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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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den Burgundern in die Seite, brachen in ungestümem Anlauf durch Dorn
und Gesträuch und singen an die burgundische Stellung seitwärts aufzurollen.
Bald floh alles, die grimmen Feinde hinterdrein. Karl selbst, unter den
Letzten der Fliehenden, blieb in dem sumpfigen Bette des Baches Laxou stecken
und wurde unerkannt erschlagen. Nackt, durch Wunden fast unkenntlich, ward
sein Leichnam am folgenden Tage aufgefunden und von Herzog Reinhart in
Nanzig mit allen Ehren bestattet. Mit Herzog Karl ward Burgunds An¬
spruch auf eine Großmachtstellung begraben.

Alexander dem Großen, mit dem er sich so gern verglich, war er wenigstens
insofern ähnlich, als auf seiner Person die Größe des burgundischen Namens
allein beruhte, und mit seinem Tode der wohlabgerundete Ländercomplex, den
er besessen, der Zerstückelung entgegenging. Daß der schlaue Ludwig nicht
den Löwenantheil, d. h. die Hand der burgundischen Waise für seinen Dauphin
oder wenigstens deren Erbe, erhielt, das verdankte das Haus Habsburg dem
Bündniß der so schmählich behandelten Eidgenossen. Diese, nach ihrer streitbar-
friedsamen Politik, beanspruchten keine Gebietserweiterung für ihre An¬
strengungen, nur Hochburgund behielten sie besetzt bis zur Zahlung einer
Kriegsentschädigung von 130,000 Gulden. Eins aber war die Frucht ihrer
Patriotischen Anstrengungen: sie waren in militärischer Beziehung anerkannt
die erste Macht im mittleren Europa geworden.

Wir theilen zum Schluß ein Gedicht Matthis Zöller's. eines Berners
aus dem Uechtlande, mit, das in seinen letzten Strophen einen passenden
Rückblick aus das Resultat des Burgunderkrieges wirft:


[Beginn Spaltensatz]
Wohlauf, du fromme Eidgenossenschaft,
Alle, die dem Bunde sind verhaft't,
Der Herzog, von Lothring genannt,
Will uns besolden allesammt;
Zu Nanzig leiden sie große Noth,
Der Burgunder will sie haben todt.

[Spaltenumbruch]
Herzog Reinhart, dem ward kund gethan,
Frist könnten sie nicht länger han,
Von Hunger litten sie große Noth,
In Nanzig hätt' keiner mehr Brot;
Roß, Hunde, Katzen und Mäuse
Waren in der Stadt ihre Speise.
Herzog Reinhart, euch soll hier werden kund
Gcmemlich vor dem starken Bund:
Sie gedenken alle gar wohl daran,
Was ihr zu Murten habt gethan.
Eures Streitens, also ritterlich,
Sollt ihr genießen ewiglich.
Samt Niclas, wir sind hergesandt,
Zu retten dir dein eigen Land.
Nun thu uns deiner Hilfe Schein,
Erzeig' uns auch die Gnade dein,
Wo wir sollen kehren aus
Und anheben diesen Strauß.

[Ende Spaltensatz]

den Burgundern in die Seite, brachen in ungestümem Anlauf durch Dorn
und Gesträuch und singen an die burgundische Stellung seitwärts aufzurollen.
Bald floh alles, die grimmen Feinde hinterdrein. Karl selbst, unter den
Letzten der Fliehenden, blieb in dem sumpfigen Bette des Baches Laxou stecken
und wurde unerkannt erschlagen. Nackt, durch Wunden fast unkenntlich, ward
sein Leichnam am folgenden Tage aufgefunden und von Herzog Reinhart in
Nanzig mit allen Ehren bestattet. Mit Herzog Karl ward Burgunds An¬
spruch auf eine Großmachtstellung begraben.

Alexander dem Großen, mit dem er sich so gern verglich, war er wenigstens
insofern ähnlich, als auf seiner Person die Größe des burgundischen Namens
allein beruhte, und mit seinem Tode der wohlabgerundete Ländercomplex, den
er besessen, der Zerstückelung entgegenging. Daß der schlaue Ludwig nicht
den Löwenantheil, d. h. die Hand der burgundischen Waise für seinen Dauphin
oder wenigstens deren Erbe, erhielt, das verdankte das Haus Habsburg dem
Bündniß der so schmählich behandelten Eidgenossen. Diese, nach ihrer streitbar-
friedsamen Politik, beanspruchten keine Gebietserweiterung für ihre An¬
strengungen, nur Hochburgund behielten sie besetzt bis zur Zahlung einer
Kriegsentschädigung von 130,000 Gulden. Eins aber war die Frucht ihrer
Patriotischen Anstrengungen: sie waren in militärischer Beziehung anerkannt
die erste Macht im mittleren Europa geworden.

Wir theilen zum Schluß ein Gedicht Matthis Zöller's. eines Berners
aus dem Uechtlande, mit, das in seinen letzten Strophen einen passenden
Rückblick aus das Resultat des Burgunderkrieges wirft:


[Beginn Spaltensatz]
Wohlauf, du fromme Eidgenossenschaft,
Alle, die dem Bunde sind verhaft't,
Der Herzog, von Lothring genannt,
Will uns besolden allesammt;
Zu Nanzig leiden sie große Noth,
Der Burgunder will sie haben todt.

[Spaltenumbruch]
Herzog Reinhart, dem ward kund gethan,
Frist könnten sie nicht länger han,
Von Hunger litten sie große Noth,
In Nanzig hätt' keiner mehr Brot;
Roß, Hunde, Katzen und Mäuse
Waren in der Stadt ihre Speise.
Herzog Reinhart, euch soll hier werden kund
Gcmemlich vor dem starken Bund:
Sie gedenken alle gar wohl daran,
Was ihr zu Murten habt gethan.
Eures Streitens, also ritterlich,
Sollt ihr genießen ewiglich.
Samt Niclas, wir sind hergesandt,
Zu retten dir dein eigen Land.
Nun thu uns deiner Hilfe Schein,
Erzeig' uns auch die Gnade dein,
Wo wir sollen kehren aus
Und anheben diesen Strauß.

[Ende Spaltensatz]

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[0523] den Burgundern in die Seite, brachen in ungestümem Anlauf durch Dorn und Gesträuch und singen an die burgundische Stellung seitwärts aufzurollen. Bald floh alles, die grimmen Feinde hinterdrein. Karl selbst, unter den Letzten der Fliehenden, blieb in dem sumpfigen Bette des Baches Laxou stecken und wurde unerkannt erschlagen. Nackt, durch Wunden fast unkenntlich, ward sein Leichnam am folgenden Tage aufgefunden und von Herzog Reinhart in Nanzig mit allen Ehren bestattet. Mit Herzog Karl ward Burgunds An¬ spruch auf eine Großmachtstellung begraben. Alexander dem Großen, mit dem er sich so gern verglich, war er wenigstens insofern ähnlich, als auf seiner Person die Größe des burgundischen Namens allein beruhte, und mit seinem Tode der wohlabgerundete Ländercomplex, den er besessen, der Zerstückelung entgegenging. Daß der schlaue Ludwig nicht den Löwenantheil, d. h. die Hand der burgundischen Waise für seinen Dauphin oder wenigstens deren Erbe, erhielt, das verdankte das Haus Habsburg dem Bündniß der so schmählich behandelten Eidgenossen. Diese, nach ihrer streitbar- friedsamen Politik, beanspruchten keine Gebietserweiterung für ihre An¬ strengungen, nur Hochburgund behielten sie besetzt bis zur Zahlung einer Kriegsentschädigung von 130,000 Gulden. Eins aber war die Frucht ihrer Patriotischen Anstrengungen: sie waren in militärischer Beziehung anerkannt die erste Macht im mittleren Europa geworden. Wir theilen zum Schluß ein Gedicht Matthis Zöller's. eines Berners aus dem Uechtlande, mit, das in seinen letzten Strophen einen passenden Rückblick aus das Resultat des Burgunderkrieges wirft: Wohlauf, du fromme Eidgenossenschaft, Alle, die dem Bunde sind verhaft't, Der Herzog, von Lothring genannt, Will uns besolden allesammt; Zu Nanzig leiden sie große Noth, Der Burgunder will sie haben todt. Herzog Reinhart, dem ward kund gethan, Frist könnten sie nicht länger han, Von Hunger litten sie große Noth, In Nanzig hätt' keiner mehr Brot; Roß, Hunde, Katzen und Mäuse Waren in der Stadt ihre Speise. Herzog Reinhart, euch soll hier werden kund Gcmemlich vor dem starken Bund: Sie gedenken alle gar wohl daran, Was ihr zu Murten habt gethan. Eures Streitens, also ritterlich, Sollt ihr genießen ewiglich. Samt Niclas, wir sind hergesandt, Zu retten dir dein eigen Land. Nun thu uns deiner Hilfe Schein, Erzeig' uns auch die Gnade dein, Wo wir sollen kehren aus Und anheben diesen Strauß.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/523>, abgerufen am 19.05.2024.