Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Auge erkennen kann, um dadurch weniger an die persönliche Aehnlichkeit ge¬
bunden zu sein?

Ich sollte denken, daß derartige nationale Denkmäler, die jedenfalls eine
große Erziehungsaufgabe erfüllen, indem sie dem Volke tagtäglich seine Ge¬
schichte predigen, nur dann diesen ihren Zweck ganz erfüllen können, wenn
man sich durch sie auch die Gesichtszüge der edeln Vaterlandsvertheidiger, der
großen Helden, die der Stolz der ganzen Nation sind, einprägen kann.

Allerdings hat das englische Volk außer den auf den Straßen und
Plätzen aufgestellten Monumenten noch eine große Anzahl von Denkmälern,
die in den hervorragenden Kirchen, zum Andenken an berühmte und nicht
berühmte Männer errichtet worden sind, und die bei der englischen Sonntags¬
feier, die den Menschen förmlich zum Kirchenbesuch zwingt, allerdings auch
oft und deutlich dem Volke seine Geschichte predigen. Unter den Kirchen
dieser Art, die dadurch gewissermaßen zu einem Pantheon werden, sind vor
allen andern die Westminster Abtei und die Paulskirche zu nennen. Die
beiden großartigen Bauten sind schon an sich höchst sehenswerth, aber sie
werden durch den Reichthum ihrer Monumente noch weit bedeutender. Be¬
sonders die Westminster Abtei entrollt mit ihren theilweise wunderschönen
Grabdenkmälern ein gut Stück englischer Geschichte vor den Augen und die
nahe gelegene Westminster Halle mit dem neuen großartigen Parlamentsge¬
bäude und dem prachtvollen Monument von Richard Löwenherz vor dem¬
selben vereinigen sich alle mit den tausend Erinnerungen weltgeschichtlicher
Ereignisse, die sich daran knüpfen, um das Bild zu vollenden.

Diese kleine Gruppe großer, alter und neuer Gebäude, die sich hier eng¬
gedrängt zusammen finden, dürften wohl ihres Gleichen auf der Welt suchen,
nicht sowohl wegen ihrer äußern Erscheinung, als wegen der Fülle nationaler
Denkmäler und geschichtlicher Erinnerungen, die sich an sie knüpfen.

Hier ruhen Königin Elisabeth und Maria Stuart in derselben Kapelle,
hier sind die sämmtlichen berühmten englischen Staatsmänner, die Pitts,
Canning, Fox, durch Denkmäler geehrt, hier ruhen in der Poets'Comer die
gefeiertsten englischen Dichter neben unserm deutschen Händel, hier sind die
Koriphäen der Wissenschaften und die erfinderischen Genies beigesetzt.

Und drüben im neuen Parlamentsgebäude mit seiner soliden Pracht,
seinen einzig schönen Hallen und beinahe übertrieben geschäftsmäßigen Sitzungs¬
sälen sind wieder die sämmtlichen Fürsten und Fürstinnen Englands und
Schottlands in friedlichster Eintracht bildlich dargestellt, wie wenn sie sich nie
im Leben bitter angefeindet hätten. Und die großen bildlichen Darstellungen
an den Wänden der Hallen und Corridore beschäftigen sich beinahe aus¬
schließlich mit den erbitterten Kämpfen zwischen Krone und Parlament,
zwischen Ober- und Unterhaus. Hier wird gerade durch die Darstellung dieser


Auge erkennen kann, um dadurch weniger an die persönliche Aehnlichkeit ge¬
bunden zu sein?

Ich sollte denken, daß derartige nationale Denkmäler, die jedenfalls eine
große Erziehungsaufgabe erfüllen, indem sie dem Volke tagtäglich seine Ge¬
schichte predigen, nur dann diesen ihren Zweck ganz erfüllen können, wenn
man sich durch sie auch die Gesichtszüge der edeln Vaterlandsvertheidiger, der
großen Helden, die der Stolz der ganzen Nation sind, einprägen kann.

Allerdings hat das englische Volk außer den auf den Straßen und
Plätzen aufgestellten Monumenten noch eine große Anzahl von Denkmälern,
die in den hervorragenden Kirchen, zum Andenken an berühmte und nicht
berühmte Männer errichtet worden sind, und die bei der englischen Sonntags¬
feier, die den Menschen förmlich zum Kirchenbesuch zwingt, allerdings auch
oft und deutlich dem Volke seine Geschichte predigen. Unter den Kirchen
dieser Art, die dadurch gewissermaßen zu einem Pantheon werden, sind vor
allen andern die Westminster Abtei und die Paulskirche zu nennen. Die
beiden großartigen Bauten sind schon an sich höchst sehenswerth, aber sie
werden durch den Reichthum ihrer Monumente noch weit bedeutender. Be¬
sonders die Westminster Abtei entrollt mit ihren theilweise wunderschönen
Grabdenkmälern ein gut Stück englischer Geschichte vor den Augen und die
nahe gelegene Westminster Halle mit dem neuen großartigen Parlamentsge¬
bäude und dem prachtvollen Monument von Richard Löwenherz vor dem¬
selben vereinigen sich alle mit den tausend Erinnerungen weltgeschichtlicher
Ereignisse, die sich daran knüpfen, um das Bild zu vollenden.

Diese kleine Gruppe großer, alter und neuer Gebäude, die sich hier eng¬
gedrängt zusammen finden, dürften wohl ihres Gleichen auf der Welt suchen,
nicht sowohl wegen ihrer äußern Erscheinung, als wegen der Fülle nationaler
Denkmäler und geschichtlicher Erinnerungen, die sich an sie knüpfen.

Hier ruhen Königin Elisabeth und Maria Stuart in derselben Kapelle,
hier sind die sämmtlichen berühmten englischen Staatsmänner, die Pitts,
Canning, Fox, durch Denkmäler geehrt, hier ruhen in der Poets'Comer die
gefeiertsten englischen Dichter neben unserm deutschen Händel, hier sind die
Koriphäen der Wissenschaften und die erfinderischen Genies beigesetzt.

Und drüben im neuen Parlamentsgebäude mit seiner soliden Pracht,
seinen einzig schönen Hallen und beinahe übertrieben geschäftsmäßigen Sitzungs¬
sälen sind wieder die sämmtlichen Fürsten und Fürstinnen Englands und
Schottlands in friedlichster Eintracht bildlich dargestellt, wie wenn sie sich nie
im Leben bitter angefeindet hätten. Und die großen bildlichen Darstellungen
an den Wänden der Hallen und Corridore beschäftigen sich beinahe aus¬
schließlich mit den erbitterten Kämpfen zwischen Krone und Parlament,
zwischen Ober- und Unterhaus. Hier wird gerade durch die Darstellung dieser


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/132726"/>
          <p xml:id="ID_1482" prev="#ID_1481"> Auge erkennen kann, um dadurch weniger an die persönliche Aehnlichkeit ge¬<lb/>
bunden zu sein?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1483"> Ich sollte denken, daß derartige nationale Denkmäler, die jedenfalls eine<lb/>
große Erziehungsaufgabe erfüllen, indem sie dem Volke tagtäglich seine Ge¬<lb/>
schichte predigen, nur dann diesen ihren Zweck ganz erfüllen können, wenn<lb/>
man sich durch sie auch die Gesichtszüge der edeln Vaterlandsvertheidiger, der<lb/>
großen Helden, die der Stolz der ganzen Nation sind, einprägen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1484"> Allerdings hat das englische Volk außer den auf den Straßen und<lb/>
Plätzen aufgestellten Monumenten noch eine große Anzahl von Denkmälern,<lb/>
die in den hervorragenden Kirchen, zum Andenken an berühmte und nicht<lb/>
berühmte Männer errichtet worden sind, und die bei der englischen Sonntags¬<lb/>
feier, die den Menschen förmlich zum Kirchenbesuch zwingt, allerdings auch<lb/>
oft und deutlich dem Volke seine Geschichte predigen. Unter den Kirchen<lb/>
dieser Art, die dadurch gewissermaßen zu einem Pantheon werden, sind vor<lb/>
allen andern die Westminster Abtei und die Paulskirche zu nennen. Die<lb/>
beiden großartigen Bauten sind schon an sich höchst sehenswerth, aber sie<lb/>
werden durch den Reichthum ihrer Monumente noch weit bedeutender. Be¬<lb/>
sonders die Westminster Abtei entrollt mit ihren theilweise wunderschönen<lb/>
Grabdenkmälern ein gut Stück englischer Geschichte vor den Augen und die<lb/>
nahe gelegene Westminster Halle mit dem neuen großartigen Parlamentsge¬<lb/>
bäude und dem prachtvollen Monument von Richard Löwenherz vor dem¬<lb/>
selben vereinigen sich alle mit den tausend Erinnerungen weltgeschichtlicher<lb/>
Ereignisse, die sich daran knüpfen, um das Bild zu vollenden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1485"> Diese kleine Gruppe großer, alter und neuer Gebäude, die sich hier eng¬<lb/>
gedrängt zusammen finden, dürften wohl ihres Gleichen auf der Welt suchen,<lb/>
nicht sowohl wegen ihrer äußern Erscheinung, als wegen der Fülle nationaler<lb/>
Denkmäler und geschichtlicher Erinnerungen, die sich an sie knüpfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1486"> Hier ruhen Königin Elisabeth und Maria Stuart in derselben Kapelle,<lb/>
hier sind die sämmtlichen berühmten englischen Staatsmänner, die Pitts,<lb/>
Canning, Fox, durch Denkmäler geehrt, hier ruhen in der Poets'Comer die<lb/>
gefeiertsten englischen Dichter neben unserm deutschen Händel, hier sind die<lb/>
Koriphäen der Wissenschaften und die erfinderischen Genies beigesetzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1487" next="#ID_1488"> Und drüben im neuen Parlamentsgebäude mit seiner soliden Pracht,<lb/>
seinen einzig schönen Hallen und beinahe übertrieben geschäftsmäßigen Sitzungs¬<lb/>
sälen sind wieder die sämmtlichen Fürsten und Fürstinnen Englands und<lb/>
Schottlands in friedlichster Eintracht bildlich dargestellt, wie wenn sie sich nie<lb/>
im Leben bitter angefeindet hätten. Und die großen bildlichen Darstellungen<lb/>
an den Wänden der Hallen und Corridore beschäftigen sich beinahe aus¬<lb/>
schließlich mit den erbitterten Kämpfen zwischen Krone und Parlament,<lb/>
zwischen Ober- und Unterhaus. Hier wird gerade durch die Darstellung dieser</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0504] Auge erkennen kann, um dadurch weniger an die persönliche Aehnlichkeit ge¬ bunden zu sein? Ich sollte denken, daß derartige nationale Denkmäler, die jedenfalls eine große Erziehungsaufgabe erfüllen, indem sie dem Volke tagtäglich seine Ge¬ schichte predigen, nur dann diesen ihren Zweck ganz erfüllen können, wenn man sich durch sie auch die Gesichtszüge der edeln Vaterlandsvertheidiger, der großen Helden, die der Stolz der ganzen Nation sind, einprägen kann. Allerdings hat das englische Volk außer den auf den Straßen und Plätzen aufgestellten Monumenten noch eine große Anzahl von Denkmälern, die in den hervorragenden Kirchen, zum Andenken an berühmte und nicht berühmte Männer errichtet worden sind, und die bei der englischen Sonntags¬ feier, die den Menschen förmlich zum Kirchenbesuch zwingt, allerdings auch oft und deutlich dem Volke seine Geschichte predigen. Unter den Kirchen dieser Art, die dadurch gewissermaßen zu einem Pantheon werden, sind vor allen andern die Westminster Abtei und die Paulskirche zu nennen. Die beiden großartigen Bauten sind schon an sich höchst sehenswerth, aber sie werden durch den Reichthum ihrer Monumente noch weit bedeutender. Be¬ sonders die Westminster Abtei entrollt mit ihren theilweise wunderschönen Grabdenkmälern ein gut Stück englischer Geschichte vor den Augen und die nahe gelegene Westminster Halle mit dem neuen großartigen Parlamentsge¬ bäude und dem prachtvollen Monument von Richard Löwenherz vor dem¬ selben vereinigen sich alle mit den tausend Erinnerungen weltgeschichtlicher Ereignisse, die sich daran knüpfen, um das Bild zu vollenden. Diese kleine Gruppe großer, alter und neuer Gebäude, die sich hier eng¬ gedrängt zusammen finden, dürften wohl ihres Gleichen auf der Welt suchen, nicht sowohl wegen ihrer äußern Erscheinung, als wegen der Fülle nationaler Denkmäler und geschichtlicher Erinnerungen, die sich an sie knüpfen. Hier ruhen Königin Elisabeth und Maria Stuart in derselben Kapelle, hier sind die sämmtlichen berühmten englischen Staatsmänner, die Pitts, Canning, Fox, durch Denkmäler geehrt, hier ruhen in der Poets'Comer die gefeiertsten englischen Dichter neben unserm deutschen Händel, hier sind die Koriphäen der Wissenschaften und die erfinderischen Genies beigesetzt. Und drüben im neuen Parlamentsgebäude mit seiner soliden Pracht, seinen einzig schönen Hallen und beinahe übertrieben geschäftsmäßigen Sitzungs¬ sälen sind wieder die sämmtlichen Fürsten und Fürstinnen Englands und Schottlands in friedlichster Eintracht bildlich dargestellt, wie wenn sie sich nie im Leben bitter angefeindet hätten. Und die großen bildlichen Darstellungen an den Wänden der Hallen und Corridore beschäftigen sich beinahe aus¬ schließlich mit den erbitterten Kämpfen zwischen Krone und Parlament, zwischen Ober- und Unterhaus. Hier wird gerade durch die Darstellung dieser

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/504
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359154/504>, abgerufen am 10.06.2024.