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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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knüpfte Albrecht in der That mit Karl V. an und dieser bestätigte am
24. October im Lager bei Diedenhofen einen Vertrag mit ihm, wonach
Albrecht sich mit seinen Truppen dem kaiserlichen Heere anschloß und dagegen
das Versprechen erhielt, daß der Kaiser ihm die von den Reichsgerichten
gegen ihn in Schutz genommenen schwachen Stände preisgeben und jene
traurigen Abkommen bestätigen wolle, welche der Markgraf durch wahrhaft
entsetzliche Maßregeln den rheinischen Ktrchenfürsten abgezwungen hatte, die
aber, wie sich gebührte, durch die Reichsgerichte kasstrt worden waren.
Welch ein Schauspiel! Ein deutscher Kaiser zieht aus, um entfremdete Reichs¬
städte wieder heimzubringen, und er muß, um nur überhaupt Truppen zu
haben, einem kriegerischen Reichsfürsten, der eigentlich ein Freibeuter genannt
werden sollte, auf Kosten anderer Stände verbrecherische Zusicherungen machen.
Der Verfall der Reichswehrverfassung kann nicht schärfer gekennzeichnet wer¬
den. -- Das Corps Albrechts von Kulmbach soll, wie schon erwähnt, etwa
15,000 Mann stark gewesen sein und aus 62 Fähnlein Fußvolk, aus 20
Cometem Reiterei und 50 Geschützen bestanden haben.

Die kaiserliche Belagerungsarmee ^bestand, abgesehn von diesem
Corps, aus folgenden Truppen:

Fußvolk: 30,000 Deutsche und Niederländer, die letzteren unter Aren¬
berg, 6000 Spanier und 2000 Italiener, diese unter dem Marquis Marignano.
Reiterei: 8000 Deutsche und Niederländer und 2000 Spanier unter Avila.
Artillerie: 113 Kanonen und 6 Mörser.

Die Mannschaft der Artillerie bildete immer noch nicht ein in sich
geschlossenes Corps, sondern bestand, wie früher, aus einer Anzahl zünftiger
Büchsenmeister (1--2 für jedes Geschütz), denen die Leitung des Schießens
oblag, und aus der erforderlichen Bedienungsmannschaft (10--12 für jedes Stück),
welche entweder den Schanzenbauern oder dem Fußvolk entlehnt wurden.
Die Bespannung wurde immer noch vom Lande requirirt, und auf je 8 Pferde
I Fuhrmann, 1 sogenannter Schnaller und 2 Knechte gehalten.

Das Jngenieurwesen war in der kaiserlichen Armee mangelhaft,
verhältnißmäßig mangelhafter als das Artilleriewesen, bestellt. Die Leitung
der Arbeiten wurde meist bürgerlichen Architekten und nur zum kleinen Theil
solchen Knegsmännern, Obersten oder Hauptleuten anvertraut, welche sich ge¬
legentlich oder aus Neigung mit dem Kriegsbauwesen bekannt gemacht
hatten. Die Ausführung der Arbeiten war theils den vom Lande requirirten
Arbeitern, theils den militärisch organisirten Schanzenbauern übertragen. Die
letzteren (theils Niederländer, theils Oesterreichs) dürften mit der Bedienungs¬
mannschaft der Artillerie zusammen auf 6000 Mann zu veranschlagen sein,
so daß sich die G esammtstärke der kaiserlichen Armee auf 96,000 Mann
berechnet.


GmiMen I. 1874. ?

knüpfte Albrecht in der That mit Karl V. an und dieser bestätigte am
24. October im Lager bei Diedenhofen einen Vertrag mit ihm, wonach
Albrecht sich mit seinen Truppen dem kaiserlichen Heere anschloß und dagegen
das Versprechen erhielt, daß der Kaiser ihm die von den Reichsgerichten
gegen ihn in Schutz genommenen schwachen Stände preisgeben und jene
traurigen Abkommen bestätigen wolle, welche der Markgraf durch wahrhaft
entsetzliche Maßregeln den rheinischen Ktrchenfürsten abgezwungen hatte, die
aber, wie sich gebührte, durch die Reichsgerichte kasstrt worden waren.
Welch ein Schauspiel! Ein deutscher Kaiser zieht aus, um entfremdete Reichs¬
städte wieder heimzubringen, und er muß, um nur überhaupt Truppen zu
haben, einem kriegerischen Reichsfürsten, der eigentlich ein Freibeuter genannt
werden sollte, auf Kosten anderer Stände verbrecherische Zusicherungen machen.
Der Verfall der Reichswehrverfassung kann nicht schärfer gekennzeichnet wer¬
den. — Das Corps Albrechts von Kulmbach soll, wie schon erwähnt, etwa
15,000 Mann stark gewesen sein und aus 62 Fähnlein Fußvolk, aus 20
Cometem Reiterei und 50 Geschützen bestanden haben.

Die kaiserliche Belagerungsarmee ^bestand, abgesehn von diesem
Corps, aus folgenden Truppen:

Fußvolk: 30,000 Deutsche und Niederländer, die letzteren unter Aren¬
berg, 6000 Spanier und 2000 Italiener, diese unter dem Marquis Marignano.
Reiterei: 8000 Deutsche und Niederländer und 2000 Spanier unter Avila.
Artillerie: 113 Kanonen und 6 Mörser.

Die Mannschaft der Artillerie bildete immer noch nicht ein in sich
geschlossenes Corps, sondern bestand, wie früher, aus einer Anzahl zünftiger
Büchsenmeister (1—2 für jedes Geschütz), denen die Leitung des Schießens
oblag, und aus der erforderlichen Bedienungsmannschaft (10—12 für jedes Stück),
welche entweder den Schanzenbauern oder dem Fußvolk entlehnt wurden.
Die Bespannung wurde immer noch vom Lande requirirt, und auf je 8 Pferde
I Fuhrmann, 1 sogenannter Schnaller und 2 Knechte gehalten.

Das Jngenieurwesen war in der kaiserlichen Armee mangelhaft,
verhältnißmäßig mangelhafter als das Artilleriewesen, bestellt. Die Leitung
der Arbeiten wurde meist bürgerlichen Architekten und nur zum kleinen Theil
solchen Knegsmännern, Obersten oder Hauptleuten anvertraut, welche sich ge¬
legentlich oder aus Neigung mit dem Kriegsbauwesen bekannt gemacht
hatten. Die Ausführung der Arbeiten war theils den vom Lande requirirten
Arbeitern, theils den militärisch organisirten Schanzenbauern übertragen. Die
letzteren (theils Niederländer, theils Oesterreichs) dürften mit der Bedienungs¬
mannschaft der Artillerie zusammen auf 6000 Mann zu veranschlagen sein,
so daß sich die G esammtstärke der kaiserlichen Armee auf 96,000 Mann
berechnet.


GmiMen I. 1874. ?
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/55>, abgerufen am 23.05.2024.