Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

solcher Bestimmtheit gemachten Angaben Kind's zu Ehren zu bringen und in
der Bibliothek einmal gründlich nach dem Buche zu suchen. Denn mochte es
auch nicht unwahrscheinlich sein, daß Kind bei seiner Eitelkeit und bei seinem
Neide gegen C. M. von Weber, der durch seine Musik den Textdichter aller¬
dings bedenklich in Schatten gestellt hatte, in seinen Angaben sich einen An¬
theil an der Entstehung des Textbuches zu vindiciren suchte, der ihm nicht
zukam, so lag doch die Möglichkeit vor, wenigstens Apel's Verhältniß zu seiner
Quelle nachzuweisen; und wiewohl Dr. Naumann auf Grund eigener vergeblicher
Bemühungen an einem Erfolge zweifelte, gab ich mir doch wochenlang die
erdenklichste Mühe, in den Katalogen und am Standorte dem geheimnißvollen
"Quartanten" auf die Spur zu kommen. Die Bibliothek ist zwar seit jener
Zeit, da Kind als Schüler sie benutzte, zu wiederholten Malen umgestellt
worden. Allein wenn die Angaben Kind's auf Wahrheit beruhten, so mußte
sich ja bei dem geringen Umfange der allerdings in verschiedenen Rubriken
untergebrachten magischen und dämonologischen Litteratur das Buch ausfindig
machen lassen. Doch alle Mühe war vergebens.

Jetzt überrascht uns nun auf einmal Ambros in der vor kurzem erschie¬
nenen neuen Folge seiner "Bunten Blätter", auf die wir bei dieser Gelegen¬
heit aufmerksam machen wollen"), durch den strietesten Nachweis der Apel'schen
Quelle. Prof. Meynert in Wien ist so glücklich gewesen, das Buch zu ent¬
decken, und folgendes ist sein Titel: Unterredungen von dem Reiche
der Geister, worin gehandelt wird: I. Von den Geistern überhaupt. II. Von
den geheimen Hauß-Geistern. III. Von den Erscheinungen der Verstorbenen.
IV- Von den Erd- und Wasser-Geistern. V. Bon den Lust- und Feuer-
Geistern. VI. Von den Geistern gewisser Landschaften, Städte und Schlösser.
Zwischen ^.NDKIMIO und I>NLVN^I0?IIII.0. (2. Auflage. Leipzig 1731).
In diesem Buche erzählt Pneumatophilus die ganze Begebenheit und sagt,
daß er sie "selbst aus den gerichtlichen Acten zusammen gezogen" und daß
sie sich "^. 1710 in einer gewissen Stadt des Königreiches Böhmen" wirklich
zugetragen habe. Was Apel als Material vorgelegen hat, ist nicht gar viel,
stimmt aber vollständig mit den betreffenden Partieen seiner Novelle überein;
andere, sehr wesentliche Züge hat er frei hinzuerfunden.

Nun, und Kind? Welche Rolle spielt er in der ganzen Angelegenheit?
Welchen Antheil hat er in Wahrheit an der dichterischen Gestaltung des
Stoffes? Diese Fragen finden folgende, nach allem, was vorausgegangen,
nicht mehr ganz unerwartete, aber doch schließlich etwas frappirende Lösung:
Kind hat, wie aus einer Vergleichung seines Textbuches einerseits mit Apel's



') Bunte Blätter. Skizzen und Studien für Freunde der Musik und der bildenden Kunst
von A. W. Ambros. Neue Folge. Leipzig, Leuckart 1874.

solcher Bestimmtheit gemachten Angaben Kind's zu Ehren zu bringen und in
der Bibliothek einmal gründlich nach dem Buche zu suchen. Denn mochte es
auch nicht unwahrscheinlich sein, daß Kind bei seiner Eitelkeit und bei seinem
Neide gegen C. M. von Weber, der durch seine Musik den Textdichter aller¬
dings bedenklich in Schatten gestellt hatte, in seinen Angaben sich einen An¬
theil an der Entstehung des Textbuches zu vindiciren suchte, der ihm nicht
zukam, so lag doch die Möglichkeit vor, wenigstens Apel's Verhältniß zu seiner
Quelle nachzuweisen; und wiewohl Dr. Naumann auf Grund eigener vergeblicher
Bemühungen an einem Erfolge zweifelte, gab ich mir doch wochenlang die
erdenklichste Mühe, in den Katalogen und am Standorte dem geheimnißvollen
„Quartanten" auf die Spur zu kommen. Die Bibliothek ist zwar seit jener
Zeit, da Kind als Schüler sie benutzte, zu wiederholten Malen umgestellt
worden. Allein wenn die Angaben Kind's auf Wahrheit beruhten, so mußte
sich ja bei dem geringen Umfange der allerdings in verschiedenen Rubriken
untergebrachten magischen und dämonologischen Litteratur das Buch ausfindig
machen lassen. Doch alle Mühe war vergebens.

Jetzt überrascht uns nun auf einmal Ambros in der vor kurzem erschie¬
nenen neuen Folge seiner „Bunten Blätter", auf die wir bei dieser Gelegen¬
heit aufmerksam machen wollen"), durch den strietesten Nachweis der Apel'schen
Quelle. Prof. Meynert in Wien ist so glücklich gewesen, das Buch zu ent¬
decken, und folgendes ist sein Titel: Unterredungen von dem Reiche
der Geister, worin gehandelt wird: I. Von den Geistern überhaupt. II. Von
den geheimen Hauß-Geistern. III. Von den Erscheinungen der Verstorbenen.
IV- Von den Erd- und Wasser-Geistern. V. Bon den Lust- und Feuer-
Geistern. VI. Von den Geistern gewisser Landschaften, Städte und Schlösser.
Zwischen ^.NDKIMIO und I>NLVN^I0?IIII.0. (2. Auflage. Leipzig 1731).
In diesem Buche erzählt Pneumatophilus die ganze Begebenheit und sagt,
daß er sie „selbst aus den gerichtlichen Acten zusammen gezogen" und daß
sie sich „^. 1710 in einer gewissen Stadt des Königreiches Böhmen" wirklich
zugetragen habe. Was Apel als Material vorgelegen hat, ist nicht gar viel,
stimmt aber vollständig mit den betreffenden Partieen seiner Novelle überein;
andere, sehr wesentliche Züge hat er frei hinzuerfunden.

Nun, und Kind? Welche Rolle spielt er in der ganzen Angelegenheit?
Welchen Antheil hat er in Wahrheit an der dichterischen Gestaltung des
Stoffes? Diese Fragen finden folgende, nach allem, was vorausgegangen,
nicht mehr ganz unerwartete, aber doch schließlich etwas frappirende Lösung:
Kind hat, wie aus einer Vergleichung seines Textbuches einerseits mit Apel's



') Bunte Blätter. Skizzen und Studien für Freunde der Musik und der bildenden Kunst
von A. W. Ambros. Neue Folge. Leipzig, Leuckart 1874.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0422" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131066"/>
          <p xml:id="ID_1215" prev="#ID_1214"> solcher Bestimmtheit gemachten Angaben Kind's zu Ehren zu bringen und in<lb/>
der Bibliothek einmal gründlich nach dem Buche zu suchen. Denn mochte es<lb/>
auch nicht unwahrscheinlich sein, daß Kind bei seiner Eitelkeit und bei seinem<lb/>
Neide gegen C. M. von Weber, der durch seine Musik den Textdichter aller¬<lb/>
dings bedenklich in Schatten gestellt hatte, in seinen Angaben sich einen An¬<lb/>
theil an der Entstehung des Textbuches zu vindiciren suchte, der ihm nicht<lb/>
zukam, so lag doch die Möglichkeit vor, wenigstens Apel's Verhältniß zu seiner<lb/>
Quelle nachzuweisen; und wiewohl Dr. Naumann auf Grund eigener vergeblicher<lb/>
Bemühungen an einem Erfolge zweifelte, gab ich mir doch wochenlang die<lb/>
erdenklichste Mühe, in den Katalogen und am Standorte dem geheimnißvollen<lb/>
&#x201E;Quartanten" auf die Spur zu kommen. Die Bibliothek ist zwar seit jener<lb/>
Zeit, da Kind als Schüler sie benutzte, zu wiederholten Malen umgestellt<lb/>
worden. Allein wenn die Angaben Kind's auf Wahrheit beruhten, so mußte<lb/>
sich ja bei dem geringen Umfange der allerdings in verschiedenen Rubriken<lb/>
untergebrachten magischen und dämonologischen Litteratur das Buch ausfindig<lb/>
machen lassen. Doch alle Mühe war vergebens.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1216"> Jetzt überrascht uns nun auf einmal Ambros in der vor kurzem erschie¬<lb/>
nenen neuen Folge seiner &#x201E;Bunten Blätter", auf die wir bei dieser Gelegen¬<lb/>
heit aufmerksam machen wollen"), durch den strietesten Nachweis der Apel'schen<lb/>
Quelle. Prof. Meynert in Wien ist so glücklich gewesen, das Buch zu ent¬<lb/>
decken, und folgendes ist sein Titel: Unterredungen von dem Reiche<lb/>
der Geister, worin gehandelt wird: I. Von den Geistern überhaupt. II. Von<lb/>
den geheimen Hauß-Geistern. III. Von den Erscheinungen der Verstorbenen.<lb/>
IV- Von den Erd- und Wasser-Geistern. V. Bon den Lust- und Feuer-<lb/>
Geistern. VI. Von den Geistern gewisser Landschaften, Städte und Schlösser.<lb/>
Zwischen ^.NDKIMIO und I&gt;NLVN^I0?IIII.0. (2. Auflage. Leipzig 1731).<lb/>
In diesem Buche erzählt Pneumatophilus die ganze Begebenheit und sagt,<lb/>
daß er sie &#x201E;selbst aus den gerichtlichen Acten zusammen gezogen" und daß<lb/>
sie sich &#x201E;^. 1710 in einer gewissen Stadt des Königreiches Böhmen" wirklich<lb/>
zugetragen habe. Was Apel als Material vorgelegen hat, ist nicht gar viel,<lb/>
stimmt aber vollständig mit den betreffenden Partieen seiner Novelle überein;<lb/>
andere, sehr wesentliche Züge hat er frei hinzuerfunden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1217" next="#ID_1218"> Nun, und Kind? Welche Rolle spielt er in der ganzen Angelegenheit?<lb/>
Welchen Antheil hat er in Wahrheit an der dichterischen Gestaltung des<lb/>
Stoffes? Diese Fragen finden folgende, nach allem, was vorausgegangen,<lb/>
nicht mehr ganz unerwartete, aber doch schließlich etwas frappirende Lösung:<lb/>
Kind hat, wie aus einer Vergleichung seines Textbuches einerseits mit Apel's</p><lb/>
          <note xml:id="FID_122" place="foot"> ') Bunte Blätter. Skizzen und Studien für Freunde der Musik und der bildenden Kunst<lb/>
von A. W. Ambros. Neue Folge. Leipzig, Leuckart 1874.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0422] solcher Bestimmtheit gemachten Angaben Kind's zu Ehren zu bringen und in der Bibliothek einmal gründlich nach dem Buche zu suchen. Denn mochte es auch nicht unwahrscheinlich sein, daß Kind bei seiner Eitelkeit und bei seinem Neide gegen C. M. von Weber, der durch seine Musik den Textdichter aller¬ dings bedenklich in Schatten gestellt hatte, in seinen Angaben sich einen An¬ theil an der Entstehung des Textbuches zu vindiciren suchte, der ihm nicht zukam, so lag doch die Möglichkeit vor, wenigstens Apel's Verhältniß zu seiner Quelle nachzuweisen; und wiewohl Dr. Naumann auf Grund eigener vergeblicher Bemühungen an einem Erfolge zweifelte, gab ich mir doch wochenlang die erdenklichste Mühe, in den Katalogen und am Standorte dem geheimnißvollen „Quartanten" auf die Spur zu kommen. Die Bibliothek ist zwar seit jener Zeit, da Kind als Schüler sie benutzte, zu wiederholten Malen umgestellt worden. Allein wenn die Angaben Kind's auf Wahrheit beruhten, so mußte sich ja bei dem geringen Umfange der allerdings in verschiedenen Rubriken untergebrachten magischen und dämonologischen Litteratur das Buch ausfindig machen lassen. Doch alle Mühe war vergebens. Jetzt überrascht uns nun auf einmal Ambros in der vor kurzem erschie¬ nenen neuen Folge seiner „Bunten Blätter", auf die wir bei dieser Gelegen¬ heit aufmerksam machen wollen"), durch den strietesten Nachweis der Apel'schen Quelle. Prof. Meynert in Wien ist so glücklich gewesen, das Buch zu ent¬ decken, und folgendes ist sein Titel: Unterredungen von dem Reiche der Geister, worin gehandelt wird: I. Von den Geistern überhaupt. II. Von den geheimen Hauß-Geistern. III. Von den Erscheinungen der Verstorbenen. IV- Von den Erd- und Wasser-Geistern. V. Bon den Lust- und Feuer- Geistern. VI. Von den Geistern gewisser Landschaften, Städte und Schlösser. Zwischen ^.NDKIMIO und I>NLVN^I0?IIII.0. (2. Auflage. Leipzig 1731). In diesem Buche erzählt Pneumatophilus die ganze Begebenheit und sagt, daß er sie „selbst aus den gerichtlichen Acten zusammen gezogen" und daß sie sich „^. 1710 in einer gewissen Stadt des Königreiches Böhmen" wirklich zugetragen habe. Was Apel als Material vorgelegen hat, ist nicht gar viel, stimmt aber vollständig mit den betreffenden Partieen seiner Novelle überein; andere, sehr wesentliche Züge hat er frei hinzuerfunden. Nun, und Kind? Welche Rolle spielt er in der ganzen Angelegenheit? Welchen Antheil hat er in Wahrheit an der dichterischen Gestaltung des Stoffes? Diese Fragen finden folgende, nach allem, was vorausgegangen, nicht mehr ganz unerwartete, aber doch schließlich etwas frappirende Lösung: Kind hat, wie aus einer Vergleichung seines Textbuches einerseits mit Apel's ') Bunte Blätter. Skizzen und Studien für Freunde der Musik und der bildenden Kunst von A. W. Ambros. Neue Folge. Leipzig, Leuckart 1874.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/422
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/422>, abgerufen am 29.05.2024.