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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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halten, so ist sie sicher berechtigt, ja sogar verpflichtet, ihre mächtige Hülfe
nicht zu versagen. Von diesem Standpunkte aus können wir daher einen
Anruf des Reiches wenn er in der rechten Weise versucht würde, keineswegs
als völlig hoffnungslos betrachten. Dem Reiche würde es durchaus nicht
schlecht anstehen, durch eine zweite Reichsuniversität mitten im Herzen Deutsch¬
lands seine Sorge für die Hochhaltung der deutschen Wissenschaft und für
die geistigen Interessen praktisch zu beweisen.

Freilich müßte man sich darauf gefaßt machen, die Universität in die
ausschließliche Verwaltung des Reichs fallen zu sehen. Das Reich kann sich
darauf nicht einlassen, nur eine Rate an derselben zu erwerben. Die Gründe,
um derentwillen dies bei Preußen denkbar erscheint, bestehen für das Reich
nicht. Das Reich kann nicht in ein Kommunionsverhältniß mit vier Thüringer
Einzelstaaten eintreten. Andererseits braucht nicht ausgeschlossen zu sein, daß
innerhalb der Reichsverwaltung diejenigen Einzelstaaten, welche sich durch
Fortentrichtung ihrer Beiträge die Erhalterschaft bewahren wollen, entsprechend
berücksichtigt würden.

Ueber die Schwierigkeiten, auf welche die Ausführung auch des Gedankens,
Jena zu einer zweiten Reichsuniversität zu gestalten, stoßen kann, wird sich
Niemand täuschen. Aber sie sind wieder keinenfalls groß genug , um den
ganzen Plan als unausführbar erscheinen zu lassen. Man braucht darum
keineswegs der Meinung zu huldigen, daß überhaupt das ganze deutsche
Universitätswesen dem Reiche zu eigen werden soll. Eine derartige Centrali¬
sation, und würde sie auch in noch so Scheinliebe Formen gekleidet, widerspricht
dem Wesen der deutschen Universitäten und schadet möglicherweise dem für
die Wissenschaft förderlichen Eifer, den die jetzige Konkurrenz der in ver¬
schiedenen Händen befindlichen Universitäten mit sich bringt. Allein diese
Gefahr entsteht nicht im entferntesten, wenn sich das Reich einer einzelnen
Hochschule annimmt. Auf der anderen Seite ist es begreiflich, daß sich, wer
die Jenaische Hochschule Noth leiden sieht und für Deutschland erhalten
möchte, auf das Reich, den Hort in aller Noth, der, wenn nicht Alles trügt,
noch in gar manchen anderen Nöthen seinen starken Arm den Kleinstaaten
wird leihen müssen, seine letzte Hoffnung setzt. Umsomehr als sich mit Recht
ein Jeder sagt, daß unter der Aegide des Reichs am allerersten der selbständige
Geist und die gute Eigenthümlichkeit, deren Jena sich bisher hat rühmen
dürfen, bewahrt bleiben kann.

Für die Thüringer Staaten freilich, denen die Universität Jena gehört,
würde immer selbst die Abgabe an das Reich ein schwerer Schritt sein. Auf
solche Weise vor aller Welt ihre Unfähigkeit zur Erhaltung der obersten
Schule ihrer Länder zu bekennen, ist ein schwerer Schritt. Am schwersten
würde er Weimar ankommen, das sich von jeher redlich bemüht hat, an seinem


halten, so ist sie sicher berechtigt, ja sogar verpflichtet, ihre mächtige Hülfe
nicht zu versagen. Von diesem Standpunkte aus können wir daher einen
Anruf des Reiches wenn er in der rechten Weise versucht würde, keineswegs
als völlig hoffnungslos betrachten. Dem Reiche würde es durchaus nicht
schlecht anstehen, durch eine zweite Reichsuniversität mitten im Herzen Deutsch¬
lands seine Sorge für die Hochhaltung der deutschen Wissenschaft und für
die geistigen Interessen praktisch zu beweisen.

Freilich müßte man sich darauf gefaßt machen, die Universität in die
ausschließliche Verwaltung des Reichs fallen zu sehen. Das Reich kann sich
darauf nicht einlassen, nur eine Rate an derselben zu erwerben. Die Gründe,
um derentwillen dies bei Preußen denkbar erscheint, bestehen für das Reich
nicht. Das Reich kann nicht in ein Kommunionsverhältniß mit vier Thüringer
Einzelstaaten eintreten. Andererseits braucht nicht ausgeschlossen zu sein, daß
innerhalb der Reichsverwaltung diejenigen Einzelstaaten, welche sich durch
Fortentrichtung ihrer Beiträge die Erhalterschaft bewahren wollen, entsprechend
berücksichtigt würden.

Ueber die Schwierigkeiten, auf welche die Ausführung auch des Gedankens,
Jena zu einer zweiten Reichsuniversität zu gestalten, stoßen kann, wird sich
Niemand täuschen. Aber sie sind wieder keinenfalls groß genug , um den
ganzen Plan als unausführbar erscheinen zu lassen. Man braucht darum
keineswegs der Meinung zu huldigen, daß überhaupt das ganze deutsche
Universitätswesen dem Reiche zu eigen werden soll. Eine derartige Centrali¬
sation, und würde sie auch in noch so Scheinliebe Formen gekleidet, widerspricht
dem Wesen der deutschen Universitäten und schadet möglicherweise dem für
die Wissenschaft förderlichen Eifer, den die jetzige Konkurrenz der in ver¬
schiedenen Händen befindlichen Universitäten mit sich bringt. Allein diese
Gefahr entsteht nicht im entferntesten, wenn sich das Reich einer einzelnen
Hochschule annimmt. Auf der anderen Seite ist es begreiflich, daß sich, wer
die Jenaische Hochschule Noth leiden sieht und für Deutschland erhalten
möchte, auf das Reich, den Hort in aller Noth, der, wenn nicht Alles trügt,
noch in gar manchen anderen Nöthen seinen starken Arm den Kleinstaaten
wird leihen müssen, seine letzte Hoffnung setzt. Umsomehr als sich mit Recht
ein Jeder sagt, daß unter der Aegide des Reichs am allerersten der selbständige
Geist und die gute Eigenthümlichkeit, deren Jena sich bisher hat rühmen
dürfen, bewahrt bleiben kann.

Für die Thüringer Staaten freilich, denen die Universität Jena gehört,
würde immer selbst die Abgabe an das Reich ein schwerer Schritt sein. Auf
solche Weise vor aller Welt ihre Unfähigkeit zur Erhaltung der obersten
Schule ihrer Länder zu bekennen, ist ein schwerer Schritt. Am schwersten
würde er Weimar ankommen, das sich von jeher redlich bemüht hat, an seinem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/341>, abgerufen am 17.06.2024.