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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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dorthin sendet, oder durch ein Extrakt ersetzt, welches die wirksamsten Be¬
standtheile derselben enthält. Ein solches Extrakt ist z, B. das Fleischextrakt,
dessen Ueberschätzung durch eine geschickte Reklame fortdauernd begünstigt
wird. Von den verschiedenen Firmen, welche Fleischextrakt ausgestellt hatten,
behauptet jede, daß ihr Präparat die wirksamsten Bestandtheile des Fleisches
enthalte, und führt den Beweis durch Zeugnisse von berühmten Männern.

Die Conservirung, d.h. die Erhaltung des unverdorbenen Zustandes
bei der Versendung von Nahrungsmitteln wird auf mannigfaltige Art be¬
wirkt. Hierher gehört z. B. die Behandlung des Fleisches mit verschiedenen
Chemikalien, also auch das Pökeln, ferner das Räuchern des Fleisches, das
Condensiren (Eindicken) der Milch, das Einmachen und Conserviren von
Gemüsen, Früchten u. s- w. Die Beschaffenheit des mit Chemikalien be¬
handelten Fleisches in den ausgestellten Gefäßen ließ sich nicht beurtheilen,
da dieselben verschlossen waren. Ich muß indeß, trotz der entgegengesetzten
Behauptungen, daran erinnern, daß bis jetzt kein chemisches Verfahren bekannt
ist, durch welches die Genießbarkeit des Fleisches für längere Zeit erhalten
werden könnte. Die preußische Militärbehörde wird jetzt in Mainz ein
großes Institut für die Herstellung von conservirten Nahrungsmitteln er¬
richten und dadurch von ihrer Fürsorge für die Erhaltung der Gesundheit
der Armee einen neuen Beweis geben. Der öffentlichen Gesundheitspflege
wird jenes Institut großen Nutzen gewähren; denn sie wird die Ergebnisse
der dort anzustellenden Versuche in der Civilbevölkerung verwerthen.

Zweckmäßiges Räuchern kann den Fleischwaaren eine langdauernde Ge¬
nießbarkeit verleihen. Unter den ausgestellten geräucherten Fleisch¬
waaren erwähne ich die amerikanischen Schinken, Speckseiten und Würste
deshalb, weil ich davor warnen möchte, daß man dieselben, bevor sie auf
Trichinen untersucht worden sind, genieße. Diese Warnung ist um so
dringender, als der Import dieser Fleischwaaren aus Amerika sehr zunimmt.
Die Trichinen in dem Fleische werden durch Räuchern nur dann getödtet,
wenn das Räuchern in allen Theilen der Fleischwaare einen genügenden
Grad erreicht. Daß dies bei den amerikanischen Fleischwaaren nicht immer
der Fall ist, lehrt z. B. die in Rostock und Bremen gemachte Erfahrung.
In Bremen sind neuerdings über 20 Personen in Folge des Genusses
amerikanischer Schinken von der Trichinenkrankheit ergriffen worden. Die
Untersuchung ergab zahlreiche lebende Trichinen in den tieferen Theilen der
Schinken, während an der Oberfläche der Schinken die Trichinen getödtet
waren. Bei diesen Schinken hatte man die sogenannte Schnellräucherung
angewendet, welche in Amerika-bei den zu exportirenden Fleischwaaren beliebt
ist und die Trichinen nur an der Oberfläche der Fleischwaaren tödtet. In
Elbing, wo ein sehr bedeutender Import amerikanischer Speckseiten über


dorthin sendet, oder durch ein Extrakt ersetzt, welches die wirksamsten Be¬
standtheile derselben enthält. Ein solches Extrakt ist z, B. das Fleischextrakt,
dessen Ueberschätzung durch eine geschickte Reklame fortdauernd begünstigt
wird. Von den verschiedenen Firmen, welche Fleischextrakt ausgestellt hatten,
behauptet jede, daß ihr Präparat die wirksamsten Bestandtheile des Fleisches
enthalte, und führt den Beweis durch Zeugnisse von berühmten Männern.

Die Conservirung, d.h. die Erhaltung des unverdorbenen Zustandes
bei der Versendung von Nahrungsmitteln wird auf mannigfaltige Art be¬
wirkt. Hierher gehört z. B. die Behandlung des Fleisches mit verschiedenen
Chemikalien, also auch das Pökeln, ferner das Räuchern des Fleisches, das
Condensiren (Eindicken) der Milch, das Einmachen und Conserviren von
Gemüsen, Früchten u. s- w. Die Beschaffenheit des mit Chemikalien be¬
handelten Fleisches in den ausgestellten Gefäßen ließ sich nicht beurtheilen,
da dieselben verschlossen waren. Ich muß indeß, trotz der entgegengesetzten
Behauptungen, daran erinnern, daß bis jetzt kein chemisches Verfahren bekannt
ist, durch welches die Genießbarkeit des Fleisches für längere Zeit erhalten
werden könnte. Die preußische Militärbehörde wird jetzt in Mainz ein
großes Institut für die Herstellung von conservirten Nahrungsmitteln er¬
richten und dadurch von ihrer Fürsorge für die Erhaltung der Gesundheit
der Armee einen neuen Beweis geben. Der öffentlichen Gesundheitspflege
wird jenes Institut großen Nutzen gewähren; denn sie wird die Ergebnisse
der dort anzustellenden Versuche in der Civilbevölkerung verwerthen.

Zweckmäßiges Räuchern kann den Fleischwaaren eine langdauernde Ge¬
nießbarkeit verleihen. Unter den ausgestellten geräucherten Fleisch¬
waaren erwähne ich die amerikanischen Schinken, Speckseiten und Würste
deshalb, weil ich davor warnen möchte, daß man dieselben, bevor sie auf
Trichinen untersucht worden sind, genieße. Diese Warnung ist um so
dringender, als der Import dieser Fleischwaaren aus Amerika sehr zunimmt.
Die Trichinen in dem Fleische werden durch Räuchern nur dann getödtet,
wenn das Räuchern in allen Theilen der Fleischwaare einen genügenden
Grad erreicht. Daß dies bei den amerikanischen Fleischwaaren nicht immer
der Fall ist, lehrt z. B. die in Rostock und Bremen gemachte Erfahrung.
In Bremen sind neuerdings über 20 Personen in Folge des Genusses
amerikanischer Schinken von der Trichinenkrankheit ergriffen worden. Die
Untersuchung ergab zahlreiche lebende Trichinen in den tieferen Theilen der
Schinken, während an der Oberfläche der Schinken die Trichinen getödtet
waren. Bei diesen Schinken hatte man die sogenannte Schnellräucherung
angewendet, welche in Amerika-bei den zu exportirenden Fleischwaaren beliebt
ist und die Trichinen nur an der Oberfläche der Fleischwaaren tödtet. In
Elbing, wo ein sehr bedeutender Import amerikanischer Speckseiten über


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[0379] dorthin sendet, oder durch ein Extrakt ersetzt, welches die wirksamsten Be¬ standtheile derselben enthält. Ein solches Extrakt ist z, B. das Fleischextrakt, dessen Ueberschätzung durch eine geschickte Reklame fortdauernd begünstigt wird. Von den verschiedenen Firmen, welche Fleischextrakt ausgestellt hatten, behauptet jede, daß ihr Präparat die wirksamsten Bestandtheile des Fleisches enthalte, und führt den Beweis durch Zeugnisse von berühmten Männern. Die Conservirung, d.h. die Erhaltung des unverdorbenen Zustandes bei der Versendung von Nahrungsmitteln wird auf mannigfaltige Art be¬ wirkt. Hierher gehört z. B. die Behandlung des Fleisches mit verschiedenen Chemikalien, also auch das Pökeln, ferner das Räuchern des Fleisches, das Condensiren (Eindicken) der Milch, das Einmachen und Conserviren von Gemüsen, Früchten u. s- w. Die Beschaffenheit des mit Chemikalien be¬ handelten Fleisches in den ausgestellten Gefäßen ließ sich nicht beurtheilen, da dieselben verschlossen waren. Ich muß indeß, trotz der entgegengesetzten Behauptungen, daran erinnern, daß bis jetzt kein chemisches Verfahren bekannt ist, durch welches die Genießbarkeit des Fleisches für längere Zeit erhalten werden könnte. Die preußische Militärbehörde wird jetzt in Mainz ein großes Institut für die Herstellung von conservirten Nahrungsmitteln er¬ richten und dadurch von ihrer Fürsorge für die Erhaltung der Gesundheit der Armee einen neuen Beweis geben. Der öffentlichen Gesundheitspflege wird jenes Institut großen Nutzen gewähren; denn sie wird die Ergebnisse der dort anzustellenden Versuche in der Civilbevölkerung verwerthen. Zweckmäßiges Räuchern kann den Fleischwaaren eine langdauernde Ge¬ nießbarkeit verleihen. Unter den ausgestellten geräucherten Fleisch¬ waaren erwähne ich die amerikanischen Schinken, Speckseiten und Würste deshalb, weil ich davor warnen möchte, daß man dieselben, bevor sie auf Trichinen untersucht worden sind, genieße. Diese Warnung ist um so dringender, als der Import dieser Fleischwaaren aus Amerika sehr zunimmt. Die Trichinen in dem Fleische werden durch Räuchern nur dann getödtet, wenn das Räuchern in allen Theilen der Fleischwaare einen genügenden Grad erreicht. Daß dies bei den amerikanischen Fleischwaaren nicht immer der Fall ist, lehrt z. B. die in Rostock und Bremen gemachte Erfahrung. In Bremen sind neuerdings über 20 Personen in Folge des Genusses amerikanischer Schinken von der Trichinenkrankheit ergriffen worden. Die Untersuchung ergab zahlreiche lebende Trichinen in den tieferen Theilen der Schinken, während an der Oberfläche der Schinken die Trichinen getödtet waren. Bei diesen Schinken hatte man die sogenannte Schnellräucherung angewendet, welche in Amerika-bei den zu exportirenden Fleischwaaren beliebt ist und die Trichinen nur an der Oberfläche der Fleischwaaren tödtet. In Elbing, wo ein sehr bedeutender Import amerikanischer Speckseiten über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/379>, abgerufen am 19.05.2024.