Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Gattin heute zu ihm spricht. Des treuen Weibes Rath warf er leichtfertig
von sich; nun wird er ihn als Befehl von der Sybille hören und befolgen
müssen." Diesen Rath aber faßt die Priesterin, nachdem sie dem Eingetretenen
enthüllt hat, wie Cicero und Pompejus, die Consuln Glabrio und Cotta, die
einflußreichsten Senatoren alle, seiner von den Centurien vollzogenen Wahl zum
Oberfeldherrn gegen Mithridates heimlich sich widersetzen, in folgende Worte:
"Noch sind nicht alle Mittel erschöpft, um dich zum Herrn über Roms Ge¬
schicke zu machen, eins noch blieb unversucht: die dem Bacchus geweihten Feste
nahen. Lade deine Neider, deine Nebenbuhler zu dir. Man sagt, Lucull
wisse zu leben, wie kein Anderer. Fessele ihre Gedanken und Sinne mit
deiner Küche Zauberkünsten, ertränke ihren Verstand in dem alten Geist deines
Weines; das Hirn erlahmt, wenn der Magen arbeitet. Zahm und kirre sollen
sie werden wie gemästete Tauben. . . . Sieben Tage stehen dir zu Gebote,
benutze sie: erschöpfe deine Vorrathskammern, Keller, Gärten, Fischbehälter,
um deine Gäste mit immer neuen Genüssen zu kitzeln, nimm Spiel, Tanz und
Liebe dir zu Bundesgenossen. -- Wenn sie diesen Waffen unterliegen -- und
sie werden es bei allen Göttern --, so eile ohne Verzug zu Schiffe und deinem
Heere nach, kämpfe, siege und ziehe als Triumvhator in Roms Mauern ein.
Das Volk wird dir entgegenjubeln, deine Schmäher und Neider werden
schweigen und dich bewundern! Geh', Lucull! Es sprechen heute durch meinen
Mund zu dir die Götter. Mithridates wird die Zeche zahlen."

Natürlich folgt der üppige Politiker dem Orakel. Er ladet die hervorragendsten
Männer Roms, die in Bajä, dem römischen Baden-Baden, in Sommerfrische
schwelgen, zu seinen Festen ein. Alle folgen eilig der Ladung an die feinste Tafel
der Welt. Nur Cicero bewährt sich auch hier als der zugeknöpfte, Unrath
witternde Diplomat. Er muß zur Wahl eines neuen Aedilen nach Pompeji
reisen. -- Der Verfasser läßt sich die selbstgeschaffene Gelegenheit, uns das
römische Badeleben in Bajä zu schildern, natürlich nicht entgehen. Nachdem
das Treiben in der Stadt und am Gestade, im Lichte eines sonnigen Früh¬
morgens, uns vorgeführt ist, heißt es da: Auch in den Wohnstätten der Bor¬
nehmen wird es nun lebendig. Hinaus zu den neuen Thermen wandelt Jung
und Alt und schnell füllen sich deren Haine und Terrassen mit Kranken, mit
Gesunden. In Sesseln von roth gekleideten Badedienern getragen, oder auf
Krücken hinkend, schleichend und mühsam wandernd, wohl auch auf kleinen
Karren geschoben, erscheinen die Lahmen, die Gichtbrüchigen, die vom Zipper-
lein Geplagten, kurz die von langjährigem Siechthum entnervte Menschheit,
um in den warmen Schwefelfluthen für ihre Leiden Linderung zu finden. Hier
ein dickwanstiger Senator, der alljährlich wiederkehrend sein träges Blut neu
zu beleben trachtet, dort ein bleichsüchtiges Mädchen, welches den bitteren
Schwefeltrank hoffnungsvoll der über der Quelle thronenden Najade weiht,


Gattin heute zu ihm spricht. Des treuen Weibes Rath warf er leichtfertig
von sich; nun wird er ihn als Befehl von der Sybille hören und befolgen
müssen." Diesen Rath aber faßt die Priesterin, nachdem sie dem Eingetretenen
enthüllt hat, wie Cicero und Pompejus, die Consuln Glabrio und Cotta, die
einflußreichsten Senatoren alle, seiner von den Centurien vollzogenen Wahl zum
Oberfeldherrn gegen Mithridates heimlich sich widersetzen, in folgende Worte:
„Noch sind nicht alle Mittel erschöpft, um dich zum Herrn über Roms Ge¬
schicke zu machen, eins noch blieb unversucht: die dem Bacchus geweihten Feste
nahen. Lade deine Neider, deine Nebenbuhler zu dir. Man sagt, Lucull
wisse zu leben, wie kein Anderer. Fessele ihre Gedanken und Sinne mit
deiner Küche Zauberkünsten, ertränke ihren Verstand in dem alten Geist deines
Weines; das Hirn erlahmt, wenn der Magen arbeitet. Zahm und kirre sollen
sie werden wie gemästete Tauben. . . . Sieben Tage stehen dir zu Gebote,
benutze sie: erschöpfe deine Vorrathskammern, Keller, Gärten, Fischbehälter,
um deine Gäste mit immer neuen Genüssen zu kitzeln, nimm Spiel, Tanz und
Liebe dir zu Bundesgenossen. — Wenn sie diesen Waffen unterliegen — und
sie werden es bei allen Göttern —, so eile ohne Verzug zu Schiffe und deinem
Heere nach, kämpfe, siege und ziehe als Triumvhator in Roms Mauern ein.
Das Volk wird dir entgegenjubeln, deine Schmäher und Neider werden
schweigen und dich bewundern! Geh', Lucull! Es sprechen heute durch meinen
Mund zu dir die Götter. Mithridates wird die Zeche zahlen."

Natürlich folgt der üppige Politiker dem Orakel. Er ladet die hervorragendsten
Männer Roms, die in Bajä, dem römischen Baden-Baden, in Sommerfrische
schwelgen, zu seinen Festen ein. Alle folgen eilig der Ladung an die feinste Tafel
der Welt. Nur Cicero bewährt sich auch hier als der zugeknöpfte, Unrath
witternde Diplomat. Er muß zur Wahl eines neuen Aedilen nach Pompeji
reisen. -- Der Verfasser läßt sich die selbstgeschaffene Gelegenheit, uns das
römische Badeleben in Bajä zu schildern, natürlich nicht entgehen. Nachdem
das Treiben in der Stadt und am Gestade, im Lichte eines sonnigen Früh¬
morgens, uns vorgeführt ist, heißt es da: Auch in den Wohnstätten der Bor¬
nehmen wird es nun lebendig. Hinaus zu den neuen Thermen wandelt Jung
und Alt und schnell füllen sich deren Haine und Terrassen mit Kranken, mit
Gesunden. In Sesseln von roth gekleideten Badedienern getragen, oder auf
Krücken hinkend, schleichend und mühsam wandernd, wohl auch auf kleinen
Karren geschoben, erscheinen die Lahmen, die Gichtbrüchigen, die vom Zipper-
lein Geplagten, kurz die von langjährigem Siechthum entnervte Menschheit,
um in den warmen Schwefelfluthen für ihre Leiden Linderung zu finden. Hier
ein dickwanstiger Senator, der alljährlich wiederkehrend sein träges Blut neu
zu beleben trachtet, dort ein bleichsüchtiges Mädchen, welches den bitteren
Schwefeltrank hoffnungsvoll der über der Quelle thronenden Najade weiht,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131152"/>
          <p xml:id="ID_1438" prev="#ID_1437"> Gattin heute zu ihm spricht. Des treuen Weibes Rath warf er leichtfertig<lb/>
von sich; nun wird er ihn als Befehl von der Sybille hören und befolgen<lb/>
müssen." Diesen Rath aber faßt die Priesterin, nachdem sie dem Eingetretenen<lb/>
enthüllt hat, wie Cicero und Pompejus, die Consuln Glabrio und Cotta, die<lb/>
einflußreichsten Senatoren alle, seiner von den Centurien vollzogenen Wahl zum<lb/>
Oberfeldherrn gegen Mithridates heimlich sich widersetzen, in folgende Worte:<lb/>
&#x201E;Noch sind nicht alle Mittel erschöpft, um dich zum Herrn über Roms Ge¬<lb/>
schicke zu machen, eins noch blieb unversucht: die dem Bacchus geweihten Feste<lb/>
nahen. Lade deine Neider, deine Nebenbuhler zu dir. Man sagt, Lucull<lb/>
wisse zu leben, wie kein Anderer. Fessele ihre Gedanken und Sinne mit<lb/>
deiner Küche Zauberkünsten, ertränke ihren Verstand in dem alten Geist deines<lb/>
Weines; das Hirn erlahmt, wenn der Magen arbeitet. Zahm und kirre sollen<lb/>
sie werden wie gemästete Tauben. . . . Sieben Tage stehen dir zu Gebote,<lb/>
benutze sie: erschöpfe deine Vorrathskammern, Keller, Gärten, Fischbehälter,<lb/>
um deine Gäste mit immer neuen Genüssen zu kitzeln, nimm Spiel, Tanz und<lb/>
Liebe dir zu Bundesgenossen. &#x2014; Wenn sie diesen Waffen unterliegen &#x2014; und<lb/>
sie werden es bei allen Göttern &#x2014;, so eile ohne Verzug zu Schiffe und deinem<lb/>
Heere nach, kämpfe, siege und ziehe als Triumvhator in Roms Mauern ein.<lb/>
Das Volk wird dir entgegenjubeln, deine Schmäher und Neider werden<lb/>
schweigen und dich bewundern! Geh', Lucull! Es sprechen heute durch meinen<lb/>
Mund zu dir die Götter. Mithridates wird die Zeche zahlen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1439" next="#ID_1440"> Natürlich folgt der üppige Politiker dem Orakel. Er ladet die hervorragendsten<lb/>
Männer Roms, die in Bajä, dem römischen Baden-Baden, in Sommerfrische<lb/>
schwelgen, zu seinen Festen ein. Alle folgen eilig der Ladung an die feinste Tafel<lb/>
der Welt. Nur Cicero bewährt sich auch hier als der zugeknöpfte, Unrath<lb/>
witternde Diplomat. Er muß zur Wahl eines neuen Aedilen nach Pompeji<lb/>
reisen. -- Der Verfasser läßt sich die selbstgeschaffene Gelegenheit, uns das<lb/>
römische Badeleben in Bajä zu schildern, natürlich nicht entgehen. Nachdem<lb/>
das Treiben in der Stadt und am Gestade, im Lichte eines sonnigen Früh¬<lb/>
morgens, uns vorgeführt ist, heißt es da: Auch in den Wohnstätten der Bor¬<lb/>
nehmen wird es nun lebendig. Hinaus zu den neuen Thermen wandelt Jung<lb/>
und Alt und schnell füllen sich deren Haine und Terrassen mit Kranken, mit<lb/>
Gesunden. In Sesseln von roth gekleideten Badedienern getragen, oder auf<lb/>
Krücken hinkend, schleichend und mühsam wandernd, wohl auch auf kleinen<lb/>
Karren geschoben, erscheinen die Lahmen, die Gichtbrüchigen, die vom Zipper-<lb/>
lein Geplagten, kurz die von langjährigem Siechthum entnervte Menschheit,<lb/>
um in den warmen Schwefelfluthen für ihre Leiden Linderung zu finden. Hier<lb/>
ein dickwanstiger Senator, der alljährlich wiederkehrend sein träges Blut neu<lb/>
zu beleben trachtet, dort ein bleichsüchtiges Mädchen, welches den bitteren<lb/>
Schwefeltrank hoffnungsvoll der über der Quelle thronenden Najade weiht,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0508] Gattin heute zu ihm spricht. Des treuen Weibes Rath warf er leichtfertig von sich; nun wird er ihn als Befehl von der Sybille hören und befolgen müssen." Diesen Rath aber faßt die Priesterin, nachdem sie dem Eingetretenen enthüllt hat, wie Cicero und Pompejus, die Consuln Glabrio und Cotta, die einflußreichsten Senatoren alle, seiner von den Centurien vollzogenen Wahl zum Oberfeldherrn gegen Mithridates heimlich sich widersetzen, in folgende Worte: „Noch sind nicht alle Mittel erschöpft, um dich zum Herrn über Roms Ge¬ schicke zu machen, eins noch blieb unversucht: die dem Bacchus geweihten Feste nahen. Lade deine Neider, deine Nebenbuhler zu dir. Man sagt, Lucull wisse zu leben, wie kein Anderer. Fessele ihre Gedanken und Sinne mit deiner Küche Zauberkünsten, ertränke ihren Verstand in dem alten Geist deines Weines; das Hirn erlahmt, wenn der Magen arbeitet. Zahm und kirre sollen sie werden wie gemästete Tauben. . . . Sieben Tage stehen dir zu Gebote, benutze sie: erschöpfe deine Vorrathskammern, Keller, Gärten, Fischbehälter, um deine Gäste mit immer neuen Genüssen zu kitzeln, nimm Spiel, Tanz und Liebe dir zu Bundesgenossen. — Wenn sie diesen Waffen unterliegen — und sie werden es bei allen Göttern —, so eile ohne Verzug zu Schiffe und deinem Heere nach, kämpfe, siege und ziehe als Triumvhator in Roms Mauern ein. Das Volk wird dir entgegenjubeln, deine Schmäher und Neider werden schweigen und dich bewundern! Geh', Lucull! Es sprechen heute durch meinen Mund zu dir die Götter. Mithridates wird die Zeche zahlen." Natürlich folgt der üppige Politiker dem Orakel. Er ladet die hervorragendsten Männer Roms, die in Bajä, dem römischen Baden-Baden, in Sommerfrische schwelgen, zu seinen Festen ein. Alle folgen eilig der Ladung an die feinste Tafel der Welt. Nur Cicero bewährt sich auch hier als der zugeknöpfte, Unrath witternde Diplomat. Er muß zur Wahl eines neuen Aedilen nach Pompeji reisen. -- Der Verfasser läßt sich die selbstgeschaffene Gelegenheit, uns das römische Badeleben in Bajä zu schildern, natürlich nicht entgehen. Nachdem das Treiben in der Stadt und am Gestade, im Lichte eines sonnigen Früh¬ morgens, uns vorgeführt ist, heißt es da: Auch in den Wohnstätten der Bor¬ nehmen wird es nun lebendig. Hinaus zu den neuen Thermen wandelt Jung und Alt und schnell füllen sich deren Haine und Terrassen mit Kranken, mit Gesunden. In Sesseln von roth gekleideten Badedienern getragen, oder auf Krücken hinkend, schleichend und mühsam wandernd, wohl auch auf kleinen Karren geschoben, erscheinen die Lahmen, die Gichtbrüchigen, die vom Zipper- lein Geplagten, kurz die von langjährigem Siechthum entnervte Menschheit, um in den warmen Schwefelfluthen für ihre Leiden Linderung zu finden. Hier ein dickwanstiger Senator, der alljährlich wiederkehrend sein träges Blut neu zu beleben trachtet, dort ein bleichsüchtiges Mädchen, welches den bitteren Schwefeltrank hoffnungsvoll der über der Quelle thronenden Najade weiht,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/508
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/508>, abgerufen am 06.06.2024.