Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner Bürger; sie werden eine Warnung sein für alle künftigen Generationen.
Und daß sie das sein können, daß der schädliche, für die freiheitliche Ent¬
wickelung des amerikanischen Volkes fast tödtliche Hauch dieser Ereignisse bei
Zeiten in ihrer ganzen Gefährlichkeit erkannt wurde, verdanken wir haupt¬
sächlich dem tapferen Senator von Missouri, unserem Landsmann Karl Schurz.
-- Den Gang der Begebenheiten selbst kurz, aber doch erschöpfend, zu schildern
überlassen wir unten diesem Manne selbst. Wir wollen aber doch selbst vor¬
her kurz feststellen, wie die Masse des amerikanischen Volkes, oder der Reprä¬
sentanten desselben, die wir bis jetzt hier vernehmen konnten, wie die Presse
und die Mitglieder des Congresses über die traurigen Begebenheiten urtheilen.

Jahre lang war es Grundsatz der herrschenden, sogenannten republikani¬
schen Partei, durch ihre Presse, durch ihre Sprecher das Volk des Nordens
in den Glauben zu wiegen, die Neger der früheren Rebellenstaaten seien in
ihrer Existenz selbst bedroht, wenn sie nicht durch die Regierung direct be¬
schützt würden, wenn dem Einfluß der Weißen des Südens, der früheren
Rebellen und Hochverräther, nicht mit allen erlaubten Mitteln entgegengewirkt
würde. Die ersten Jahre nach dem Rebellionskrieg fand diese Behauptung
viele willige Verfechter und Anhänger -- waren doch die Südländer erbitterte
Feinde der Union gewesen, während die Schwarzen die einzigen waren, welche
den gefangenen Unionisten ihre Leiden zu mildern strebten, ja häufig mit
Gefahr für das eigene Leben denselben zur Flucht verhalfen. -- Diese Freunde
der "Sache" mußten beschützt und belohnt werden. Beides geschah am Besten,
dachte man, wenn dieselben die vollen Bürgerrechte erhielten, wenn sie auch
ihre Vertreter, sowohl zu den staatlichen Legislaturen als zu dem Congreß
der Ver. Staaten wählen durften. Es geschah -- Vier Millionen Sclaven
wurden freie Bürger, kurz darauf auch Bürger, die mit allen Bürgerrechten
ausgestattet wurden. Nahezu eine Million Wähler wurde geschaffen, deren
überwiegende Majorität bisher kaum einen Begriff von staatlichen Einrich¬
tungen kannte, geschweige denn die nöthige Bildung besaß, um selbst Vertreter
des Volkes aus ihrer Mitte zu wählen, die geeignet gewesen wären, das
wichtigste aller Volksrechte zu üben, Gesetze zu schaffen. Die Weißen des
Südens dagegen waren die ersten Jahre nach Beendigung des Kriegs zum
größten Theil entrechtet. Alle die Männer, deren oft hohe Bildung sie dazu
befähigte, die Staatsgeschäfte zu leiten, waren aller ihrer bürgerlichen Rechte
beraubt, -- als Rebellen. Diese Verhältnisse benutzten Abenteurer aus dem
Norden, welche alle "Helden für die Union" gewesen waren, um sich von
den Schwarzen zu ihren Vertretern in den Legislaturen, zu ihren Gouver¬
neuren, zu ihren Congreßmitgliedern wählen zu lassen. So entstand in den
meisten früheren Nebellenstaaten, eine Regierungspartei und Clique, deren
einziger Zweck war, mit Hülfe der schwarzen Wähler sich im Besitz der Macht


seiner Bürger; sie werden eine Warnung sein für alle künftigen Generationen.
Und daß sie das sein können, daß der schädliche, für die freiheitliche Ent¬
wickelung des amerikanischen Volkes fast tödtliche Hauch dieser Ereignisse bei
Zeiten in ihrer ganzen Gefährlichkeit erkannt wurde, verdanken wir haupt¬
sächlich dem tapferen Senator von Missouri, unserem Landsmann Karl Schurz.
— Den Gang der Begebenheiten selbst kurz, aber doch erschöpfend, zu schildern
überlassen wir unten diesem Manne selbst. Wir wollen aber doch selbst vor¬
her kurz feststellen, wie die Masse des amerikanischen Volkes, oder der Reprä¬
sentanten desselben, die wir bis jetzt hier vernehmen konnten, wie die Presse
und die Mitglieder des Congresses über die traurigen Begebenheiten urtheilen.

Jahre lang war es Grundsatz der herrschenden, sogenannten republikani¬
schen Partei, durch ihre Presse, durch ihre Sprecher das Volk des Nordens
in den Glauben zu wiegen, die Neger der früheren Rebellenstaaten seien in
ihrer Existenz selbst bedroht, wenn sie nicht durch die Regierung direct be¬
schützt würden, wenn dem Einfluß der Weißen des Südens, der früheren
Rebellen und Hochverräther, nicht mit allen erlaubten Mitteln entgegengewirkt
würde. Die ersten Jahre nach dem Rebellionskrieg fand diese Behauptung
viele willige Verfechter und Anhänger — waren doch die Südländer erbitterte
Feinde der Union gewesen, während die Schwarzen die einzigen waren, welche
den gefangenen Unionisten ihre Leiden zu mildern strebten, ja häufig mit
Gefahr für das eigene Leben denselben zur Flucht verhalfen. — Diese Freunde
der „Sache" mußten beschützt und belohnt werden. Beides geschah am Besten,
dachte man, wenn dieselben die vollen Bürgerrechte erhielten, wenn sie auch
ihre Vertreter, sowohl zu den staatlichen Legislaturen als zu dem Congreß
der Ver. Staaten wählen durften. Es geschah — Vier Millionen Sclaven
wurden freie Bürger, kurz darauf auch Bürger, die mit allen Bürgerrechten
ausgestattet wurden. Nahezu eine Million Wähler wurde geschaffen, deren
überwiegende Majorität bisher kaum einen Begriff von staatlichen Einrich¬
tungen kannte, geschweige denn die nöthige Bildung besaß, um selbst Vertreter
des Volkes aus ihrer Mitte zu wählen, die geeignet gewesen wären, das
wichtigste aller Volksrechte zu üben, Gesetze zu schaffen. Die Weißen des
Südens dagegen waren die ersten Jahre nach Beendigung des Kriegs zum
größten Theil entrechtet. Alle die Männer, deren oft hohe Bildung sie dazu
befähigte, die Staatsgeschäfte zu leiten, waren aller ihrer bürgerlichen Rechte
beraubt, — als Rebellen. Diese Verhältnisse benutzten Abenteurer aus dem
Norden, welche alle „Helden für die Union" gewesen waren, um sich von
den Schwarzen zu ihren Vertretern in den Legislaturen, zu ihren Gouver¬
neuren, zu ihren Congreßmitgliedern wählen zu lassen. So entstand in den
meisten früheren Nebellenstaaten, eine Regierungspartei und Clique, deren
einziger Zweck war, mit Hülfe der schwarzen Wähler sich im Besitz der Macht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/133004"/>
          <p xml:id="ID_809" prev="#ID_808"> seiner Bürger; sie werden eine Warnung sein für alle künftigen Generationen.<lb/>
Und daß sie das sein können, daß der schädliche, für die freiheitliche Ent¬<lb/>
wickelung des amerikanischen Volkes fast tödtliche Hauch dieser Ereignisse bei<lb/>
Zeiten in ihrer ganzen Gefährlichkeit erkannt wurde, verdanken wir haupt¬<lb/>
sächlich dem tapferen Senator von Missouri, unserem Landsmann Karl Schurz.<lb/>
&#x2014; Den Gang der Begebenheiten selbst kurz, aber doch erschöpfend, zu schildern<lb/>
überlassen wir unten diesem Manne selbst. Wir wollen aber doch selbst vor¬<lb/>
her kurz feststellen, wie die Masse des amerikanischen Volkes, oder der Reprä¬<lb/>
sentanten desselben, die wir bis jetzt hier vernehmen konnten, wie die Presse<lb/>
und die Mitglieder des Congresses über die traurigen Begebenheiten urtheilen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_810" next="#ID_811"> Jahre lang war es Grundsatz der herrschenden, sogenannten republikani¬<lb/>
schen Partei, durch ihre Presse, durch ihre Sprecher das Volk des Nordens<lb/>
in den Glauben zu wiegen, die Neger der früheren Rebellenstaaten seien in<lb/>
ihrer Existenz selbst bedroht, wenn sie nicht durch die Regierung direct be¬<lb/>
schützt würden, wenn dem Einfluß der Weißen des Südens, der früheren<lb/>
Rebellen und Hochverräther, nicht mit allen erlaubten Mitteln entgegengewirkt<lb/>
würde. Die ersten Jahre nach dem Rebellionskrieg fand diese Behauptung<lb/>
viele willige Verfechter und Anhänger &#x2014; waren doch die Südländer erbitterte<lb/>
Feinde der Union gewesen, während die Schwarzen die einzigen waren, welche<lb/>
den gefangenen Unionisten ihre Leiden zu mildern strebten, ja häufig mit<lb/>
Gefahr für das eigene Leben denselben zur Flucht verhalfen. &#x2014; Diese Freunde<lb/>
der &#x201E;Sache" mußten beschützt und belohnt werden. Beides geschah am Besten,<lb/>
dachte man, wenn dieselben die vollen Bürgerrechte erhielten, wenn sie auch<lb/>
ihre Vertreter, sowohl zu den staatlichen Legislaturen als zu dem Congreß<lb/>
der Ver. Staaten wählen durften. Es geschah &#x2014; Vier Millionen Sclaven<lb/>
wurden freie Bürger, kurz darauf auch Bürger, die mit allen Bürgerrechten<lb/>
ausgestattet wurden. Nahezu eine Million Wähler wurde geschaffen, deren<lb/>
überwiegende Majorität bisher kaum einen Begriff von staatlichen Einrich¬<lb/>
tungen kannte, geschweige denn die nöthige Bildung besaß, um selbst Vertreter<lb/>
des Volkes aus ihrer Mitte zu wählen, die geeignet gewesen wären, das<lb/>
wichtigste aller Volksrechte zu üben, Gesetze zu schaffen. Die Weißen des<lb/>
Südens dagegen waren die ersten Jahre nach Beendigung des Kriegs zum<lb/>
größten Theil entrechtet. Alle die Männer, deren oft hohe Bildung sie dazu<lb/>
befähigte, die Staatsgeschäfte zu leiten, waren aller ihrer bürgerlichen Rechte<lb/>
beraubt, &#x2014; als Rebellen. Diese Verhältnisse benutzten Abenteurer aus dem<lb/>
Norden, welche alle &#x201E;Helden für die Union" gewesen waren, um sich von<lb/>
den Schwarzen zu ihren Vertretern in den Legislaturen, zu ihren Gouver¬<lb/>
neuren, zu ihren Congreßmitgliedern wählen zu lassen. So entstand in den<lb/>
meisten früheren Nebellenstaaten, eine Regierungspartei und Clique, deren<lb/>
einziger Zweck war, mit Hülfe der schwarzen Wähler sich im Besitz der Macht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0242] seiner Bürger; sie werden eine Warnung sein für alle künftigen Generationen. Und daß sie das sein können, daß der schädliche, für die freiheitliche Ent¬ wickelung des amerikanischen Volkes fast tödtliche Hauch dieser Ereignisse bei Zeiten in ihrer ganzen Gefährlichkeit erkannt wurde, verdanken wir haupt¬ sächlich dem tapferen Senator von Missouri, unserem Landsmann Karl Schurz. — Den Gang der Begebenheiten selbst kurz, aber doch erschöpfend, zu schildern überlassen wir unten diesem Manne selbst. Wir wollen aber doch selbst vor¬ her kurz feststellen, wie die Masse des amerikanischen Volkes, oder der Reprä¬ sentanten desselben, die wir bis jetzt hier vernehmen konnten, wie die Presse und die Mitglieder des Congresses über die traurigen Begebenheiten urtheilen. Jahre lang war es Grundsatz der herrschenden, sogenannten republikani¬ schen Partei, durch ihre Presse, durch ihre Sprecher das Volk des Nordens in den Glauben zu wiegen, die Neger der früheren Rebellenstaaten seien in ihrer Existenz selbst bedroht, wenn sie nicht durch die Regierung direct be¬ schützt würden, wenn dem Einfluß der Weißen des Südens, der früheren Rebellen und Hochverräther, nicht mit allen erlaubten Mitteln entgegengewirkt würde. Die ersten Jahre nach dem Rebellionskrieg fand diese Behauptung viele willige Verfechter und Anhänger — waren doch die Südländer erbitterte Feinde der Union gewesen, während die Schwarzen die einzigen waren, welche den gefangenen Unionisten ihre Leiden zu mildern strebten, ja häufig mit Gefahr für das eigene Leben denselben zur Flucht verhalfen. — Diese Freunde der „Sache" mußten beschützt und belohnt werden. Beides geschah am Besten, dachte man, wenn dieselben die vollen Bürgerrechte erhielten, wenn sie auch ihre Vertreter, sowohl zu den staatlichen Legislaturen als zu dem Congreß der Ver. Staaten wählen durften. Es geschah — Vier Millionen Sclaven wurden freie Bürger, kurz darauf auch Bürger, die mit allen Bürgerrechten ausgestattet wurden. Nahezu eine Million Wähler wurde geschaffen, deren überwiegende Majorität bisher kaum einen Begriff von staatlichen Einrich¬ tungen kannte, geschweige denn die nöthige Bildung besaß, um selbst Vertreter des Volkes aus ihrer Mitte zu wählen, die geeignet gewesen wären, das wichtigste aller Volksrechte zu üben, Gesetze zu schaffen. Die Weißen des Südens dagegen waren die ersten Jahre nach Beendigung des Kriegs zum größten Theil entrechtet. Alle die Männer, deren oft hohe Bildung sie dazu befähigte, die Staatsgeschäfte zu leiten, waren aller ihrer bürgerlichen Rechte beraubt, — als Rebellen. Diese Verhältnisse benutzten Abenteurer aus dem Norden, welche alle „Helden für die Union" gewesen waren, um sich von den Schwarzen zu ihren Vertretern in den Legislaturen, zu ihren Gouver¬ neuren, zu ihren Congreßmitgliedern wählen zu lassen. So entstand in den meisten früheren Nebellenstaaten, eine Regierungspartei und Clique, deren einziger Zweck war, mit Hülfe der schwarzen Wähler sich im Besitz der Macht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/242
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/242>, abgerufen am 27.05.2024.