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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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wies auf die verschwenderische Behandlung der Eisenbahnanlagecapitalien zu
unlauteren Zwecken als eine Hauptursache der Preissteigerung des Arbeits¬
lohnes und der Baumaterialien.

Obwohl das Abgeordnetenhaus durch die große ablehnende Majorität
der Ausführung Laster's beizutreten schien, so fehlte es nachträglich doch nicht
an allerlei Kopfschütteln. Dem Einen war das Hereinziehen der Persönlich¬
keiten zu stark, der Andere meinte, nachdem die Sachlage wiederum so auf¬
gedeckt worden, habe man freilich die Zinsgarantie ablehnen müssen. Aber
die Sache hätte können ruhen, da ja doch der große Eisenbahnuntersuchungs¬
bericht vorliege. Ein Dritter tadelte wiederum den Abgeordneten, daß er von
seinem Widerstand gegen die Vorlage nicht den Handelsminister in Kenntniß
gesetzt; dann würde die Vorlage gar nicht eingebracht und die unangenehme
Erörterung vermieden worden sein. -- Ueber den letzteren Vorwurf haben
wir kein ausreichendes Urtheil, die anderen aber sind unbegründet. Wir
Wissen nicht, ob der Handelsminister die Vorlage zurückgezogen hätte auf die
Ankündigung eines zu leistenden Widerstandes hin; die Erkundigung, ob ein
solcher Widerstand bevorstehe, wäre aber seine Sache gewesen. In der Be¬
gründung aber, daß die Vorlage zu verwerfen, müssen wir dem Abgeordneten
Laster uneingeschränkt Recht geben. Die Gründer zweifelhafter Unter¬
nehmungen müssen sich selbst helfen; wo die Staatshülfe unentbehrlich, muß
sie vor der Gründung beansprucht werden. Wenn ein Unternehmen tous,
KÄL eingeleitet worden und dann in unerwartete Schwierigkeiten geräth, mag
unter Voraussetzung der Gemeinnützigkeit die Staatshülfe eintreten. Das
aber hieße allen Grundsätzen einer gesunden Politik zuwider handeln und
geradezu die Moral schädigen, wenn der Staat Unternehmungen heraus¬
reißen soll, deren Schwierigkeiten aus übler Wirthschaft entstanden sind, mag
letztere nun auf Leichtsinn oder auf schlimmeren Gründen beruhen. Die
Schuldigen müssen dann ihre Strafe finden, und wenn der Staat solchen
Schuldigen beispringen wollte, weil das gefährdete Unternehmen an sich ge¬
meinnützig , so würde er geradezu eine Prämie setzen auf die wirthschaftliche
Unmoralität. Auch das kann die Sache nicht ändern, daß die eigentlichen
Schuldigen bei der üblen Wirthschaft möglicherweise sich aus der Schußweite
gebracht und Patrone mit gewichtigen Namen als Betrogene zurückgelassen
haben. Wer einen Namen trägt, der zur Patronisirung taugt, soll sich vor¬
sehen, ehe er ihn hergiebt. Wie man die Sache auch wenden und betrachten
mag, man wird immer wieder zu der Ueberzeugung zurückgeführt, daß der
Abgeordnete Laster diesen wirthschaftlichen Erscheinungen gegenüber eine
höchst undankbare, lästige und unter Umständen selbst gefährliche Aufgabe
aus reinem Pflichtgefühl mit ebensoviel Muth als Einsicht durchführt. So
oft in künftigen Zeiten die Versuchung, unlautere Spekulationen zu be-


wies auf die verschwenderische Behandlung der Eisenbahnanlagecapitalien zu
unlauteren Zwecken als eine Hauptursache der Preissteigerung des Arbeits¬
lohnes und der Baumaterialien.

Obwohl das Abgeordnetenhaus durch die große ablehnende Majorität
der Ausführung Laster's beizutreten schien, so fehlte es nachträglich doch nicht
an allerlei Kopfschütteln. Dem Einen war das Hereinziehen der Persönlich¬
keiten zu stark, der Andere meinte, nachdem die Sachlage wiederum so auf¬
gedeckt worden, habe man freilich die Zinsgarantie ablehnen müssen. Aber
die Sache hätte können ruhen, da ja doch der große Eisenbahnuntersuchungs¬
bericht vorliege. Ein Dritter tadelte wiederum den Abgeordneten, daß er von
seinem Widerstand gegen die Vorlage nicht den Handelsminister in Kenntniß
gesetzt; dann würde die Vorlage gar nicht eingebracht und die unangenehme
Erörterung vermieden worden sein. — Ueber den letzteren Vorwurf haben
wir kein ausreichendes Urtheil, die anderen aber sind unbegründet. Wir
Wissen nicht, ob der Handelsminister die Vorlage zurückgezogen hätte auf die
Ankündigung eines zu leistenden Widerstandes hin; die Erkundigung, ob ein
solcher Widerstand bevorstehe, wäre aber seine Sache gewesen. In der Be¬
gründung aber, daß die Vorlage zu verwerfen, müssen wir dem Abgeordneten
Laster uneingeschränkt Recht geben. Die Gründer zweifelhafter Unter¬
nehmungen müssen sich selbst helfen; wo die Staatshülfe unentbehrlich, muß
sie vor der Gründung beansprucht werden. Wenn ein Unternehmen tous,
KÄL eingeleitet worden und dann in unerwartete Schwierigkeiten geräth, mag
unter Voraussetzung der Gemeinnützigkeit die Staatshülfe eintreten. Das
aber hieße allen Grundsätzen einer gesunden Politik zuwider handeln und
geradezu die Moral schädigen, wenn der Staat Unternehmungen heraus¬
reißen soll, deren Schwierigkeiten aus übler Wirthschaft entstanden sind, mag
letztere nun auf Leichtsinn oder auf schlimmeren Gründen beruhen. Die
Schuldigen müssen dann ihre Strafe finden, und wenn der Staat solchen
Schuldigen beispringen wollte, weil das gefährdete Unternehmen an sich ge¬
meinnützig , so würde er geradezu eine Prämie setzen auf die wirthschaftliche
Unmoralität. Auch das kann die Sache nicht ändern, daß die eigentlichen
Schuldigen bei der üblen Wirthschaft möglicherweise sich aus der Schußweite
gebracht und Patrone mit gewichtigen Namen als Betrogene zurückgelassen
haben. Wer einen Namen trägt, der zur Patronisirung taugt, soll sich vor¬
sehen, ehe er ihn hergiebt. Wie man die Sache auch wenden und betrachten
mag, man wird immer wieder zu der Ueberzeugung zurückgeführt, daß der
Abgeordnete Laster diesen wirthschaftlichen Erscheinungen gegenüber eine
höchst undankbare, lästige und unter Umständen selbst gefährliche Aufgabe
aus reinem Pflichtgefühl mit ebensoviel Muth als Einsicht durchführt. So
oft in künftigen Zeiten die Versuchung, unlautere Spekulationen zu be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/324>, abgerufen am 27.05.2024.