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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band.

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Meldung des Bisthumsverwesers gegen die Vertretung des Amtes Einspruch
erheben und die Entscheidung des Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten
anrufen. Dieselbe Strafe trifft Kirchendiener, welche auf Anordnung eines
staatlich nicht anerkannten oder in Folge gerichtlichen Urtheils aus seinem
Amte entfernten Bischofs oder Bisthumsverwesers Amtshandlungen vor¬
nehmen. Wenn die Stelle eines Bischofs durch gerichtliches Urtheil erledigt
worden, hat der Oberpräsident das Domcapitel zur Wahl eines Bisthums¬
verwesers aufzufordern. Wenn die Wahl nicht binnen zehn Tagen zu Stande
kommt, oder wenn vierzehn Tage nach vollzogener Neuwahl der Gewählte
den vorgeschriebenen Eid nicht leistet, so ernennt der Cultusminister einen
Commissarius, welcher das von dem bischöflichen Stuhl verwaltete Vermögen
in Verwahrung und Verwaltung nimmt. Der Oberpräsident ist zu Zwangs¬
maßregeln befugt, um dem Commissär die Verfügung über das Vermögen zu
verschaffen. Dieselbe eommissarische Verwaltung des Bisthumsvermögens wird
angeordnet, wenn ein auf anderm Wege als durch gerichtliches Urtheil er¬
ledigter Bischofssitz nach einem Jahr noch nicht mit einem staatlich anerkannten
Bischof wieder besetzt ist.

Bis hierher verfügt das Gesetz nur über die Verus gen sverw altung
eines Bischofssitzes durch die Hand des Staates, so lange kein den Staats¬
gesetzen gehorsamer und den Staatseid leistender Bischof oder Bisthums-
verweser vorhanden ist. Nun aber kommen eine Reihe Bestimmungen von
einschneidendster Art, welche Bezug haben auf die Besetzung erledigter Pfarr¬
ämter in solchen Bisthümern, die zur Zeit keinen Bischof haben, worunter
das Gesetz überall versteht, keinen staatlich anerkannten Bischof. Das Gesetz
vom 20. Mai 1874 bestimmt hierüber Folgendes: Wenn in einem Bisthum,
dessen Sitz durch gerichtliches Urtheil ledig ist, ein Pfarramt erledigt wird, so
ist der Patron oder der sonst zur Präsentation Berechtigte, sofern ein solcher
vorhanden, befugt, das Amt wieder zu besetzen und ebenso die Stellvertretung
bis zur Besetzung zu bewirken. Wenn der Berechtigte von dieser Befugniß
Gebrauch macht, so kann die Übertragung des geistlichen Amtes oder der
Stellvertretung in demselben nur erfolgen nach Maßgabe des Gesetzes über
die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Bei gesetzwidriger Amts¬
übertragung durch den Präsentationsberechtigten trifft letzteren dieselbe Strafe
wie sonst den geistlichen Oberen. Wenn der Präsentationsberechtigte binnen
zwei Monaten die Stellvertretung eines erledigten geistlichen Amtes und
binnen Jahresfrist die Wiederbesetzung nicht bewirkt, so geht seine Befugniß
auf die Pfarrgemeinde über. Wo kein Präsentationsberechtigter vorhanden,
steht die Befugniß zur Besetzung wie zur Sorge für die Stellvertretung von
Anfang der Gemeinde zu. Wo diese Befugniß für die Gemeinde eingetreten
ist, beruft der Landrath, in Stadtkreisen der Bürgermeister schon auf den


Meldung des Bisthumsverwesers gegen die Vertretung des Amtes Einspruch
erheben und die Entscheidung des Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten
anrufen. Dieselbe Strafe trifft Kirchendiener, welche auf Anordnung eines
staatlich nicht anerkannten oder in Folge gerichtlichen Urtheils aus seinem
Amte entfernten Bischofs oder Bisthumsverwesers Amtshandlungen vor¬
nehmen. Wenn die Stelle eines Bischofs durch gerichtliches Urtheil erledigt
worden, hat der Oberpräsident das Domcapitel zur Wahl eines Bisthums¬
verwesers aufzufordern. Wenn die Wahl nicht binnen zehn Tagen zu Stande
kommt, oder wenn vierzehn Tage nach vollzogener Neuwahl der Gewählte
den vorgeschriebenen Eid nicht leistet, so ernennt der Cultusminister einen
Commissarius, welcher das von dem bischöflichen Stuhl verwaltete Vermögen
in Verwahrung und Verwaltung nimmt. Der Oberpräsident ist zu Zwangs¬
maßregeln befugt, um dem Commissär die Verfügung über das Vermögen zu
verschaffen. Dieselbe eommissarische Verwaltung des Bisthumsvermögens wird
angeordnet, wenn ein auf anderm Wege als durch gerichtliches Urtheil er¬
ledigter Bischofssitz nach einem Jahr noch nicht mit einem staatlich anerkannten
Bischof wieder besetzt ist.

Bis hierher verfügt das Gesetz nur über die Verus gen sverw altung
eines Bischofssitzes durch die Hand des Staates, so lange kein den Staats¬
gesetzen gehorsamer und den Staatseid leistender Bischof oder Bisthums-
verweser vorhanden ist. Nun aber kommen eine Reihe Bestimmungen von
einschneidendster Art, welche Bezug haben auf die Besetzung erledigter Pfarr¬
ämter in solchen Bisthümern, die zur Zeit keinen Bischof haben, worunter
das Gesetz überall versteht, keinen staatlich anerkannten Bischof. Das Gesetz
vom 20. Mai 1874 bestimmt hierüber Folgendes: Wenn in einem Bisthum,
dessen Sitz durch gerichtliches Urtheil ledig ist, ein Pfarramt erledigt wird, so
ist der Patron oder der sonst zur Präsentation Berechtigte, sofern ein solcher
vorhanden, befugt, das Amt wieder zu besetzen und ebenso die Stellvertretung
bis zur Besetzung zu bewirken. Wenn der Berechtigte von dieser Befugniß
Gebrauch macht, so kann die Übertragung des geistlichen Amtes oder der
Stellvertretung in demselben nur erfolgen nach Maßgabe des Gesetzes über
die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Bei gesetzwidriger Amts¬
übertragung durch den Präsentationsberechtigten trifft letzteren dieselbe Strafe
wie sonst den geistlichen Oberen. Wenn der Präsentationsberechtigte binnen
zwei Monaten die Stellvertretung eines erledigten geistlichen Amtes und
binnen Jahresfrist die Wiederbesetzung nicht bewirkt, so geht seine Befugniß
auf die Pfarrgemeinde über. Wo kein Präsentationsberechtigter vorhanden,
steht die Befugniß zur Besetzung wie zur Sorge für die Stellvertretung von
Anfang der Gemeinde zu. Wo diese Befugniß für die Gemeinde eingetreten
ist, beruft der Landrath, in Stadtkreisen der Bürgermeister schon auf den


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[0402] Meldung des Bisthumsverwesers gegen die Vertretung des Amtes Einspruch erheben und die Entscheidung des Gerichtshofs für kirchliche Angelegenheiten anrufen. Dieselbe Strafe trifft Kirchendiener, welche auf Anordnung eines staatlich nicht anerkannten oder in Folge gerichtlichen Urtheils aus seinem Amte entfernten Bischofs oder Bisthumsverwesers Amtshandlungen vor¬ nehmen. Wenn die Stelle eines Bischofs durch gerichtliches Urtheil erledigt worden, hat der Oberpräsident das Domcapitel zur Wahl eines Bisthums¬ verwesers aufzufordern. Wenn die Wahl nicht binnen zehn Tagen zu Stande kommt, oder wenn vierzehn Tage nach vollzogener Neuwahl der Gewählte den vorgeschriebenen Eid nicht leistet, so ernennt der Cultusminister einen Commissarius, welcher das von dem bischöflichen Stuhl verwaltete Vermögen in Verwahrung und Verwaltung nimmt. Der Oberpräsident ist zu Zwangs¬ maßregeln befugt, um dem Commissär die Verfügung über das Vermögen zu verschaffen. Dieselbe eommissarische Verwaltung des Bisthumsvermögens wird angeordnet, wenn ein auf anderm Wege als durch gerichtliches Urtheil er¬ ledigter Bischofssitz nach einem Jahr noch nicht mit einem staatlich anerkannten Bischof wieder besetzt ist. Bis hierher verfügt das Gesetz nur über die Verus gen sverw altung eines Bischofssitzes durch die Hand des Staates, so lange kein den Staats¬ gesetzen gehorsamer und den Staatseid leistender Bischof oder Bisthums- verweser vorhanden ist. Nun aber kommen eine Reihe Bestimmungen von einschneidendster Art, welche Bezug haben auf die Besetzung erledigter Pfarr¬ ämter in solchen Bisthümern, die zur Zeit keinen Bischof haben, worunter das Gesetz überall versteht, keinen staatlich anerkannten Bischof. Das Gesetz vom 20. Mai 1874 bestimmt hierüber Folgendes: Wenn in einem Bisthum, dessen Sitz durch gerichtliches Urtheil ledig ist, ein Pfarramt erledigt wird, so ist der Patron oder der sonst zur Präsentation Berechtigte, sofern ein solcher vorhanden, befugt, das Amt wieder zu besetzen und ebenso die Stellvertretung bis zur Besetzung zu bewirken. Wenn der Berechtigte von dieser Befugniß Gebrauch macht, so kann die Übertragung des geistlichen Amtes oder der Stellvertretung in demselben nur erfolgen nach Maßgabe des Gesetzes über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Bei gesetzwidriger Amts¬ übertragung durch den Präsentationsberechtigten trifft letzteren dieselbe Strafe wie sonst den geistlichen Oberen. Wenn der Präsentationsberechtigte binnen zwei Monaten die Stellvertretung eines erledigten geistlichen Amtes und binnen Jahresfrist die Wiederbesetzung nicht bewirkt, so geht seine Befugniß auf die Pfarrgemeinde über. Wo kein Präsentationsberechtigter vorhanden, steht die Befugniß zur Besetzung wie zur Sorge für die Stellvertretung von Anfang der Gemeinde zu. Wo diese Befugniß für die Gemeinde eingetreten ist, beruft der Landrath, in Stadtkreisen der Bürgermeister schon auf den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_131175/402>, abgerufen am 19.05.2024.