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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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bürg. Der mit dieser Sendung betraute Senator hatte nämlich die Weisung
empfangen, den Verkauf und die einstweiligen Verhandlungen einzuleiten.

Eben, als die Sehnsucht des Ministers nach den schönen Gewehren auf
das Höchste stieg, rückte das Protestschreiben des Rostocker Magistrats in die
Residenzstadt ein.

Ward aber der Minister böse! "Was Protest? Wartet, ich will Euch
bei Protesten."

Ein neues Rescript ward geschmettert: "Binnen acht Tagen ist an¬
zuzeigen, daß und wie die Auflösung der Bürgerwehr beendigt ist und binnen
4 Wochen der wirklich vollbrachte Verkauf der Gewehre außerhalb Landes zu
dociren, oder bei Ablauf dieser Frist sind dieselben an die Direktion des Gro߬
herzoglichen Zeughauses in Schwerin abzuliefern."

Leider sollte Schwerin der Appetit nach den hübschen Gewehren noch im¬
mer nicht gestillt werden. Die tausend Obergewehre der Rostocker Bürger¬
garde lagerten schon in Hamburg.

Die Verhandlungen mit einem Kaufliebhaber wurden eingeleitet. Man
hoffte in Rostock auf den besten Erfolg.

Aber o Schrecken! Nun erschien der Deputirte des Rathes und der
Stadt mit einem wahren Leichenbittergesicht: "Wie geht uns das! Wie geht
uns das!"

Was war ihm geschehen? Er hatte richtig, wie ihm aufgetragen war,
den Verkauf eingeleitet. Der Kaufliebhaber aber hieß nicht umsonst John
R. Möller & Co.; als ein geriebener Kaufmann ließ er sich die Kisten mit
den tausend Gewehren öffnen, aber kaufen wollte er die Waffen nicht; die
Gewehre "sind nicht probegemäß".

Das war eine nette Geschichte! Hier drohte das Ministerium mit so
und so viel tausend Erecutionstruppen hinter sich: "Gieb die Gewehre
heraus!" und dort lagen sie nun, heimathlos, in erbrochenen Kisten, im
Ausland, die unglückseligen tausend Schießprügel, die Niemand kaufen wollte.
Und dabei stand das Ende der Frist, welche das Rescript gestellt hatte, nolens
volens vor der Thüre. Der Minister Putzte schon wieder die goldne Brille
und guckte: "Kommen die Gewehre noch nicht?"

Ein fatales Stück! Soviel ist gewiß: John Möller verstand sich auf
den Handel. Als gewiegter Hamburger überschaute er mit ruhigem Auge
die Situation und die Operationsbasis. Er freute ^sich. Er sah dort in
Rostock einen Rath in der Klemme und hier in Hamburg einen Markt, der
überschwemmt war mit Waffen von jeglicher Art, die Niemand kaufen wollte.

Ungezähl nämlich war in jenen Tagen die Menge von Waffen, welche
in Hamburg sich ansammelte. Denn die Entwaffnung der Schleswig'
Holsteinschen und der Ungarischen Armeen und die Auflösung zahlloser


bürg. Der mit dieser Sendung betraute Senator hatte nämlich die Weisung
empfangen, den Verkauf und die einstweiligen Verhandlungen einzuleiten.

Eben, als die Sehnsucht des Ministers nach den schönen Gewehren auf
das Höchste stieg, rückte das Protestschreiben des Rostocker Magistrats in die
Residenzstadt ein.

Ward aber der Minister böse! „Was Protest? Wartet, ich will Euch
bei Protesten."

Ein neues Rescript ward geschmettert: „Binnen acht Tagen ist an¬
zuzeigen, daß und wie die Auflösung der Bürgerwehr beendigt ist und binnen
4 Wochen der wirklich vollbrachte Verkauf der Gewehre außerhalb Landes zu
dociren, oder bei Ablauf dieser Frist sind dieselben an die Direktion des Gro߬
herzoglichen Zeughauses in Schwerin abzuliefern."

Leider sollte Schwerin der Appetit nach den hübschen Gewehren noch im¬
mer nicht gestillt werden. Die tausend Obergewehre der Rostocker Bürger¬
garde lagerten schon in Hamburg.

Die Verhandlungen mit einem Kaufliebhaber wurden eingeleitet. Man
hoffte in Rostock auf den besten Erfolg.

Aber o Schrecken! Nun erschien der Deputirte des Rathes und der
Stadt mit einem wahren Leichenbittergesicht: „Wie geht uns das! Wie geht
uns das!"

Was war ihm geschehen? Er hatte richtig, wie ihm aufgetragen war,
den Verkauf eingeleitet. Der Kaufliebhaber aber hieß nicht umsonst John
R. Möller & Co.; als ein geriebener Kaufmann ließ er sich die Kisten mit
den tausend Gewehren öffnen, aber kaufen wollte er die Waffen nicht; die
Gewehre „sind nicht probegemäß".

Das war eine nette Geschichte! Hier drohte das Ministerium mit so
und so viel tausend Erecutionstruppen hinter sich: „Gieb die Gewehre
heraus!" und dort lagen sie nun, heimathlos, in erbrochenen Kisten, im
Ausland, die unglückseligen tausend Schießprügel, die Niemand kaufen wollte.
Und dabei stand das Ende der Frist, welche das Rescript gestellt hatte, nolens
volens vor der Thüre. Der Minister Putzte schon wieder die goldne Brille
und guckte: „Kommen die Gewehre noch nicht?"

Ein fatales Stück! Soviel ist gewiß: John Möller verstand sich auf
den Handel. Als gewiegter Hamburger überschaute er mit ruhigem Auge
die Situation und die Operationsbasis. Er freute ^sich. Er sah dort in
Rostock einen Rath in der Klemme und hier in Hamburg einen Markt, der
überschwemmt war mit Waffen von jeglicher Art, die Niemand kaufen wollte.

Ungezähl nämlich war in jenen Tagen die Menge von Waffen, welche
in Hamburg sich ansammelte. Denn die Entwaffnung der Schleswig'
Holsteinschen und der Ungarischen Armeen und die Auflösung zahlloser


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[0154] bürg. Der mit dieser Sendung betraute Senator hatte nämlich die Weisung empfangen, den Verkauf und die einstweiligen Verhandlungen einzuleiten. Eben, als die Sehnsucht des Ministers nach den schönen Gewehren auf das Höchste stieg, rückte das Protestschreiben des Rostocker Magistrats in die Residenzstadt ein. Ward aber der Minister böse! „Was Protest? Wartet, ich will Euch bei Protesten." Ein neues Rescript ward geschmettert: „Binnen acht Tagen ist an¬ zuzeigen, daß und wie die Auflösung der Bürgerwehr beendigt ist und binnen 4 Wochen der wirklich vollbrachte Verkauf der Gewehre außerhalb Landes zu dociren, oder bei Ablauf dieser Frist sind dieselben an die Direktion des Gro߬ herzoglichen Zeughauses in Schwerin abzuliefern." Leider sollte Schwerin der Appetit nach den hübschen Gewehren noch im¬ mer nicht gestillt werden. Die tausend Obergewehre der Rostocker Bürger¬ garde lagerten schon in Hamburg. Die Verhandlungen mit einem Kaufliebhaber wurden eingeleitet. Man hoffte in Rostock auf den besten Erfolg. Aber o Schrecken! Nun erschien der Deputirte des Rathes und der Stadt mit einem wahren Leichenbittergesicht: „Wie geht uns das! Wie geht uns das!" Was war ihm geschehen? Er hatte richtig, wie ihm aufgetragen war, den Verkauf eingeleitet. Der Kaufliebhaber aber hieß nicht umsonst John R. Möller & Co.; als ein geriebener Kaufmann ließ er sich die Kisten mit den tausend Gewehren öffnen, aber kaufen wollte er die Waffen nicht; die Gewehre „sind nicht probegemäß". Das war eine nette Geschichte! Hier drohte das Ministerium mit so und so viel tausend Erecutionstruppen hinter sich: „Gieb die Gewehre heraus!" und dort lagen sie nun, heimathlos, in erbrochenen Kisten, im Ausland, die unglückseligen tausend Schießprügel, die Niemand kaufen wollte. Und dabei stand das Ende der Frist, welche das Rescript gestellt hatte, nolens volens vor der Thüre. Der Minister Putzte schon wieder die goldne Brille und guckte: „Kommen die Gewehre noch nicht?" Ein fatales Stück! Soviel ist gewiß: John Möller verstand sich auf den Handel. Als gewiegter Hamburger überschaute er mit ruhigem Auge die Situation und die Operationsbasis. Er freute ^sich. Er sah dort in Rostock einen Rath in der Klemme und hier in Hamburg einen Markt, der überschwemmt war mit Waffen von jeglicher Art, die Niemand kaufen wollte. Ungezähl nämlich war in jenen Tagen die Menge von Waffen, welche in Hamburg sich ansammelte. Denn die Entwaffnung der Schleswig' Holsteinschen und der Ungarischen Armeen und die Auflösung zahlloser

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/154>, abgerufen am 10.06.2024.