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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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er seine Stiefel gewickelt hatte, von diesen los, und sandte es als Beleg und
corpus äslieti an die hohe Bundesversammlung nach Frankfurt.

In Gießen waren dem jungen Manne nicht minder unangenehme Ver¬
wickelungen mit dem patriarchalischen Regiment seines engern Vaterlandes
beschicken. Das Verbindungsleben war damals mit aller Macht unterdrückt
und verpönt. Gleichwohl stiftete Metz 1838 eine nach kurzer Dauer mit dem
cousiliuw abeunäi aller Mitglieder gestrafte Verbindung Starkenburgia, und
1839, nach Ablauf des consilium, sofort zum zweiten Male dieselbe Verbindung.
Als das Universttätsgericht gegen alles Gesetz die Angeschuldigten zur
Aussage auf Ehrenwort, daß sie keiner Verbindung angehören, anhalten wollte,
setzte Metz durch seinen Einfluß als Senior durch, daß alle Angeschuldigten
sich ehrenwörtlich verpflichteten, jede Auskunft zu verweigern und die etwa
verhaftet werdenden Genossen gewaltsam zu befreien, um auf diese Weise
eine Katastrophe und den Fall des verhaßten Kanzlers Linde herbeizuführen.
Metz wurde dann auch richtig mit fünf anderen Genossen verhaftet, indessen
nach einigen Tagen durch Sturm des Karzers befreit, worauf die gesammte
Studentenschaft, wie einst die Plebejer in Novtom kaorum, auf das benach¬
barte preußische Gebiet auszog. Volkstribunen erstritten sich die Gießner
Musensöhne durch diese Leeoxsio zwar nicht, wohl aber wurde Metz aber-
mals mit einem Jahr Relegation angesehen. Dagegen machte doch das ganze
Ereigniß einen so tiefen Eindruck in Darmstadt, daß man den bisherigen
landesväterlichen Zwang gegen die Studenten als völlig unhaltbar aufgab
und die Relegirten nach einem halben Jahre schon in Gnaden in das aca-
demische Bürgerrecht wieder einsetzte. Metz erkannte freiwillig, daß er die
Hässigkeiten mit dem "Biergericht" sich eigentlich doch nicht zum Lebensberuf
erwählen könne, warf sich eifrig auf sein Jus, machte 1840 sein Universi.
tätsexamen, einige Jahre später das Staatsexamen und betrat die praktische
Laufbahn als "Stagtär" bei hessischen Anwälten.

Durch einen für seine Entwickelung wichtigen Zufall wurde Metz dazu
ausersehn, in den Jahren von 1845 bis 1848 und später noch in Mühlheim
a. d. Ruhr eigenthümliche Rechtsverhältnisse (Erbpacht, Leibgewinnsgüter,
Steinkohlenzehnten, Schleußeurechte u. s. w.) an Ort und Stelle zu unter"
suchen und zugleich im Archiv zu Broich (dem längeren Aufenthalte der Kö¬
nigin Louise von Preußen in ihrer Kindheit) im Interesse eines großen Pro¬
cesses nach sehr wichtigen Urkunden aus den Jahren 1446 und 1459 Nach¬
forschungen anzustellen. Metz fand hierbei sehr interessante altdeutsche Perga¬
mente und Actenstücke, und gewann für seinen Lebensberuf ein höheres In¬
teresse, als er wohl anfangs selbst ihm entgegenbringen mochte. Aber für
den künftigen Politiker Metz war von weit größerer Wichtigkeit die Anknüpfung
vielfacher Bekanntschaften mit Industriellen und Kaufleuten der betriebsamen


er seine Stiefel gewickelt hatte, von diesen los, und sandte es als Beleg und
corpus äslieti an die hohe Bundesversammlung nach Frankfurt.

In Gießen waren dem jungen Manne nicht minder unangenehme Ver¬
wickelungen mit dem patriarchalischen Regiment seines engern Vaterlandes
beschicken. Das Verbindungsleben war damals mit aller Macht unterdrückt
und verpönt. Gleichwohl stiftete Metz 1838 eine nach kurzer Dauer mit dem
cousiliuw abeunäi aller Mitglieder gestrafte Verbindung Starkenburgia, und
1839, nach Ablauf des consilium, sofort zum zweiten Male dieselbe Verbindung.
Als das Universttätsgericht gegen alles Gesetz die Angeschuldigten zur
Aussage auf Ehrenwort, daß sie keiner Verbindung angehören, anhalten wollte,
setzte Metz durch seinen Einfluß als Senior durch, daß alle Angeschuldigten
sich ehrenwörtlich verpflichteten, jede Auskunft zu verweigern und die etwa
verhaftet werdenden Genossen gewaltsam zu befreien, um auf diese Weise
eine Katastrophe und den Fall des verhaßten Kanzlers Linde herbeizuführen.
Metz wurde dann auch richtig mit fünf anderen Genossen verhaftet, indessen
nach einigen Tagen durch Sturm des Karzers befreit, worauf die gesammte
Studentenschaft, wie einst die Plebejer in Novtom kaorum, auf das benach¬
barte preußische Gebiet auszog. Volkstribunen erstritten sich die Gießner
Musensöhne durch diese Leeoxsio zwar nicht, wohl aber wurde Metz aber-
mals mit einem Jahr Relegation angesehen. Dagegen machte doch das ganze
Ereigniß einen so tiefen Eindruck in Darmstadt, daß man den bisherigen
landesväterlichen Zwang gegen die Studenten als völlig unhaltbar aufgab
und die Relegirten nach einem halben Jahre schon in Gnaden in das aca-
demische Bürgerrecht wieder einsetzte. Metz erkannte freiwillig, daß er die
Hässigkeiten mit dem „Biergericht" sich eigentlich doch nicht zum Lebensberuf
erwählen könne, warf sich eifrig auf sein Jus, machte 1840 sein Universi.
tätsexamen, einige Jahre später das Staatsexamen und betrat die praktische
Laufbahn als „Stagtär" bei hessischen Anwälten.

Durch einen für seine Entwickelung wichtigen Zufall wurde Metz dazu
ausersehn, in den Jahren von 1845 bis 1848 und später noch in Mühlheim
a. d. Ruhr eigenthümliche Rechtsverhältnisse (Erbpacht, Leibgewinnsgüter,
Steinkohlenzehnten, Schleußeurechte u. s. w.) an Ort und Stelle zu unter«
suchen und zugleich im Archiv zu Broich (dem längeren Aufenthalte der Kö¬
nigin Louise von Preußen in ihrer Kindheit) im Interesse eines großen Pro¬
cesses nach sehr wichtigen Urkunden aus den Jahren 1446 und 1459 Nach¬
forschungen anzustellen. Metz fand hierbei sehr interessante altdeutsche Perga¬
mente und Actenstücke, und gewann für seinen Lebensberuf ein höheres In¬
teresse, als er wohl anfangs selbst ihm entgegenbringen mochte. Aber für
den künftigen Politiker Metz war von weit größerer Wichtigkeit die Anknüpfung
vielfacher Bekanntschaften mit Industriellen und Kaufleuten der betriebsamen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/390>, abgerufen am 17.06.2024.