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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

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Aber ich frage wieder, womit beglaubigt man diese pessimistische Ansicht
von den sächsischen Dingen? Denn pessimistisch muß ich sie nennen, weil
sie eben keinen Ausweg aus einer für jeden Staat überaus mißlichen und be¬
denklichen Lage, einem Zwiespalt zwischen Regierenden und Regierten zeigt.

Der Verfasser kann für seine Behauptung oder Vermuthung nur seine
angebliche Kenntniß von dem Charakter des Königs Albert anführen, allen¬
falls nach dessen socialen Berührungen mit Personen, die freilich nicht zu den
Freunden liberaler Ideen gehören mögen. Oeffentliche, notorische Kundgebun¬
gen oder Handlungen des Königs in dieser Richtung nennt er nicht. Be¬
stimmende Einwirkungen des Königs auf Acte der Gesetzgebung oder Ver¬
waltung im entgegengesetzten, d. h. liberalen Sinne sind mir auch nicht be¬
kannt. -- Das liegt im Gange des constitutionellen Regierungsapparates;
Kundgebungen aber allerdings einige, und sehr markante. So jenes schmeichel¬
hafte Lob. welches König Albert alsbald nach seiner Thronbesteigung der
Leipziger Glückwunschdeputation in Bezug auf die rührige und gedeihliche
Selbstverwaltung ihrer Stadt spendete und welche damals hier in der Resi¬
denz so übel vermerkt wurde; ferner die sichtlich behagliche Weise, womit der
König, allen Berichten zu Folge, bei seiner bald darauf stattgefundenen län¬
gern Anwesenheit in Leipzig sich daselbst gegeben und geäußert hat. Leipzig
aber ist für Sachsen wohl eigentlich der Brennpunkt der liberalen und außer¬
dem der nationalen Bewegung. Auch das ist nicht unbemerkt geblieben und
hat in gewissen Hof- und Beamtenkreisen manches Kopfschütteln erregt, daß
der König -- trotz der bis zum "Kampf aufs Messer" gespannten Situation
zwischen seinem Ministerium und den National-Liberalen -- selbst mit nam¬
haften Wortführern dieser letzteren auf dem Parquet seines Hofes nach wie vor
in freundlicher und ungezwungener Weise verkehrt hat. Bei dem offenen jeder
Verstellung entschieden fremden Wesen König Albert's, welches auch der Ver¬
fasser jenes Artikels hervorhebt, wäre aber dies kaum vereinbar mit einer prin¬
zipiell antipodischen Stellung des Königs zu den liberalen Zeittdeen und deren
Trägern.

Noch bedenklicher klingt, was in jenem Artikel von des neuen Königs
Stellung zum Reiche gesagt ist. Wäre dies begründet, dann allerdings er¬
hielt ein Wort, das Minister von Nostiz in leidenschaftlicher Hitze in der
Kammer sprach, eine verhängnißvolle Wahrheit. Aber nein und aber nein!
Daß es eine Partei, oder, sage ich lieber, eine Coterie in Sachsen geben mag,
die so denkt, will ich nicht bezweifeln; auch nicht, daß diese Coterie ihren
kleinen Groll gern mit der Autorität jenes'höchsten Namens bewaffnen möchte-
Zu beklagen hat min vielleicht, daß solche Versuche nicht energischer, osten¬
sibler zurückgestoßen und dahin, wohin sie gehören, verwiesen werden. Aber
das ist auch Alles.


Aber ich frage wieder, womit beglaubigt man diese pessimistische Ansicht
von den sächsischen Dingen? Denn pessimistisch muß ich sie nennen, weil
sie eben keinen Ausweg aus einer für jeden Staat überaus mißlichen und be¬
denklichen Lage, einem Zwiespalt zwischen Regierenden und Regierten zeigt.

Der Verfasser kann für seine Behauptung oder Vermuthung nur seine
angebliche Kenntniß von dem Charakter des Königs Albert anführen, allen¬
falls nach dessen socialen Berührungen mit Personen, die freilich nicht zu den
Freunden liberaler Ideen gehören mögen. Oeffentliche, notorische Kundgebun¬
gen oder Handlungen des Königs in dieser Richtung nennt er nicht. Be¬
stimmende Einwirkungen des Königs auf Acte der Gesetzgebung oder Ver¬
waltung im entgegengesetzten, d. h. liberalen Sinne sind mir auch nicht be¬
kannt. — Das liegt im Gange des constitutionellen Regierungsapparates;
Kundgebungen aber allerdings einige, und sehr markante. So jenes schmeichel¬
hafte Lob. welches König Albert alsbald nach seiner Thronbesteigung der
Leipziger Glückwunschdeputation in Bezug auf die rührige und gedeihliche
Selbstverwaltung ihrer Stadt spendete und welche damals hier in der Resi¬
denz so übel vermerkt wurde; ferner die sichtlich behagliche Weise, womit der
König, allen Berichten zu Folge, bei seiner bald darauf stattgefundenen län¬
gern Anwesenheit in Leipzig sich daselbst gegeben und geäußert hat. Leipzig
aber ist für Sachsen wohl eigentlich der Brennpunkt der liberalen und außer¬
dem der nationalen Bewegung. Auch das ist nicht unbemerkt geblieben und
hat in gewissen Hof- und Beamtenkreisen manches Kopfschütteln erregt, daß
der König — trotz der bis zum „Kampf aufs Messer" gespannten Situation
zwischen seinem Ministerium und den National-Liberalen — selbst mit nam¬
haften Wortführern dieser letzteren auf dem Parquet seines Hofes nach wie vor
in freundlicher und ungezwungener Weise verkehrt hat. Bei dem offenen jeder
Verstellung entschieden fremden Wesen König Albert's, welches auch der Ver¬
fasser jenes Artikels hervorhebt, wäre aber dies kaum vereinbar mit einer prin¬
zipiell antipodischen Stellung des Königs zu den liberalen Zeittdeen und deren
Trägern.

Noch bedenklicher klingt, was in jenem Artikel von des neuen Königs
Stellung zum Reiche gesagt ist. Wäre dies begründet, dann allerdings er¬
hielt ein Wort, das Minister von Nostiz in leidenschaftlicher Hitze in der
Kammer sprach, eine verhängnißvolle Wahrheit. Aber nein und aber nein!
Daß es eine Partei, oder, sage ich lieber, eine Coterie in Sachsen geben mag,
die so denkt, will ich nicht bezweifeln; auch nicht, daß diese Coterie ihren
kleinen Groll gern mit der Autorität jenes'höchsten Namens bewaffnen möchte-
Zu beklagen hat min vielleicht, daß solche Versuche nicht energischer, osten¬
sibler zurückgestoßen und dahin, wohin sie gehören, verwiesen werden. Aber
das ist auch Alles.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/356>, abgerufen am 10.06.2024.