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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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welchen durch §. 13 die Rechte "der römisch-katholischen Kirche" im preußischen
Staate garantirt. die also unter der Bezeichnung "römisch-katholisch" mit¬
begriffen sind, während die "Germania" die Bezeichnung "römisch-katholisch" in
§. Is so versteht, oder so zu verstehen sich den Anschein gibt, daß die Alt¬
katholiken durch die Bezeichnung "römisch-katholisch" bei Aufrichtung der
Verfassung schon von der römisch-katholischen Kirche und ihren Rechten aus¬
geschlossen wären. -

Nun haben aber zweifellos vor dem vaticanischen Concil 1870 die beiden
Gegensätze, welche durch das vaticanische Concil auseinander und in offenen
Kampf getreten sind, noch zugleich innerhalb der römisch-katholischen Kirche
gelegen, als das sog. Episcopal- und das sog. Papalsystem, d. h. während
allmählich (die altbrittische Kirche unterwarf sich Rom erst in England 1072
in Irland 1074. in Schottland 1176) das christliche Abendland den Papst
als Oberhaupt anerkannte, war und blieb doch die Ansicht über die Stellung
und Rechte der Papstgewalt, und zwar nach der Reformation, wie vor ihr,
sehr verschieden.

Die Einen, die Episcopalisten, haben dem Papste überall nur einen
xrimaws Kovoris zugestanden, so daß der Papst nicht einmal in disciplin"
(der ganzen äußeren Einrichtung der Kirche) autonom, geschweige in unis
infallibel sei, sondern immer nur seeunclum canonos der Concilien zu ent¬
scheiden habe, mit voller Wahrung der Rechte und Bedeutung der Bischöfe
und Concilien, also ohne Kränkung, geschweige Vernichtung ihrer Rechte.

Die andere Seite, die Curialisten, haben dagegen allerdings, den Wünschen
des römischen Hofes gemäß, und nach der Reformation unter Leitung der
Jesuiten und im Gegensatze zu den Protestanten mit steigendem Erfolge dem
Papste die Stellung und Rechte zugesprochen, zu deren theoretischer tiefster
Begründung durch die Jnfallibilität sich erst das vaticanische Concil her¬
gegeben hat. Denn wenn auch die römische Curie je nach den Verhältnissen
vielfach autonom verfahren war, so ist doch nie das Curialsystem, geschweige
die Jnfallibilität Mös cleelaratkl gewesen.

Wenn aber nun der ganze Standpunkt, den die Altkatholiken vertreten,
vor dem vaticanischen Concil von 1870 noch in der römisch-katholischen Kirche
lag, und die Katholiken dieses Glaubens doch zur römisch-katholischen Kirche
gehörten, insofern auch sie in dem Papste den Einheitspunkt und das Ober¬
haupt der Kirche sahen (denn das haben auch die Episcopalisten gethan), so
sind sie natürlich von der preußischen Verfassung in §. 15 mit begriffen
worden, und der Ausdruck "römisch-katholisch" hat in §. Is und somit in der
preußischen Verfassung einen ganz anderen Sinn, als ihn die "Germania" in
sie hineinlegt, und wie man ihn, nach der realen Entwicklung, jetzt "in dem
augenfälligen Sinne" damit verbinden kann, nur mit dem kleinen Irrthum


welchen durch §. 13 die Rechte „der römisch-katholischen Kirche" im preußischen
Staate garantirt. die also unter der Bezeichnung „römisch-katholisch" mit¬
begriffen sind, während die „Germania" die Bezeichnung „römisch-katholisch" in
§. Is so versteht, oder so zu verstehen sich den Anschein gibt, daß die Alt¬
katholiken durch die Bezeichnung „römisch-katholisch" bei Aufrichtung der
Verfassung schon von der römisch-katholischen Kirche und ihren Rechten aus¬
geschlossen wären. -

Nun haben aber zweifellos vor dem vaticanischen Concil 1870 die beiden
Gegensätze, welche durch das vaticanische Concil auseinander und in offenen
Kampf getreten sind, noch zugleich innerhalb der römisch-katholischen Kirche
gelegen, als das sog. Episcopal- und das sog. Papalsystem, d. h. während
allmählich (die altbrittische Kirche unterwarf sich Rom erst in England 1072
in Irland 1074. in Schottland 1176) das christliche Abendland den Papst
als Oberhaupt anerkannte, war und blieb doch die Ansicht über die Stellung
und Rechte der Papstgewalt, und zwar nach der Reformation, wie vor ihr,
sehr verschieden.

Die Einen, die Episcopalisten, haben dem Papste überall nur einen
xrimaws Kovoris zugestanden, so daß der Papst nicht einmal in disciplin»
(der ganzen äußeren Einrichtung der Kirche) autonom, geschweige in unis
infallibel sei, sondern immer nur seeunclum canonos der Concilien zu ent¬
scheiden habe, mit voller Wahrung der Rechte und Bedeutung der Bischöfe
und Concilien, also ohne Kränkung, geschweige Vernichtung ihrer Rechte.

Die andere Seite, die Curialisten, haben dagegen allerdings, den Wünschen
des römischen Hofes gemäß, und nach der Reformation unter Leitung der
Jesuiten und im Gegensatze zu den Protestanten mit steigendem Erfolge dem
Papste die Stellung und Rechte zugesprochen, zu deren theoretischer tiefster
Begründung durch die Jnfallibilität sich erst das vaticanische Concil her¬
gegeben hat. Denn wenn auch die römische Curie je nach den Verhältnissen
vielfach autonom verfahren war, so ist doch nie das Curialsystem, geschweige
die Jnfallibilität Mös cleelaratkl gewesen.

Wenn aber nun der ganze Standpunkt, den die Altkatholiken vertreten,
vor dem vaticanischen Concil von 1870 noch in der römisch-katholischen Kirche
lag, und die Katholiken dieses Glaubens doch zur römisch-katholischen Kirche
gehörten, insofern auch sie in dem Papste den Einheitspunkt und das Ober¬
haupt der Kirche sahen (denn das haben auch die Episcopalisten gethan), so
sind sie natürlich von der preußischen Verfassung in §. 15 mit begriffen
worden, und der Ausdruck „römisch-katholisch" hat in §. Is und somit in der
preußischen Verfassung einen ganz anderen Sinn, als ihn die „Germania" in
sie hineinlegt, und wie man ihn, nach der realen Entwicklung, jetzt „in dem
augenfälligen Sinne" damit verbinden kann, nur mit dem kleinen Irrthum


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/130>, abgerufen am 27.05.2024.