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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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Christenverfolgungen unter Nero und Diocletian aasgegeben werden. Und
außerdem wirkt erschwerend und zum Theil lähmend in dem großen Kampfe, den
auch auf diesem Gebiete Preußen als deutsche Vormacht für uns Alle kämpft,
der Umstand, daß Preußens Maßregeln und Gesetzen nur innerhalb der
preußischen Staatsgrenzen und allenfalls in den Reichslanden Elsaß-Loth¬
ringen Achtung und Gehorsam verschafft werden kann, die übrigen deutschen
Bundesstaaten aber es als ein köstliches Vorrecht ihrer Souveränität betrachten,
ihrer eigenen gesetzgeberischen und kirchenpolitischen Weisheit zu folgen. Wie
weit den Kleineren gegenüber der Hochmuth der Kurie zu gehen wagt, dafür
bieten Baiern und Würtemberg chronische Beispiele, und die offene Verhöh¬
nung, welche vor kurzem die treffliche Regierung Hessen-Darmstadts durch den
Bischof Ketteler, welche die rein protestantische Bevölkerung und Regierung Sach¬
sens durch einige untergeordnete Jesuiten der Residenz erfahren hat, sollte,
meinen wir, dazu angethan sein, auch in den kleineren Staaten des Reiches
ein lebhafteres Bewußtsein dafür zu erzeugen, daß ein großer Kampf nur
durch einmüthig beschlossene große Mittel siegreich geführt werden kann; mit
einem Worte, daß der Krieg gegen die vaterlandslose Macht der römischen
Hierarchie so gut Reichssache werden müsse, als der Krieg gegen einen aus¬
wärtigen Feind.

Darin scheint uns die einzige, aber auch sichere Hoffnung auf einen end¬
lichen Sieg des deutschen Staates über die römische Macht zu liegen: daß
der Krieg vom Reich aus, überall in Deutschland gleichzeitig, mit denselben
Mitteln und mit derselben Energie und Ausdauer geführt werde, mit der
die preußische Staatsleitung nothgedrungen ihn unternommen hat. Mit den¬
selben Mitteln vor allen Dingen! Denn darauf kommt es hauptsächlich an,
daß ein deutschdenkendes Geschlecht römisch-katholischer Geistlichen heranwachse;
daß der Unterricht der Jugend auch in rein katholischen Landen ein nationaler
werde; daß die wichtigste und unentbehrlichste menschliche Gemeinschaft, die
Ehe, befreit werde von hierarchischer Beeinflussung und Gebundenheit; daß
endlich jede deutsche Regierung so gut wie Preußen der geheimen oder offenen
Rebellion geistlicher Herren den Fuß auf den Nacken zu setzen vermöge. Zweitens
mit derselben Energie und Ausdauer! Denn jedes Zaudern und Schwanken,
jeder Stillstand und Einhalt, jeder Wechsel vollends in den Regierungsmaximen
ist nicht nur eine einzelne Schlappe oder verlorene Schlacht, sondern gleichbe¬
deutend mit dem unseligen Ausgang des ganzen Feldzugs, mit der Preisge¬
bung unsrer nationalen Hoffnungen und Pflichten und der Erschütterung
unsrer einheitlichen Existenz. Von Preußens Herrschern dürfen wir allezeit
hoffen, daß sie das glorreiche Werk Kaiser Wilhelm's nimmer zu Schänder-
Werden lassen, nimmer den Weg nach Canossa wandeln werden. Wie aber
auch ihnen die feste Eintracht mit den Bundesfürsten, welche ein Vorgehen


Christenverfolgungen unter Nero und Diocletian aasgegeben werden. Und
außerdem wirkt erschwerend und zum Theil lähmend in dem großen Kampfe, den
auch auf diesem Gebiete Preußen als deutsche Vormacht für uns Alle kämpft,
der Umstand, daß Preußens Maßregeln und Gesetzen nur innerhalb der
preußischen Staatsgrenzen und allenfalls in den Reichslanden Elsaß-Loth¬
ringen Achtung und Gehorsam verschafft werden kann, die übrigen deutschen
Bundesstaaten aber es als ein köstliches Vorrecht ihrer Souveränität betrachten,
ihrer eigenen gesetzgeberischen und kirchenpolitischen Weisheit zu folgen. Wie
weit den Kleineren gegenüber der Hochmuth der Kurie zu gehen wagt, dafür
bieten Baiern und Würtemberg chronische Beispiele, und die offene Verhöh¬
nung, welche vor kurzem die treffliche Regierung Hessen-Darmstadts durch den
Bischof Ketteler, welche die rein protestantische Bevölkerung und Regierung Sach¬
sens durch einige untergeordnete Jesuiten der Residenz erfahren hat, sollte,
meinen wir, dazu angethan sein, auch in den kleineren Staaten des Reiches
ein lebhafteres Bewußtsein dafür zu erzeugen, daß ein großer Kampf nur
durch einmüthig beschlossene große Mittel siegreich geführt werden kann; mit
einem Worte, daß der Krieg gegen die vaterlandslose Macht der römischen
Hierarchie so gut Reichssache werden müsse, als der Krieg gegen einen aus¬
wärtigen Feind.

Darin scheint uns die einzige, aber auch sichere Hoffnung auf einen end¬
lichen Sieg des deutschen Staates über die römische Macht zu liegen: daß
der Krieg vom Reich aus, überall in Deutschland gleichzeitig, mit denselben
Mitteln und mit derselben Energie und Ausdauer geführt werde, mit der
die preußische Staatsleitung nothgedrungen ihn unternommen hat. Mit den¬
selben Mitteln vor allen Dingen! Denn darauf kommt es hauptsächlich an,
daß ein deutschdenkendes Geschlecht römisch-katholischer Geistlichen heranwachse;
daß der Unterricht der Jugend auch in rein katholischen Landen ein nationaler
werde; daß die wichtigste und unentbehrlichste menschliche Gemeinschaft, die
Ehe, befreit werde von hierarchischer Beeinflussung und Gebundenheit; daß
endlich jede deutsche Regierung so gut wie Preußen der geheimen oder offenen
Rebellion geistlicher Herren den Fuß auf den Nacken zu setzen vermöge. Zweitens
mit derselben Energie und Ausdauer! Denn jedes Zaudern und Schwanken,
jeder Stillstand und Einhalt, jeder Wechsel vollends in den Regierungsmaximen
ist nicht nur eine einzelne Schlappe oder verlorene Schlacht, sondern gleichbe¬
deutend mit dem unseligen Ausgang des ganzen Feldzugs, mit der Preisge¬
bung unsrer nationalen Hoffnungen und Pflichten und der Erschütterung
unsrer einheitlichen Existenz. Von Preußens Herrschern dürfen wir allezeit
hoffen, daß sie das glorreiche Werk Kaiser Wilhelm's nimmer zu Schänder-
Werden lassen, nimmer den Weg nach Canossa wandeln werden. Wie aber
auch ihnen die feste Eintracht mit den Bundesfürsten, welche ein Vorgehen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/9>, abgerufen am 13.05.2024.