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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Aber die Gesellschaft? Im Jahre 1870 passirten den Kanal 491
Schiffe von 436.618 Tonnengehalt; die Jahreseinnahme von 1870 betrug
nur 6.400.000 Fras. Im Jahre 1872 hatte die Anzahl der den Kanal
Passirenden Schiffe 1082 zu 1,439,169 Tonnen und 1871 765 zu 761.467
Tonnen Tragfähigkeit betragen. Die Total-Einnahmen im Jahre 1872 be¬
zifferten sich auf 16,407,591 Fras. und 1871 auf 8.993,733 Fras. Im Laufe
des Jahres 1873 passirten den Kanal von Suez im Ganzen 1172 Schiffe zu
2,085,032 Tonnen-Tragfähigkeit, und die Einnahmen der Suez-Kanal-Ge¬
sellschaft betrugen 22,891,861 Fras.

Wenn nun allerdings die Zahl der den Kanal pasflrenden Schiffe, ihren
Tonnengehalt und die Einnahmen der Gesellschaft eine stetige Vermehrung
zeigen, so hat dieselbe dennoch immer noch mit einem großen Deficit zu
kämpfen und von Dividendenzahlung ist nicht die Rede.

Wir fragen: Auf welcher Seite liegt das Recht? Auf Seite der Regie¬
rungen, welche mehr oder weniger willkürlich die obigen Beschlüsse gefaßt
haben, oder auf Seiten der Gesellschaft, welche als Compensation für ihre
Opfer die ihr angemessen erscheinenden Gebühren festzusetzen wünscht? --

Doch halt! Um das Recht kümmerte sich von jeher wenig der Gang
der Ereignisse! Der eigene Vortheil war meistens allein entscheidend. Aber
wie, ist es wirklich der Vortheil Europas, wenn die Förderung seines Han¬
dels durch den Ruin kühner Unternehmer erkauft wird?

Vielleicht in diesem Falle. Die unbedingte und sofortige Folge eines
solchen Vorganges muß aber sein, daß sich die Zahl derer verringert, welche
geneigt sind, große Opfer für den Vortheil ihrer selbst und daher auch der
Welt zu bringen. Wird die Stimme der verletzten Aktionaire überhört, so
wird sich nur schwer eine zweite Gesellschaft finden, welche ähnliche Unter¬
nehmungen wagt.

Und oft genug tauchten nicht weniger riesenhaft und ebenso wünschens-
werthe Pläne auf. Gerade jetzt ist die Zeit, wo sich neues Kapital dem
submarinen Tunnel durch den Kanal, und demjenigen zwischen der schwedi¬
schen Landschaft Schonen und der dänischen Insel Seeland zuwenden soll!

Zweierlei Vorschläge haben wir daher zu befürworten. Entweder mögen
die Regierungen noch einmal Vertreter nach Konstantinopel senden, um die
gefaßten Beschlüsse zu revidiren und der Gesellschaft freie Hand zu lassen --
oder, will man aus den geübten Einfluß nicht verzichten, so kann man sich
denselben dadurch dauernd und alle Theile befriedigend erhalten, daß man
den Kanal auf internationale Kosten kauft und unter internationaler Aufsicht
verwaltet.

Ob die Pforte auf einen dieser beiden Vorschläge -- die ja schon seit
langer Zeit gemacht wurden und für die sich begreiflicherweise namentlich


Aber die Gesellschaft? Im Jahre 1870 passirten den Kanal 491
Schiffe von 436.618 Tonnengehalt; die Jahreseinnahme von 1870 betrug
nur 6.400.000 Fras. Im Jahre 1872 hatte die Anzahl der den Kanal
Passirenden Schiffe 1082 zu 1,439,169 Tonnen und 1871 765 zu 761.467
Tonnen Tragfähigkeit betragen. Die Total-Einnahmen im Jahre 1872 be¬
zifferten sich auf 16,407,591 Fras. und 1871 auf 8.993,733 Fras. Im Laufe
des Jahres 1873 passirten den Kanal von Suez im Ganzen 1172 Schiffe zu
2,085,032 Tonnen-Tragfähigkeit, und die Einnahmen der Suez-Kanal-Ge¬
sellschaft betrugen 22,891,861 Fras.

Wenn nun allerdings die Zahl der den Kanal pasflrenden Schiffe, ihren
Tonnengehalt und die Einnahmen der Gesellschaft eine stetige Vermehrung
zeigen, so hat dieselbe dennoch immer noch mit einem großen Deficit zu
kämpfen und von Dividendenzahlung ist nicht die Rede.

Wir fragen: Auf welcher Seite liegt das Recht? Auf Seite der Regie¬
rungen, welche mehr oder weniger willkürlich die obigen Beschlüsse gefaßt
haben, oder auf Seiten der Gesellschaft, welche als Compensation für ihre
Opfer die ihr angemessen erscheinenden Gebühren festzusetzen wünscht? —

Doch halt! Um das Recht kümmerte sich von jeher wenig der Gang
der Ereignisse! Der eigene Vortheil war meistens allein entscheidend. Aber
wie, ist es wirklich der Vortheil Europas, wenn die Förderung seines Han¬
dels durch den Ruin kühner Unternehmer erkauft wird?

Vielleicht in diesem Falle. Die unbedingte und sofortige Folge eines
solchen Vorganges muß aber sein, daß sich die Zahl derer verringert, welche
geneigt sind, große Opfer für den Vortheil ihrer selbst und daher auch der
Welt zu bringen. Wird die Stimme der verletzten Aktionaire überhört, so
wird sich nur schwer eine zweite Gesellschaft finden, welche ähnliche Unter¬
nehmungen wagt.

Und oft genug tauchten nicht weniger riesenhaft und ebenso wünschens-
werthe Pläne auf. Gerade jetzt ist die Zeit, wo sich neues Kapital dem
submarinen Tunnel durch den Kanal, und demjenigen zwischen der schwedi¬
schen Landschaft Schonen und der dänischen Insel Seeland zuwenden soll!

Zweierlei Vorschläge haben wir daher zu befürworten. Entweder mögen
die Regierungen noch einmal Vertreter nach Konstantinopel senden, um die
gefaßten Beschlüsse zu revidiren und der Gesellschaft freie Hand zu lassen —
oder, will man aus den geübten Einfluß nicht verzichten, so kann man sich
denselben dadurch dauernd und alle Theile befriedigend erhalten, daß man
den Kanal auf internationale Kosten kauft und unter internationaler Aufsicht
verwaltet.

Ob die Pforte auf einen dieser beiden Vorschläge — die ja schon seit
langer Zeit gemacht wurden und für die sich begreiflicherweise namentlich


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[0317] Aber die Gesellschaft? Im Jahre 1870 passirten den Kanal 491 Schiffe von 436.618 Tonnengehalt; die Jahreseinnahme von 1870 betrug nur 6.400.000 Fras. Im Jahre 1872 hatte die Anzahl der den Kanal Passirenden Schiffe 1082 zu 1,439,169 Tonnen und 1871 765 zu 761.467 Tonnen Tragfähigkeit betragen. Die Total-Einnahmen im Jahre 1872 be¬ zifferten sich auf 16,407,591 Fras. und 1871 auf 8.993,733 Fras. Im Laufe des Jahres 1873 passirten den Kanal von Suez im Ganzen 1172 Schiffe zu 2,085,032 Tonnen-Tragfähigkeit, und die Einnahmen der Suez-Kanal-Ge¬ sellschaft betrugen 22,891,861 Fras. Wenn nun allerdings die Zahl der den Kanal pasflrenden Schiffe, ihren Tonnengehalt und die Einnahmen der Gesellschaft eine stetige Vermehrung zeigen, so hat dieselbe dennoch immer noch mit einem großen Deficit zu kämpfen und von Dividendenzahlung ist nicht die Rede. Wir fragen: Auf welcher Seite liegt das Recht? Auf Seite der Regie¬ rungen, welche mehr oder weniger willkürlich die obigen Beschlüsse gefaßt haben, oder auf Seiten der Gesellschaft, welche als Compensation für ihre Opfer die ihr angemessen erscheinenden Gebühren festzusetzen wünscht? — Doch halt! Um das Recht kümmerte sich von jeher wenig der Gang der Ereignisse! Der eigene Vortheil war meistens allein entscheidend. Aber wie, ist es wirklich der Vortheil Europas, wenn die Förderung seines Han¬ dels durch den Ruin kühner Unternehmer erkauft wird? Vielleicht in diesem Falle. Die unbedingte und sofortige Folge eines solchen Vorganges muß aber sein, daß sich die Zahl derer verringert, welche geneigt sind, große Opfer für den Vortheil ihrer selbst und daher auch der Welt zu bringen. Wird die Stimme der verletzten Aktionaire überhört, so wird sich nur schwer eine zweite Gesellschaft finden, welche ähnliche Unter¬ nehmungen wagt. Und oft genug tauchten nicht weniger riesenhaft und ebenso wünschens- werthe Pläne auf. Gerade jetzt ist die Zeit, wo sich neues Kapital dem submarinen Tunnel durch den Kanal, und demjenigen zwischen der schwedi¬ schen Landschaft Schonen und der dänischen Insel Seeland zuwenden soll! Zweierlei Vorschläge haben wir daher zu befürworten. Entweder mögen die Regierungen noch einmal Vertreter nach Konstantinopel senden, um die gefaßten Beschlüsse zu revidiren und der Gesellschaft freie Hand zu lassen — oder, will man aus den geübten Einfluß nicht verzichten, so kann man sich denselben dadurch dauernd und alle Theile befriedigend erhalten, daß man den Kanal auf internationale Kosten kauft und unter internationaler Aufsicht verwaltet. Ob die Pforte auf einen dieser beiden Vorschläge — die ja schon seit langer Zeit gemacht wurden und für die sich begreiflicherweise namentlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/317>, abgerufen am 19.05.2024.