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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Nach einer halbtägigen guten Fahrt erhub sich ein Sturm, der so heftig
wurde, daß er uns in die größte Lebensgefahr setzte. Unglücklicherweise fiel
die Nacht damit ein, die Schiffsleute waren in der zunehmenden Direction
unsicher, der Sturm hatte die Seegel zerrissen, und da es uns schlechterdings
unmöglich war anzulanden, so mußte die Barke leichter gemacht werden, und
man warf nach Befehl des Capitäns noch den Mund- und Schiffs-Vorrath
auch meine Effekten über Bord, so daß mir nur sehr wenig blieb.

Unter meinem Verlust geht mir der meiner Zeichnungen, die ich seit
aus Athen bisher gemacht hatte, und eine kleine Sammlung von Antiken-
noch immer sehr zu Herzen; doch durch ein besonders Glück wurde mein
Messungs-Journal vom Tempel von Phigalien, dessen Verlust mir unersezlich
gewesen wäre, gerettet. Ich hatte, ich darf wohl sagen eine schreckliche nache-
ilt der Gefahr meines Lebens hingebracht. Erst um 2 Uhr nach Mitternacht
war es möglich das Fahrzeug an der entgegengesetzten nördlichen Küste von
der Insel Zarte, ohnweit Se. Nikolo ti Skinori an einen Felsriff mit
Tauen zu befestigen.

Der unausgesezte Sturm-Negen hatte mich bis auf die Haut durchnäßt,
und da ich nichts mehr um die Kleider zu wechseln hatte, muste ich so bis
am Morgen in der offenen Barke, wo man nur eine Bedeckung von Seegeln
hatte, aushalten, und in der beständigen Besorgniß durch die unaufhörlich
antobenden Wellen aufs neue loßgerissen und ins offene Meer geworfen zu
werden. Nachdem wir uns am Morgen am Lande etwas getrocknet hatten,
nahm ich meinen Weg zu Fuße zum nächsten Dorf, und ritt am andern Tag
nach der 18 Miglien entfernten Stadt Zarte, in Sturm und Regen. --

Hier wurde ich von der Fr. Gräfin Lunzi wahrhaft mütterlich aufge¬
nommen, und erhielt von ihr Geld-Vorschuß, da das meinige auch dem Meere
geopfert war, um nach Athen gehen zu können. Ausgerüstet mit dem Wohl¬
thaten dieser herrlichen Frau schiffte ich mich ein paar Tage darauf zum
zweiten mal ein, und kam ein paar Tage nachher bey gänzlicher Windstille
zu Chius an.

Von da aus reiste ich zu Lande bis Patrasz, dann zu Wasser bis an die
Scala von Salerno, von wo aus ich über Delphi, Livadia, Thebe-n
nach Athen zu kommen eilte, und daselbst mit Gott glücklich ankam. Ich
hatte die Freude, außer Gropius meinen braven Freund W. Gell dort zu
finden, was mir in dem neu erschütterten Zustand meiner Seele besonders
Wohlthat war. --

Mein jetzt ausgestandenes Unglück war nur eine Vorbereitung zu einem
sehr harten Jahre, das ich verleben sollte. Der Verkauf unserer Eginetischen
Marmor gieng zwar durch den Beauftragten des Kronprinzen von statten,
allein es entspannen sich dabey unseelige MißHelligkeiten unter einigen meine


Nach einer halbtägigen guten Fahrt erhub sich ein Sturm, der so heftig
wurde, daß er uns in die größte Lebensgefahr setzte. Unglücklicherweise fiel
die Nacht damit ein, die Schiffsleute waren in der zunehmenden Direction
unsicher, der Sturm hatte die Seegel zerrissen, und da es uns schlechterdings
unmöglich war anzulanden, so mußte die Barke leichter gemacht werden, und
man warf nach Befehl des Capitäns noch den Mund- und Schiffs-Vorrath
auch meine Effekten über Bord, so daß mir nur sehr wenig blieb.

Unter meinem Verlust geht mir der meiner Zeichnungen, die ich seit
aus Athen bisher gemacht hatte, und eine kleine Sammlung von Antiken-
noch immer sehr zu Herzen; doch durch ein besonders Glück wurde mein
Messungs-Journal vom Tempel von Phigalien, dessen Verlust mir unersezlich
gewesen wäre, gerettet. Ich hatte, ich darf wohl sagen eine schreckliche nache-
ilt der Gefahr meines Lebens hingebracht. Erst um 2 Uhr nach Mitternacht
war es möglich das Fahrzeug an der entgegengesetzten nördlichen Küste von
der Insel Zarte, ohnweit Se. Nikolo ti Skinori an einen Felsriff mit
Tauen zu befestigen.

Der unausgesezte Sturm-Negen hatte mich bis auf die Haut durchnäßt,
und da ich nichts mehr um die Kleider zu wechseln hatte, muste ich so bis
am Morgen in der offenen Barke, wo man nur eine Bedeckung von Seegeln
hatte, aushalten, und in der beständigen Besorgniß durch die unaufhörlich
antobenden Wellen aufs neue loßgerissen und ins offene Meer geworfen zu
werden. Nachdem wir uns am Morgen am Lande etwas getrocknet hatten,
nahm ich meinen Weg zu Fuße zum nächsten Dorf, und ritt am andern Tag
nach der 18 Miglien entfernten Stadt Zarte, in Sturm und Regen. —

Hier wurde ich von der Fr. Gräfin Lunzi wahrhaft mütterlich aufge¬
nommen, und erhielt von ihr Geld-Vorschuß, da das meinige auch dem Meere
geopfert war, um nach Athen gehen zu können. Ausgerüstet mit dem Wohl¬
thaten dieser herrlichen Frau schiffte ich mich ein paar Tage darauf zum
zweiten mal ein, und kam ein paar Tage nachher bey gänzlicher Windstille
zu Chius an.

Von da aus reiste ich zu Lande bis Patrasz, dann zu Wasser bis an die
Scala von Salerno, von wo aus ich über Delphi, Livadia, Thebe-n
nach Athen zu kommen eilte, und daselbst mit Gott glücklich ankam. Ich
hatte die Freude, außer Gropius meinen braven Freund W. Gell dort zu
finden, was mir in dem neu erschütterten Zustand meiner Seele besonders
Wohlthat war. —

Mein jetzt ausgestandenes Unglück war nur eine Vorbereitung zu einem
sehr harten Jahre, das ich verleben sollte. Der Verkauf unserer Eginetischen
Marmor gieng zwar durch den Beauftragten des Kronprinzen von statten,
allein es entspannen sich dabey unseelige MißHelligkeiten unter einigen meine


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[0270] Nach einer halbtägigen guten Fahrt erhub sich ein Sturm, der so heftig wurde, daß er uns in die größte Lebensgefahr setzte. Unglücklicherweise fiel die Nacht damit ein, die Schiffsleute waren in der zunehmenden Direction unsicher, der Sturm hatte die Seegel zerrissen, und da es uns schlechterdings unmöglich war anzulanden, so mußte die Barke leichter gemacht werden, und man warf nach Befehl des Capitäns noch den Mund- und Schiffs-Vorrath auch meine Effekten über Bord, so daß mir nur sehr wenig blieb. Unter meinem Verlust geht mir der meiner Zeichnungen, die ich seit aus Athen bisher gemacht hatte, und eine kleine Sammlung von Antiken- noch immer sehr zu Herzen; doch durch ein besonders Glück wurde mein Messungs-Journal vom Tempel von Phigalien, dessen Verlust mir unersezlich gewesen wäre, gerettet. Ich hatte, ich darf wohl sagen eine schreckliche nache- ilt der Gefahr meines Lebens hingebracht. Erst um 2 Uhr nach Mitternacht war es möglich das Fahrzeug an der entgegengesetzten nördlichen Küste von der Insel Zarte, ohnweit Se. Nikolo ti Skinori an einen Felsriff mit Tauen zu befestigen. Der unausgesezte Sturm-Negen hatte mich bis auf die Haut durchnäßt, und da ich nichts mehr um die Kleider zu wechseln hatte, muste ich so bis am Morgen in der offenen Barke, wo man nur eine Bedeckung von Seegeln hatte, aushalten, und in der beständigen Besorgniß durch die unaufhörlich antobenden Wellen aufs neue loßgerissen und ins offene Meer geworfen zu werden. Nachdem wir uns am Morgen am Lande etwas getrocknet hatten, nahm ich meinen Weg zu Fuße zum nächsten Dorf, und ritt am andern Tag nach der 18 Miglien entfernten Stadt Zarte, in Sturm und Regen. — Hier wurde ich von der Fr. Gräfin Lunzi wahrhaft mütterlich aufge¬ nommen, und erhielt von ihr Geld-Vorschuß, da das meinige auch dem Meere geopfert war, um nach Athen gehen zu können. Ausgerüstet mit dem Wohl¬ thaten dieser herrlichen Frau schiffte ich mich ein paar Tage darauf zum zweiten mal ein, und kam ein paar Tage nachher bey gänzlicher Windstille zu Chius an. Von da aus reiste ich zu Lande bis Patrasz, dann zu Wasser bis an die Scala von Salerno, von wo aus ich über Delphi, Livadia, Thebe-n nach Athen zu kommen eilte, und daselbst mit Gott glücklich ankam. Ich hatte die Freude, außer Gropius meinen braven Freund W. Gell dort zu finden, was mir in dem neu erschütterten Zustand meiner Seele besonders Wohlthat war. — Mein jetzt ausgestandenes Unglück war nur eine Vorbereitung zu einem sehr harten Jahre, das ich verleben sollte. Der Verkauf unserer Eginetischen Marmor gieng zwar durch den Beauftragten des Kronprinzen von statten, allein es entspannen sich dabey unseelige MißHelligkeiten unter einigen meine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/270>, abgerufen am 19.05.2024.