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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Me Schlacht von Mola am 24. Ieörmr 1525
das "Sedan" des 16. Jahrhunderts
von
Max Jähns.
>. ^, ^ I., /

Das tragische Schicksal der Niederlage einer kämpfenden Nation scheint
den höchsten dramatischen Ausdruck dann zu finden, wenn das Staats¬
oberhaupt selbst als Kriegsgefangener in des Feindes Hände fällt. -- Kaum
dürfte ein anderes Volk Europas dies Geschick so oft erlitten haben, als die
Franzosen: -- 1356 fiel König Johann bei Portiers in englische Gefangen¬
schaft; 1525 kam König Franz I. bei Pavia in die Gewalt Kaiser Karl's V.,
1814 und 1815 verfiel nach den Schlachten von Paris und Belle-Alliance
Napoleon I. dem gleichen Schicksal, und wir Alle haben es erlebt, wie sich
1870 bei Sedan dies Schauspiel wiederholte. -- Es ist lehrreich, ein solches
Erlebniß zu vergleichen mit einem ähnlichen Ereigniß in weit zurückliegender
Zeit, und so soll denn in den folgenden Blättern ein Bild des Feld-
zugs und der Schlacht von Pavia entrollt werden. Wer es aufmerksam
betrachtet, wird sich bewußt werden des ungeheueren Wachsthums nationaler
Energie, das sich in den viertehalb Jahrhunderten vollzogen hat, die un¬
sere Tage von den Zeiten jener italienischen Kriege trennen, welche die blut¬
getränkte Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit bilden; er wird sich bewußt
werden, daß der Genius der europäischen Völker erhabener, mächtiger, ja
sogar einfacher geworden ist. Nur der kann dies leugnen, der sich den Blick
trüben läßt durch die oberflächlichen Schwankungen des alltäglichen Lebens,
Schwankungen und Erschütterungen, die uns durch das tausendfache Echo der
Tagespresse gewöhnlich weit über das wirkliche Maß gesteigert erscheinen.
Wer sich Ohr und Auge durch diese Dinge nicht gefangen nehmen läßt, der
wird zugestehn, daß der Schwung, mit dem namentlich auch die kriegerischen
Unternehmungen in der Vergangenheit betrieben wurden, dem Flattern kleiner
Vögel gleicht, welche dreißig Mal die Flügel regen müssen, bevor sie eben
den Weg zurücklegen, den der Adler, der stolze Geist modernen Völkerlebens,
nach einem einzigen Schlage seiner gewaltigen Fittige durchschießt.

Die Kriege zwischen Frankreich und Spanien um die Herrschaft in


Grmzbot-n in. 1874. 1
Me Schlacht von Mola am 24. Ieörmr 1525
das „Sedan" des 16. Jahrhunderts
von
Max Jähns.
>. ^, ^ I., /

Das tragische Schicksal der Niederlage einer kämpfenden Nation scheint
den höchsten dramatischen Ausdruck dann zu finden, wenn das Staats¬
oberhaupt selbst als Kriegsgefangener in des Feindes Hände fällt. — Kaum
dürfte ein anderes Volk Europas dies Geschick so oft erlitten haben, als die
Franzosen: — 1356 fiel König Johann bei Portiers in englische Gefangen¬
schaft; 1525 kam König Franz I. bei Pavia in die Gewalt Kaiser Karl's V.,
1814 und 1815 verfiel nach den Schlachten von Paris und Belle-Alliance
Napoleon I. dem gleichen Schicksal, und wir Alle haben es erlebt, wie sich
1870 bei Sedan dies Schauspiel wiederholte. — Es ist lehrreich, ein solches
Erlebniß zu vergleichen mit einem ähnlichen Ereigniß in weit zurückliegender
Zeit, und so soll denn in den folgenden Blättern ein Bild des Feld-
zugs und der Schlacht von Pavia entrollt werden. Wer es aufmerksam
betrachtet, wird sich bewußt werden des ungeheueren Wachsthums nationaler
Energie, das sich in den viertehalb Jahrhunderten vollzogen hat, die un¬
sere Tage von den Zeiten jener italienischen Kriege trennen, welche die blut¬
getränkte Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit bilden; er wird sich bewußt
werden, daß der Genius der europäischen Völker erhabener, mächtiger, ja
sogar einfacher geworden ist. Nur der kann dies leugnen, der sich den Blick
trüben läßt durch die oberflächlichen Schwankungen des alltäglichen Lebens,
Schwankungen und Erschütterungen, die uns durch das tausendfache Echo der
Tagespresse gewöhnlich weit über das wirkliche Maß gesteigert erscheinen.
Wer sich Ohr und Auge durch diese Dinge nicht gefangen nehmen läßt, der
wird zugestehn, daß der Schwung, mit dem namentlich auch die kriegerischen
Unternehmungen in der Vergangenheit betrieben wurden, dem Flattern kleiner
Vögel gleicht, welche dreißig Mal die Flügel regen müssen, bevor sie eben
den Weg zurücklegen, den der Adler, der stolze Geist modernen Völkerlebens,
nach einem einzigen Schlage seiner gewaltigen Fittige durchschießt.

Die Kriege zwischen Frankreich und Spanien um die Herrschaft in


Grmzbot-n in. 1874. 1
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[0009] Me Schlacht von Mola am 24. Ieörmr 1525 das „Sedan" des 16. Jahrhunderts von Max Jähns. >. ^, ^ I., / Das tragische Schicksal der Niederlage einer kämpfenden Nation scheint den höchsten dramatischen Ausdruck dann zu finden, wenn das Staats¬ oberhaupt selbst als Kriegsgefangener in des Feindes Hände fällt. — Kaum dürfte ein anderes Volk Europas dies Geschick so oft erlitten haben, als die Franzosen: — 1356 fiel König Johann bei Portiers in englische Gefangen¬ schaft; 1525 kam König Franz I. bei Pavia in die Gewalt Kaiser Karl's V., 1814 und 1815 verfiel nach den Schlachten von Paris und Belle-Alliance Napoleon I. dem gleichen Schicksal, und wir Alle haben es erlebt, wie sich 1870 bei Sedan dies Schauspiel wiederholte. — Es ist lehrreich, ein solches Erlebniß zu vergleichen mit einem ähnlichen Ereigniß in weit zurückliegender Zeit, und so soll denn in den folgenden Blättern ein Bild des Feld- zugs und der Schlacht von Pavia entrollt werden. Wer es aufmerksam betrachtet, wird sich bewußt werden des ungeheueren Wachsthums nationaler Energie, das sich in den viertehalb Jahrhunderten vollzogen hat, die un¬ sere Tage von den Zeiten jener italienischen Kriege trennen, welche die blut¬ getränkte Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit bilden; er wird sich bewußt werden, daß der Genius der europäischen Völker erhabener, mächtiger, ja sogar einfacher geworden ist. Nur der kann dies leugnen, der sich den Blick trüben läßt durch die oberflächlichen Schwankungen des alltäglichen Lebens, Schwankungen und Erschütterungen, die uns durch das tausendfache Echo der Tagespresse gewöhnlich weit über das wirkliche Maß gesteigert erscheinen. Wer sich Ohr und Auge durch diese Dinge nicht gefangen nehmen läßt, der wird zugestehn, daß der Schwung, mit dem namentlich auch die kriegerischen Unternehmungen in der Vergangenheit betrieben wurden, dem Flattern kleiner Vögel gleicht, welche dreißig Mal die Flügel regen müssen, bevor sie eben den Weg zurücklegen, den der Adler, der stolze Geist modernen Völkerlebens, nach einem einzigen Schlage seiner gewaltigen Fittige durchschießt. Die Kriege zwischen Frankreich und Spanien um die Herrschaft in Grmzbot-n in. 1874. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/9>, abgerufen am 16.06.2024.