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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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16. errungenen Vortheile zu behaupten, hatte der Verlauf der Schlacht bei
Bazaine den Eindruck hervorgebracht, daß man es mit mindestens gleich
starken Kräften zu thun habe und daß man sich am nächsten Tage gegen eine
entschiedene Uebermacht der Deutschen zu schlagen haben werde. Einen solchen
Angriff in seinen bisherigen Stellungen anzunehmen, fühlte sich der Marschall
jedoch nicht stark genug, und ebensowenig glaubte er. angesichts der drohen¬
den Anmarschrichtung des deutschen Heeres die begonnene Bewegung nach der
Maas durchführen zu können, wozu ihm allenfalls die Straßen über Etain
und Brich damals noch offen gestanden hätten. Ueberdies war das Selbstver¬
trauen vieler Führer und Truppen erschüttert; Munition und Lebensmittel
bedurften der Ergänzung, und die Trains und Fuhrenparks bedeckten die
Straße von Gravelotte noch bis in das Moselthal hinab. Aus diesen Grün¬
den erachtete Bazaine es für geboten, sein Heer wieder näher an Metz heran¬
zuführen, um in einer auf diese Festung gestützten "uneinnehmbaren" Stellung
den Angriff zu erwarten. An dieser, hoffte er, sollte sich die Kraft des
deutschen Heeres derartig brechen, daß am 19. oder 20. August der Marsch
an die Maas ungehindert werde vor sich gehn können.

In der Nacht zum 17. August erließ Bazaine daher den Rückzugsbefehl
nach der Hochfläche von Plappeville.

Um die Aufmerksamkeit der Franzosen von den entscheidenden Vorgängen
auf dem linken Moselufer soviel als möglich abzulenken, war vom General
v. Moltke der General v. Steinmetz aufgefordert worden, mit seiner Artillerie
auf dem rechten Moselufer zu demonstriren, eine Lage, aus welcher sich das
Gefecht im Bois de Vaux entwickelte, das indessen preußischerseits bald ab¬
gebrochen wurde, weil ein ernster Kampf für den 17. August nicht in der
Absicht der obersten Heeresleitung lag, vielmehr am folgenden Tage mit ver¬
einten Kräften unternommen werden sollte. Denn während sich die Concen-
trirung des Feindes unmittelbar westlich Metz immer deutlicher erkennen ließ,
waren in der Mittagsstunde des 17. August auf deutscher Seite sieben Armee-
Corps (VII., VIII.. III., IX., X.. XII. und Garde-Corps) und drei Kavallerie-
Divisionen (1., 5. und 6) der I. und II. Armee zur Stelle oder in solcher
Nähe, daß das große Hauptquartier auf ihre Mitwirkung bet Erneuerung
der Schlacht mit Sicherheit rechnen konnte. Es galt nun für den 18. August
den Entscheidungskampf vorzubereiten.

Die Anordnungen, welche in dieser Hinsicht am Nachmittage erlassen
wurden, werden den nächsten Abschnitt des Generalstabswerkes einleiten.

Beigegeben sind dem 5. Hefte an Anlagen: zwei Schreiben des
Generals v. Steinmetz an die Generale v. Manteuffel und v. Kummer, ein
Armee-Befehl des Prinzen Friedrich Karl, eine Spezialschilderung der Weg¬
nahme von Flavigny in der Schlacht von Vionville, der Armeebefehl des


16. errungenen Vortheile zu behaupten, hatte der Verlauf der Schlacht bei
Bazaine den Eindruck hervorgebracht, daß man es mit mindestens gleich
starken Kräften zu thun habe und daß man sich am nächsten Tage gegen eine
entschiedene Uebermacht der Deutschen zu schlagen haben werde. Einen solchen
Angriff in seinen bisherigen Stellungen anzunehmen, fühlte sich der Marschall
jedoch nicht stark genug, und ebensowenig glaubte er. angesichts der drohen¬
den Anmarschrichtung des deutschen Heeres die begonnene Bewegung nach der
Maas durchführen zu können, wozu ihm allenfalls die Straßen über Etain
und Brich damals noch offen gestanden hätten. Ueberdies war das Selbstver¬
trauen vieler Führer und Truppen erschüttert; Munition und Lebensmittel
bedurften der Ergänzung, und die Trains und Fuhrenparks bedeckten die
Straße von Gravelotte noch bis in das Moselthal hinab. Aus diesen Grün¬
den erachtete Bazaine es für geboten, sein Heer wieder näher an Metz heran¬
zuführen, um in einer auf diese Festung gestützten „uneinnehmbaren" Stellung
den Angriff zu erwarten. An dieser, hoffte er, sollte sich die Kraft des
deutschen Heeres derartig brechen, daß am 19. oder 20. August der Marsch
an die Maas ungehindert werde vor sich gehn können.

In der Nacht zum 17. August erließ Bazaine daher den Rückzugsbefehl
nach der Hochfläche von Plappeville.

Um die Aufmerksamkeit der Franzosen von den entscheidenden Vorgängen
auf dem linken Moselufer soviel als möglich abzulenken, war vom General
v. Moltke der General v. Steinmetz aufgefordert worden, mit seiner Artillerie
auf dem rechten Moselufer zu demonstriren, eine Lage, aus welcher sich das
Gefecht im Bois de Vaux entwickelte, das indessen preußischerseits bald ab¬
gebrochen wurde, weil ein ernster Kampf für den 17. August nicht in der
Absicht der obersten Heeresleitung lag, vielmehr am folgenden Tage mit ver¬
einten Kräften unternommen werden sollte. Denn während sich die Concen-
trirung des Feindes unmittelbar westlich Metz immer deutlicher erkennen ließ,
waren in der Mittagsstunde des 17. August auf deutscher Seite sieben Armee-
Corps (VII., VIII.. III., IX., X.. XII. und Garde-Corps) und drei Kavallerie-
Divisionen (1., 5. und 6) der I. und II. Armee zur Stelle oder in solcher
Nähe, daß das große Hauptquartier auf ihre Mitwirkung bet Erneuerung
der Schlacht mit Sicherheit rechnen konnte. Es galt nun für den 18. August
den Entscheidungskampf vorzubereiten.

Die Anordnungen, welche in dieser Hinsicht am Nachmittage erlassen
wurden, werden den nächsten Abschnitt des Generalstabswerkes einleiten.

Beigegeben sind dem 5. Hefte an Anlagen: zwei Schreiben des
Generals v. Steinmetz an die Generale v. Manteuffel und v. Kummer, ein
Armee-Befehl des Prinzen Friedrich Karl, eine Spezialschilderung der Weg¬
nahme von Flavigny in der Schlacht von Vionville, der Armeebefehl des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/400>, abgerufen am 19.05.2024.