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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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weiteres Sinken des Silbers oder mindestens eine dauernde Courserniedrigung
desselben bestimmt erwarteten -- sind mehrere Umstände anzuführen.

Die deutsche Regierung hat die in Aussicht genommenen Operationen auf
dem Londoner Edelmetallmarkte von jeher und mit Erfolg sehr geheim gehalten.
Indessen konnte man sich unmöglich der Einsicht verschließen, daß jetzt, der bei
weitem größte Theil aller nöthigen Geldankäufe effektuirt wäre, und daß anderer¬
seits die Prägung größerer Silbersummen, zu welchem Zweck auch große Mengen
von Silber-Courantmünze eingezogen worden sind, bevorstände. Dies mußte
naturgemäß auf das Preisverhältniß beider Edelmetalle von Einfluß sein.

Hierzu kam, daß das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten Nord¬
amerikas Beschlüsse im Sinne einer Inflation, d. h. Vermehrung des Papier¬
geldes gefaßt hatte, welche alle Erwartungen, die sich in Hinsicht auf ge¬
steigerte Nachfrage nach Gold von Seiten der Vereinigten Staaten an den
gesetzlichen Uebergang derselben zur Goldwährung geknüpft hatten, stracks
widerlegten. Direkter wurde der Londoner Silbermarkt durch die Silber¬
nachfrage von Seite Indiens beeinflußt. Die Hungersnoth in Bengalen, zu
deren Linderung von der indischen Regierung große Einkäufe von Reis und
anderen Nahrungsmitteln gemacht wurden, hatte nämlich bei dem großen
Mangel an Zahlungsmitteln auf den indischen Märkten, auf denen beste
Wechsel nicht unter 9^ Prozent escomptirt werden können, die Entnahme
großer Silbersummen vom Londoner Markte zur Folge gehabt.

Endlich mag auch die Nachricht nicht ohne Einfluß gewesen sei, daß in
der Nähe Lydenberg's, in der transvaelschen Republik, (600 englische Meilen
von den Diamantfeldern von New-Rush entfernt) große Goldfelder entdeckt
worden sind. Wenn noch etwas nöthig war, um den Silberpreis zum Steigen
zu bringen, so war es diese Nachricht, welche den Zufluß von größeren Gold¬
mengen, wie bisher, dem europäischen Markte in Aussicht stellt.

Dennoch glauben wir nicht, daß die angeführten Gründe alleinige Veran¬
lassung zu der Hauffe des Silbers waren. Sie mögen dieselbe beschleunigt
haben; aber die eigentliche Ursache der Preisbesserung dieses Metalles liegt
wo anders. Als nämlich das Silber im Preise fiel, mußte sich gleichzeitig
die Zahl derer vermehren, die es kauften. Zu den bisherigen Käufern trat
eine neue Gruppe, die Gruppe derer, denen erst der Preisrückgang des Silbers
gestattete, dieses Metall zu erwerben. Sinkt eine Waare im Preise, so be-
mächtigt sich derselben der Verbrauch oder die Technik in höherem Grade
wie zuvor. Die Nachfrage hat sich vermehrt, und die Waare muß wieder
im Preise steigen.

Ja, es kann sehr wohl eintreten, daß durch die gesteigerte Nachfrage der
Preis ein höherer wird als lange zuvor, indem dann noch die Macht der Ge-


weiteres Sinken des Silbers oder mindestens eine dauernde Courserniedrigung
desselben bestimmt erwarteten — sind mehrere Umstände anzuführen.

Die deutsche Regierung hat die in Aussicht genommenen Operationen auf
dem Londoner Edelmetallmarkte von jeher und mit Erfolg sehr geheim gehalten.
Indessen konnte man sich unmöglich der Einsicht verschließen, daß jetzt, der bei
weitem größte Theil aller nöthigen Geldankäufe effektuirt wäre, und daß anderer¬
seits die Prägung größerer Silbersummen, zu welchem Zweck auch große Mengen
von Silber-Courantmünze eingezogen worden sind, bevorstände. Dies mußte
naturgemäß auf das Preisverhältniß beider Edelmetalle von Einfluß sein.

Hierzu kam, daß das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten Nord¬
amerikas Beschlüsse im Sinne einer Inflation, d. h. Vermehrung des Papier¬
geldes gefaßt hatte, welche alle Erwartungen, die sich in Hinsicht auf ge¬
steigerte Nachfrage nach Gold von Seiten der Vereinigten Staaten an den
gesetzlichen Uebergang derselben zur Goldwährung geknüpft hatten, stracks
widerlegten. Direkter wurde der Londoner Silbermarkt durch die Silber¬
nachfrage von Seite Indiens beeinflußt. Die Hungersnoth in Bengalen, zu
deren Linderung von der indischen Regierung große Einkäufe von Reis und
anderen Nahrungsmitteln gemacht wurden, hatte nämlich bei dem großen
Mangel an Zahlungsmitteln auf den indischen Märkten, auf denen beste
Wechsel nicht unter 9^ Prozent escomptirt werden können, die Entnahme
großer Silbersummen vom Londoner Markte zur Folge gehabt.

Endlich mag auch die Nachricht nicht ohne Einfluß gewesen sei, daß in
der Nähe Lydenberg's, in der transvaelschen Republik, (600 englische Meilen
von den Diamantfeldern von New-Rush entfernt) große Goldfelder entdeckt
worden sind. Wenn noch etwas nöthig war, um den Silberpreis zum Steigen
zu bringen, so war es diese Nachricht, welche den Zufluß von größeren Gold¬
mengen, wie bisher, dem europäischen Markte in Aussicht stellt.

Dennoch glauben wir nicht, daß die angeführten Gründe alleinige Veran¬
lassung zu der Hauffe des Silbers waren. Sie mögen dieselbe beschleunigt
haben; aber die eigentliche Ursache der Preisbesserung dieses Metalles liegt
wo anders. Als nämlich das Silber im Preise fiel, mußte sich gleichzeitig
die Zahl derer vermehren, die es kauften. Zu den bisherigen Käufern trat
eine neue Gruppe, die Gruppe derer, denen erst der Preisrückgang des Silbers
gestattete, dieses Metall zu erwerben. Sinkt eine Waare im Preise, so be-
mächtigt sich derselben der Verbrauch oder die Technik in höherem Grade
wie zuvor. Die Nachfrage hat sich vermehrt, und die Waare muß wieder
im Preise steigen.

Ja, es kann sehr wohl eintreten, daß durch die gesteigerte Nachfrage der
Preis ein höherer wird als lange zuvor, indem dann noch die Macht der Ge-


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[0505] weiteres Sinken des Silbers oder mindestens eine dauernde Courserniedrigung desselben bestimmt erwarteten — sind mehrere Umstände anzuführen. Die deutsche Regierung hat die in Aussicht genommenen Operationen auf dem Londoner Edelmetallmarkte von jeher und mit Erfolg sehr geheim gehalten. Indessen konnte man sich unmöglich der Einsicht verschließen, daß jetzt, der bei weitem größte Theil aller nöthigen Geldankäufe effektuirt wäre, und daß anderer¬ seits die Prägung größerer Silbersummen, zu welchem Zweck auch große Mengen von Silber-Courantmünze eingezogen worden sind, bevorstände. Dies mußte naturgemäß auf das Preisverhältniß beider Edelmetalle von Einfluß sein. Hierzu kam, daß das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten Nord¬ amerikas Beschlüsse im Sinne einer Inflation, d. h. Vermehrung des Papier¬ geldes gefaßt hatte, welche alle Erwartungen, die sich in Hinsicht auf ge¬ steigerte Nachfrage nach Gold von Seiten der Vereinigten Staaten an den gesetzlichen Uebergang derselben zur Goldwährung geknüpft hatten, stracks widerlegten. Direkter wurde der Londoner Silbermarkt durch die Silber¬ nachfrage von Seite Indiens beeinflußt. Die Hungersnoth in Bengalen, zu deren Linderung von der indischen Regierung große Einkäufe von Reis und anderen Nahrungsmitteln gemacht wurden, hatte nämlich bei dem großen Mangel an Zahlungsmitteln auf den indischen Märkten, auf denen beste Wechsel nicht unter 9^ Prozent escomptirt werden können, die Entnahme großer Silbersummen vom Londoner Markte zur Folge gehabt. Endlich mag auch die Nachricht nicht ohne Einfluß gewesen sei, daß in der Nähe Lydenberg's, in der transvaelschen Republik, (600 englische Meilen von den Diamantfeldern von New-Rush entfernt) große Goldfelder entdeckt worden sind. Wenn noch etwas nöthig war, um den Silberpreis zum Steigen zu bringen, so war es diese Nachricht, welche den Zufluß von größeren Gold¬ mengen, wie bisher, dem europäischen Markte in Aussicht stellt. Dennoch glauben wir nicht, daß die angeführten Gründe alleinige Veran¬ lassung zu der Hauffe des Silbers waren. Sie mögen dieselbe beschleunigt haben; aber die eigentliche Ursache der Preisbesserung dieses Metalles liegt wo anders. Als nämlich das Silber im Preise fiel, mußte sich gleichzeitig die Zahl derer vermehren, die es kauften. Zu den bisherigen Käufern trat eine neue Gruppe, die Gruppe derer, denen erst der Preisrückgang des Silbers gestattete, dieses Metall zu erwerben. Sinkt eine Waare im Preise, so be- mächtigt sich derselben der Verbrauch oder die Technik in höherem Grade wie zuvor. Die Nachfrage hat sich vermehrt, und die Waare muß wieder im Preise steigen. Ja, es kann sehr wohl eintreten, daß durch die gesteigerte Nachfrage der Preis ein höherer wird als lange zuvor, indem dann noch die Macht der Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/505>, abgerufen am 13.05.2024.