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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band.

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es noch thun, so haben wir darin unsern Vetter den Herzog von Guise mit
mehr als 10.000 Mann, die sich nicht leicht werden überwältigen lassen; im
Frühjahr sind wir entschlossen, sie wieder aufzusuchen; bis dahin werden sie
durch die Jahreszeit und die häufigen Regengüsse, welche schon angefangen
haben, zu Grunde gerichtet werden." -- Der König sollte nur allzusehr Recht
behalten.

Am 26. November Morgens armirten die Belagerer ihre Breschbatterien
mit 25 großkalibrigen Kanonen, welche in Verbindung mit den Geschützen
der anderen Batterien im Laufe des Tages 1343 Schüsse abfeuerten. Am
folgenden Tage wurde das Feuer noch heftiger fortgesetzt. Nichts desto-
weniger fuhren die Vertheidiger fort, die Lücken sobald wie möglich- wieder
zu füllen, und dabei die heftigsten Ausfälle zu machen. In einem derselben
drangen sie bis in die Nähe des kaiserlichen Hauptquartiers vor, bet welcher
Gelegenheit sie die Bagage des Erzbischofes von Arras, des Siegelbewahrers
des Kaisers, und eine Menge für den Kaiser bestimmter Vorräthe weg¬
kaperten.

Unterdessen trieb der Markgraf Albrecht auf französischem Gebiete Cor"
tributionen ein, die ihm der Kaiser an Zahlungsstatt überwiesen hatte. Der
König von Frankreich sandte, um dem furchtbaren Brennen und Rauben zu
steuern, ein Corps unter dem Bruder Guise's, dem jungen Herzog von Aumale
gegen ihn aus. Diesem gelang es in der That, einen Theil der unbezahlten
Truppen dem Markgrafen abspenstig zu machen, wurde aber endlich bei Se.
Nicolas überfallen, verwundet und gefangen genommen. Albrecht ließ ihn
auf die Plassenburg bei Kulmbach bringen und dort so lange gefangen
halten, bis Aumale sich mit 60.000 Dukaten loskaufte.*) -- Auf der anderen
Seite that Herr von Vieilleville, welcher mit einem Corps in der Nähe von
Metz streifte, den Kaiserlichen gleichfalls viel Abbruch durch Ueberfall, Hinter¬
halt und Wegnahme ihrer Convoys. Vieilleville gehörte als Lieutenant des
Marschalls von Se. Andre eigentlich zur Besatzung von Toul; aber da diese
Festung nicht berannt worden war, so bot sich in den Unternehmungen im
Rücken der Belagerungsarmee dem abenteuerlustigen Sinne des tapferen
Franzosen ein sehr willkommener Spielraum dar. Die französischen Streif-
corps drangen bis Vaudrevange, Se. Avold, Boulay vor und fouragirten
ungestraft und mit ebensoviel Kühnheit als Geschick selbst im Rücken der
Kaiserlichen. - In den Memoiren Vieilleville's, welche Schiller übersetzt hat,**)




") Diese Affaire ist neuerdings zum Gegenstande eines deutschen Dramas gemacht wor¬
den: "Der Gefangene von Metz". Schauspiel von Gutzkow, welches wiederholt im König!.
Schauspielhause zu Berlin gegeben wurde.,
") Schiller's Werke. 11. Band.

es noch thun, so haben wir darin unsern Vetter den Herzog von Guise mit
mehr als 10.000 Mann, die sich nicht leicht werden überwältigen lassen; im
Frühjahr sind wir entschlossen, sie wieder aufzusuchen; bis dahin werden sie
durch die Jahreszeit und die häufigen Regengüsse, welche schon angefangen
haben, zu Grunde gerichtet werden." — Der König sollte nur allzusehr Recht
behalten.

Am 26. November Morgens armirten die Belagerer ihre Breschbatterien
mit 25 großkalibrigen Kanonen, welche in Verbindung mit den Geschützen
der anderen Batterien im Laufe des Tages 1343 Schüsse abfeuerten. Am
folgenden Tage wurde das Feuer noch heftiger fortgesetzt. Nichts desto-
weniger fuhren die Vertheidiger fort, die Lücken sobald wie möglich- wieder
zu füllen, und dabei die heftigsten Ausfälle zu machen. In einem derselben
drangen sie bis in die Nähe des kaiserlichen Hauptquartiers vor, bet welcher
Gelegenheit sie die Bagage des Erzbischofes von Arras, des Siegelbewahrers
des Kaisers, und eine Menge für den Kaiser bestimmter Vorräthe weg¬
kaperten.

Unterdessen trieb der Markgraf Albrecht auf französischem Gebiete Cor«
tributionen ein, die ihm der Kaiser an Zahlungsstatt überwiesen hatte. Der
König von Frankreich sandte, um dem furchtbaren Brennen und Rauben zu
steuern, ein Corps unter dem Bruder Guise's, dem jungen Herzog von Aumale
gegen ihn aus. Diesem gelang es in der That, einen Theil der unbezahlten
Truppen dem Markgrafen abspenstig zu machen, wurde aber endlich bei Se.
Nicolas überfallen, verwundet und gefangen genommen. Albrecht ließ ihn
auf die Plassenburg bei Kulmbach bringen und dort so lange gefangen
halten, bis Aumale sich mit 60.000 Dukaten loskaufte.*) — Auf der anderen
Seite that Herr von Vieilleville, welcher mit einem Corps in der Nähe von
Metz streifte, den Kaiserlichen gleichfalls viel Abbruch durch Ueberfall, Hinter¬
halt und Wegnahme ihrer Convoys. Vieilleville gehörte als Lieutenant des
Marschalls von Se. Andre eigentlich zur Besatzung von Toul; aber da diese
Festung nicht berannt worden war, so bot sich in den Unternehmungen im
Rücken der Belagerungsarmee dem abenteuerlustigen Sinne des tapferen
Franzosen ein sehr willkommener Spielraum dar. Die französischen Streif-
corps drangen bis Vaudrevange, Se. Avold, Boulay vor und fouragirten
ungestraft und mit ebensoviel Kühnheit als Geschick selbst im Rücken der
Kaiserlichen. - In den Memoiren Vieilleville's, welche Schiller übersetzt hat,**)




") Diese Affaire ist neuerdings zum Gegenstande eines deutschen Dramas gemacht wor¬
den: „Der Gefangene von Metz". Schauspiel von Gutzkow, welches wiederholt im König!.
Schauspielhause zu Berlin gegeben wurde.,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_130643/99>, abgerufen am 06.06.2024.