Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

besseres Buch bieten könnte, da diese sicherlich begierig wären zu wissen, wie ihre
italienischen Schwestern denken und schreiben. Das Buch ist instructiv ebensowohl
als amüsant und wie ich denke, daß es der neuen lombardischen Generation
und deren Lehrern Ehre macht, so würde es mich auch freuen, wenn es seinen
Weg jenseits der Alpen fände. Ich kann mich leider nicht weiter über diese
Publication auslassen; wenn ich aber meinen deutschen Lesern eine volle
Uebersetzung des Buches geben könnte, so bin ich überzeugt, würde ich sie
schnell zu meiner Ueberzeugung bringen. Ein einziges kleines Fragment --
Maria B. signirt -- will ich jedoch, seiner Kürze halber wiedergeben. Es
ist "II ritorno clöllö ronäini" (die Wiederkehr der Schwalben) betitelt. Eine
Mutter spricht. Es ist nicht in Rythmen, aber es fehlt wenig, daß es wirklich
Verse wären.

"Alles kehrt wieder, sagen sie; die Blumen, die Sterne, die Schwalben
-- und du kehrst nie zurück. Die Schwalben sind wieder da, die Du so sehr
geliebt hast, mein Kind. Sie haben Dir von einem schönen herrlichen Himmel
erzählt, der ganz von Glanz erfüllt ist, und Du hast dich gesehnt, ihn auch
zu schauen. Und als sie davon flogen, bist du ihnen gefolgt. Mit ihnen
bist Du hinweggezogen, mein Kind; warum kommst Du nicht mit ihnen
zurück? Und Ihr Schwalben, die Ihr sie mir entführt habt, warum wollt
Ihr sie mir nicht wiederbringen? Ihr wäret um sie, und zusammen habt
Ihr eine mildere Sonne, ein schöneres Land gesucht. Wie Ihr, wollte
sie einen besseren Ort suchen, aber das Land, dahin meine Tochter zog, ist
ein geheimnißvolles Land, von welchem niemand zurückkehrt. . . . Und wäre es
eine Mutter, welche riefe -- es kehrt niemand zurück!"

Man hat den jungen Mädchen ein poetisches und tiefes Gefühl für die
Natur einzuflößen gewußt, das Sehnsuchtsvolle der germanischen Poesie. Sie
kennen und lieben Euren Goethe und Schiller, und in solcher Gesellschaft
muß sich der Geist erhaben fühlen. Ich hoffe aufrichtig, daß Professor Rizzi
uns noch ähnliche Bände als Früchte seines Unterrichts bieten wird, und
zwar einerseits deshalb, weil unsere Literatur hieraus Gewinn schöpfen würde,
und sodann weil es mir scheint, daß die jungen Mädchen, welche so schöne
Beweise ihres guten Geschmackes geben, in Zukunft treffliche Mütter und
liebenswürdige Gattinnen sein werden, die werth sind, ein glückliches Leben
zu leben. Und ein solches wird ihnen jeder Leser des von mir empfohlenen
Buches mit mir wünschen.


Angelo De Gubernatis.


besseres Buch bieten könnte, da diese sicherlich begierig wären zu wissen, wie ihre
italienischen Schwestern denken und schreiben. Das Buch ist instructiv ebensowohl
als amüsant und wie ich denke, daß es der neuen lombardischen Generation
und deren Lehrern Ehre macht, so würde es mich auch freuen, wenn es seinen
Weg jenseits der Alpen fände. Ich kann mich leider nicht weiter über diese
Publication auslassen; wenn ich aber meinen deutschen Lesern eine volle
Uebersetzung des Buches geben könnte, so bin ich überzeugt, würde ich sie
schnell zu meiner Ueberzeugung bringen. Ein einziges kleines Fragment —
Maria B. signirt — will ich jedoch, seiner Kürze halber wiedergeben. Es
ist „II ritorno clöllö ronäini" (die Wiederkehr der Schwalben) betitelt. Eine
Mutter spricht. Es ist nicht in Rythmen, aber es fehlt wenig, daß es wirklich
Verse wären.

„Alles kehrt wieder, sagen sie; die Blumen, die Sterne, die Schwalben
— und du kehrst nie zurück. Die Schwalben sind wieder da, die Du so sehr
geliebt hast, mein Kind. Sie haben Dir von einem schönen herrlichen Himmel
erzählt, der ganz von Glanz erfüllt ist, und Du hast dich gesehnt, ihn auch
zu schauen. Und als sie davon flogen, bist du ihnen gefolgt. Mit ihnen
bist Du hinweggezogen, mein Kind; warum kommst Du nicht mit ihnen
zurück? Und Ihr Schwalben, die Ihr sie mir entführt habt, warum wollt
Ihr sie mir nicht wiederbringen? Ihr wäret um sie, und zusammen habt
Ihr eine mildere Sonne, ein schöneres Land gesucht. Wie Ihr, wollte
sie einen besseren Ort suchen, aber das Land, dahin meine Tochter zog, ist
ein geheimnißvolles Land, von welchem niemand zurückkehrt. . . . Und wäre es
eine Mutter, welche riefe — es kehrt niemand zurück!"

Man hat den jungen Mädchen ein poetisches und tiefes Gefühl für die
Natur einzuflößen gewußt, das Sehnsuchtsvolle der germanischen Poesie. Sie
kennen und lieben Euren Goethe und Schiller, und in solcher Gesellschaft
muß sich der Geist erhaben fühlen. Ich hoffe aufrichtig, daß Professor Rizzi
uns noch ähnliche Bände als Früchte seines Unterrichts bieten wird, und
zwar einerseits deshalb, weil unsere Literatur hieraus Gewinn schöpfen würde,
und sodann weil es mir scheint, daß die jungen Mädchen, welche so schöne
Beweise ihres guten Geschmackes geben, in Zukunft treffliche Mütter und
liebenswürdige Gattinnen sein werden, die werth sind, ein glückliches Leben
zu leben. Und ein solches wird ihnen jeder Leser des von mir empfohlenen
Buches mit mir wünschen.


Angelo De Gubernatis.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/131819"/>
          <p xml:id="ID_434" prev="#ID_433"> besseres Buch bieten könnte, da diese sicherlich begierig wären zu wissen, wie ihre<lb/>
italienischen Schwestern denken und schreiben. Das Buch ist instructiv ebensowohl<lb/>
als amüsant und wie ich denke, daß es der neuen lombardischen Generation<lb/>
und deren Lehrern Ehre macht, so würde es mich auch freuen, wenn es seinen<lb/>
Weg jenseits der Alpen fände. Ich kann mich leider nicht weiter über diese<lb/>
Publication auslassen; wenn ich aber meinen deutschen Lesern eine volle<lb/>
Uebersetzung des Buches geben könnte, so bin ich überzeugt, würde ich sie<lb/>
schnell zu meiner Ueberzeugung bringen. Ein einziges kleines Fragment &#x2014;<lb/>
Maria B. signirt &#x2014; will ich jedoch, seiner Kürze halber wiedergeben. Es<lb/>
ist &#x201E;II ritorno clöllö ronäini" (die Wiederkehr der Schwalben) betitelt. Eine<lb/>
Mutter spricht. Es ist nicht in Rythmen, aber es fehlt wenig, daß es wirklich<lb/>
Verse wären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_435"> &#x201E;Alles kehrt wieder, sagen sie; die Blumen, die Sterne, die Schwalben<lb/>
&#x2014; und du kehrst nie zurück. Die Schwalben sind wieder da, die Du so sehr<lb/>
geliebt hast, mein Kind. Sie haben Dir von einem schönen herrlichen Himmel<lb/>
erzählt, der ganz von Glanz erfüllt ist, und Du hast dich gesehnt, ihn auch<lb/>
zu schauen. Und als sie davon flogen, bist du ihnen gefolgt. Mit ihnen<lb/>
bist Du hinweggezogen, mein Kind; warum kommst Du nicht mit ihnen<lb/>
zurück? Und Ihr Schwalben, die Ihr sie mir entführt habt, warum wollt<lb/>
Ihr sie mir nicht wiederbringen? Ihr wäret um sie, und zusammen habt<lb/>
Ihr eine mildere Sonne, ein schöneres Land gesucht. Wie Ihr, wollte<lb/>
sie einen besseren Ort suchen, aber das Land, dahin meine Tochter zog, ist<lb/>
ein geheimnißvolles Land, von welchem niemand zurückkehrt. . . . Und wäre es<lb/>
eine Mutter, welche riefe &#x2014; es kehrt niemand zurück!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_436"> Man hat den jungen Mädchen ein poetisches und tiefes Gefühl für die<lb/>
Natur einzuflößen gewußt, das Sehnsuchtsvolle der germanischen Poesie. Sie<lb/>
kennen und lieben Euren Goethe und Schiller, und in solcher Gesellschaft<lb/>
muß sich der Geist erhaben fühlen. Ich hoffe aufrichtig, daß Professor Rizzi<lb/>
uns noch ähnliche Bände als Früchte seines Unterrichts bieten wird, und<lb/>
zwar einerseits deshalb, weil unsere Literatur hieraus Gewinn schöpfen würde,<lb/>
und sodann weil es mir scheint, daß die jungen Mädchen, welche so schöne<lb/>
Beweise ihres guten Geschmackes geben, in Zukunft treffliche Mütter und<lb/>
liebenswürdige Gattinnen sein werden, die werth sind, ein glückliches Leben<lb/>
zu leben. Und ein solches wird ihnen jeder Leser des von mir empfohlenen<lb/>
Buches mit mir wünschen.</p><lb/>
          <note type="byline"> Angelo De Gubernatis.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] besseres Buch bieten könnte, da diese sicherlich begierig wären zu wissen, wie ihre italienischen Schwestern denken und schreiben. Das Buch ist instructiv ebensowohl als amüsant und wie ich denke, daß es der neuen lombardischen Generation und deren Lehrern Ehre macht, so würde es mich auch freuen, wenn es seinen Weg jenseits der Alpen fände. Ich kann mich leider nicht weiter über diese Publication auslassen; wenn ich aber meinen deutschen Lesern eine volle Uebersetzung des Buches geben könnte, so bin ich überzeugt, würde ich sie schnell zu meiner Ueberzeugung bringen. Ein einziges kleines Fragment — Maria B. signirt — will ich jedoch, seiner Kürze halber wiedergeben. Es ist „II ritorno clöllö ronäini" (die Wiederkehr der Schwalben) betitelt. Eine Mutter spricht. Es ist nicht in Rythmen, aber es fehlt wenig, daß es wirklich Verse wären. „Alles kehrt wieder, sagen sie; die Blumen, die Sterne, die Schwalben — und du kehrst nie zurück. Die Schwalben sind wieder da, die Du so sehr geliebt hast, mein Kind. Sie haben Dir von einem schönen herrlichen Himmel erzählt, der ganz von Glanz erfüllt ist, und Du hast dich gesehnt, ihn auch zu schauen. Und als sie davon flogen, bist du ihnen gefolgt. Mit ihnen bist Du hinweggezogen, mein Kind; warum kommst Du nicht mit ihnen zurück? Und Ihr Schwalben, die Ihr sie mir entführt habt, warum wollt Ihr sie mir nicht wiederbringen? Ihr wäret um sie, und zusammen habt Ihr eine mildere Sonne, ein schöneres Land gesucht. Wie Ihr, wollte sie einen besseren Ort suchen, aber das Land, dahin meine Tochter zog, ist ein geheimnißvolles Land, von welchem niemand zurückkehrt. . . . Und wäre es eine Mutter, welche riefe — es kehrt niemand zurück!" Man hat den jungen Mädchen ein poetisches und tiefes Gefühl für die Natur einzuflößen gewußt, das Sehnsuchtsvolle der germanischen Poesie. Sie kennen und lieben Euren Goethe und Schiller, und in solcher Gesellschaft muß sich der Geist erhaben fühlen. Ich hoffe aufrichtig, daß Professor Rizzi uns noch ähnliche Bände als Früchte seines Unterrichts bieten wird, und zwar einerseits deshalb, weil unsere Literatur hieraus Gewinn schöpfen würde, und sodann weil es mir scheint, daß die jungen Mädchen, welche so schöne Beweise ihres guten Geschmackes geben, in Zukunft treffliche Mütter und liebenswürdige Gattinnen sein werden, die werth sind, ein glückliches Leben zu leben. Und ein solches wird ihnen jeder Leser des von mir empfohlenen Buches mit mir wünschen. Angelo De Gubernatis.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/125>, abgerufen am 19.05.2024.