris abzuhaltenden Friedenskongresse wurde dem italienischen Königreiche von Wien aus, ohne ernstlichen Widerspruch Englands und Frankreichs, streitig gemacht und endlich nur auf eifrigen Betneb Rußlands, das dadurch Rache an Oesterreich üben zu wollen schien, zugestanden. Bei diesem Gange der Dinge schwand die Hoffnung Cavour's auf den Erfolg seines Unternehmens so weit, daß er es mit Mühe über sich gewann, der Einladung zu dem Friedenskongresse Folge zu leisten, auf welchem er neue Demüthigungen für Sardinien und das Ende seiner eigenen Laufbahn voraussehen zu müssen glaubte. — Im Beginn der im Februar 1836 begon¬ nenen Friedensverhandlungen, und so lange sich dieselben um orientalische Fragen drehten, hielt sich Cavour, mit sichtlicher Anlehnung an Rußland, innerhalb der bescheidenen Rolle, welche ihm der geringe Antheil anwies, den Sardinien sowohl im Namen seiner Macht wie im Namen seiner Interessen an diesen Angelegenheiten beanspruchen konnte. Indessen, er war darum nicht unthätig für seinen Nationalzweck. Im Anschluß an eine schon im Januar an Napoleon III. aus dessen gelegentliche Frage: was kann man für Italien thun? gerichtete Denkschrift, in welcher er die wirksame Theilnahme Frankreichs für sein Vaterland als rühmliche bonapartistische Ueberlieferung angerufen und insbesondere den Gedanken angeregt, Oesterreich für Lombards-Venetien in den Donaufürstenthümern zu entschädigen, richtete er am 27. März eine sogenannte Verbalnote an die englischen und französischen Mitglieder des Pariser Kongresses, welche neue Vorschläge zur Abstellung einzelner italienischer Mißverhältnisse zur Sprache brachte. Diesmal galt es vorzugsweise dem Priesterregimente im Kirchenstaate, das wenigstens in den jenseits des Apennin gelegenen Provinzen, wo es am schwersten ertragen werde und eine bereits sieben Jahre währende österreichische Besetzung der Romagna und der Legationen herbeigeführt habe, durch administrative Trennung von dem soge¬ nannten Patrimonium Petri, so weit als irgend möglich beschränkt werden müsse, wenn man nicht diese Landschaften zu einem Herde ewiger Revolutions¬ gefahr für Italien und der Beunruhigung für ganz Europa werden lassen wolle.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/186>, abgerufen am 27.05.2024.