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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Allein die Stätte, wo der Prinz gefallen, steht, wie wir im weiteren Ver¬
lauf unserer Darstellung sehen werden, im engsten Zusammenhang mit der
Art und Weise, wie er gefallen, und ebendarum ist es wohl gerechtfertigt,
wenn wir uns bemühen, jene unrichtigen Angaben zu widerlegen, welche bis¬
her -- selbst von namhaften Historikern -- über das Ende des Prinzen und
über die Stelle, wo ein so glänzendes, reichbegabtes Menschenleben sein tra¬
gisches Geschick erfüllt, in verschiedenartigster Weise verbreitet wurden und
neuerdings aus der Eingangs gedachten Veranlassung wiederum verbreitet
worden sind.

Eben diesen Zweck verfolgte bereits eine werthvolle Abhandlung von
W. Roßmann*), welche in einem früheren Jahrgang der Grenzboten ab¬
gedruckt ist. Roßmann giebt hier zunächst eine interessante Zusammenstellung
der verschiedenen Lesarten, welche über das Ende des Prinzen Louis Ferdi¬
nand cursiren. So wird nämlich z. B. von Massenbach in dessen Denkwür¬
digkeiten und ebenso von den meisten französischen Historikern der Sachverhalt
so dargestellt, als ob der Prinz freiwillig den Tod gesucht und gefunden
habe; man hat dann diesen Akt angeblicher Verzweiflung auf verschiedene
Weise motivirt, ja sogar der Vermuthung Raum gegeben, als sei gerade
diese Absicht für den Prinzen das bestimmende Moment gewesen, ein ungleiches
Gefecht, welches einen so verhängnißvollen Ausgang haben sollte, einzugehen.
Andere dagegen, wie von der Marwitz, Varnhagen. Ferdinand Schmidt u. A.
berichten, daß der Prinz, als er gesehen, daß das Gefecht nicht mehr zu halten
sei, sich der allgemeinen Flucht angeschlossen habe. Auf dieser soll ihm nun
nach einigen Berichten der Tod durch eine Kugel geworden sein, während nach
der gewöhnlichen Darstellung das Pferd des Prinzen beim Uebersetzen über
einen Gartenzaun mit einem Fuße hängen geblieben, der Prinz in Folge da¬
von von den Verfolgern eingeholt und, wie die Einen sagen, von hinten er¬
stochen oder, wie Andere erzählen, nach tapferer Gegenwehr gefallen sein soll.
So stellt z. B. Hauffer**) das Ende des Prinzen folgender Maßen dar: "die
Umgebung des Prinzen erklärte sich für den Rückzug, er selber mochte sich
allmählich überzeugen, daß es, um einer Niederlage zu entgehen, keinen an¬
deren Ausweg mehr gebe. Schon waren an mehreren Stellen seine Leute zu¬
rückgedrängt, als ein neuer Reiterangriff in Unordnung zurückgeworfen ward.
Vergebens suchte der Prinz die Flüchtigen zum Stehen zu bringen, er ward
nur mit in den verworrenen Knäuel der Reiter hineingerissen und mußte da¬
ran denken, sich selber vor dem nachdrängenden Feinde zu retten. Sein Pferd
blieb aber beim Uebersetzen über einen Gartenzaun mit dem Fuße hängen;




') Vgl. Grenzboten, Jahrgang XXVI. (18K7), Ur. 42, S. 81 ff.
Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich's des Großen bis zur Gründung des deutschen
Bunde", it., S. 629.

Allein die Stätte, wo der Prinz gefallen, steht, wie wir im weiteren Ver¬
lauf unserer Darstellung sehen werden, im engsten Zusammenhang mit der
Art und Weise, wie er gefallen, und ebendarum ist es wohl gerechtfertigt,
wenn wir uns bemühen, jene unrichtigen Angaben zu widerlegen, welche bis¬
her — selbst von namhaften Historikern — über das Ende des Prinzen und
über die Stelle, wo ein so glänzendes, reichbegabtes Menschenleben sein tra¬
gisches Geschick erfüllt, in verschiedenartigster Weise verbreitet wurden und
neuerdings aus der Eingangs gedachten Veranlassung wiederum verbreitet
worden sind.

Eben diesen Zweck verfolgte bereits eine werthvolle Abhandlung von
W. Roßmann*), welche in einem früheren Jahrgang der Grenzboten ab¬
gedruckt ist. Roßmann giebt hier zunächst eine interessante Zusammenstellung
der verschiedenen Lesarten, welche über das Ende des Prinzen Louis Ferdi¬
nand cursiren. So wird nämlich z. B. von Massenbach in dessen Denkwür¬
digkeiten und ebenso von den meisten französischen Historikern der Sachverhalt
so dargestellt, als ob der Prinz freiwillig den Tod gesucht und gefunden
habe; man hat dann diesen Akt angeblicher Verzweiflung auf verschiedene
Weise motivirt, ja sogar der Vermuthung Raum gegeben, als sei gerade
diese Absicht für den Prinzen das bestimmende Moment gewesen, ein ungleiches
Gefecht, welches einen so verhängnißvollen Ausgang haben sollte, einzugehen.
Andere dagegen, wie von der Marwitz, Varnhagen. Ferdinand Schmidt u. A.
berichten, daß der Prinz, als er gesehen, daß das Gefecht nicht mehr zu halten
sei, sich der allgemeinen Flucht angeschlossen habe. Auf dieser soll ihm nun
nach einigen Berichten der Tod durch eine Kugel geworden sein, während nach
der gewöhnlichen Darstellung das Pferd des Prinzen beim Uebersetzen über
einen Gartenzaun mit einem Fuße hängen geblieben, der Prinz in Folge da¬
von von den Verfolgern eingeholt und, wie die Einen sagen, von hinten er¬
stochen oder, wie Andere erzählen, nach tapferer Gegenwehr gefallen sein soll.
So stellt z. B. Hauffer**) das Ende des Prinzen folgender Maßen dar: „die
Umgebung des Prinzen erklärte sich für den Rückzug, er selber mochte sich
allmählich überzeugen, daß es, um einer Niederlage zu entgehen, keinen an¬
deren Ausweg mehr gebe. Schon waren an mehreren Stellen seine Leute zu¬
rückgedrängt, als ein neuer Reiterangriff in Unordnung zurückgeworfen ward.
Vergebens suchte der Prinz die Flüchtigen zum Stehen zu bringen, er ward
nur mit in den verworrenen Knäuel der Reiter hineingerissen und mußte da¬
ran denken, sich selber vor dem nachdrängenden Feinde zu retten. Sein Pferd
blieb aber beim Uebersetzen über einen Gartenzaun mit dem Fuße hängen;




') Vgl. Grenzboten, Jahrgang XXVI. (18K7), Ur. 42, S. 81 ff.
Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich's des Großen bis zur Gründung des deutschen
Bunde«, it., S. 629.
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[0034] Allein die Stätte, wo der Prinz gefallen, steht, wie wir im weiteren Ver¬ lauf unserer Darstellung sehen werden, im engsten Zusammenhang mit der Art und Weise, wie er gefallen, und ebendarum ist es wohl gerechtfertigt, wenn wir uns bemühen, jene unrichtigen Angaben zu widerlegen, welche bis¬ her — selbst von namhaften Historikern — über das Ende des Prinzen und über die Stelle, wo ein so glänzendes, reichbegabtes Menschenleben sein tra¬ gisches Geschick erfüllt, in verschiedenartigster Weise verbreitet wurden und neuerdings aus der Eingangs gedachten Veranlassung wiederum verbreitet worden sind. Eben diesen Zweck verfolgte bereits eine werthvolle Abhandlung von W. Roßmann*), welche in einem früheren Jahrgang der Grenzboten ab¬ gedruckt ist. Roßmann giebt hier zunächst eine interessante Zusammenstellung der verschiedenen Lesarten, welche über das Ende des Prinzen Louis Ferdi¬ nand cursiren. So wird nämlich z. B. von Massenbach in dessen Denkwür¬ digkeiten und ebenso von den meisten französischen Historikern der Sachverhalt so dargestellt, als ob der Prinz freiwillig den Tod gesucht und gefunden habe; man hat dann diesen Akt angeblicher Verzweiflung auf verschiedene Weise motivirt, ja sogar der Vermuthung Raum gegeben, als sei gerade diese Absicht für den Prinzen das bestimmende Moment gewesen, ein ungleiches Gefecht, welches einen so verhängnißvollen Ausgang haben sollte, einzugehen. Andere dagegen, wie von der Marwitz, Varnhagen. Ferdinand Schmidt u. A. berichten, daß der Prinz, als er gesehen, daß das Gefecht nicht mehr zu halten sei, sich der allgemeinen Flucht angeschlossen habe. Auf dieser soll ihm nun nach einigen Berichten der Tod durch eine Kugel geworden sein, während nach der gewöhnlichen Darstellung das Pferd des Prinzen beim Uebersetzen über einen Gartenzaun mit einem Fuße hängen geblieben, der Prinz in Folge da¬ von von den Verfolgern eingeholt und, wie die Einen sagen, von hinten er¬ stochen oder, wie Andere erzählen, nach tapferer Gegenwehr gefallen sein soll. So stellt z. B. Hauffer**) das Ende des Prinzen folgender Maßen dar: „die Umgebung des Prinzen erklärte sich für den Rückzug, er selber mochte sich allmählich überzeugen, daß es, um einer Niederlage zu entgehen, keinen an¬ deren Ausweg mehr gebe. Schon waren an mehreren Stellen seine Leute zu¬ rückgedrängt, als ein neuer Reiterangriff in Unordnung zurückgeworfen ward. Vergebens suchte der Prinz die Flüchtigen zum Stehen zu bringen, er ward nur mit in den verworrenen Knäuel der Reiter hineingerissen und mußte da¬ ran denken, sich selber vor dem nachdrängenden Feinde zu retten. Sein Pferd blieb aber beim Uebersetzen über einen Gartenzaun mit dem Fuße hängen; ') Vgl. Grenzboten, Jahrgang XXVI. (18K7), Ur. 42, S. 81 ff. Deutsche Geschichte vom Tode Friedrich's des Großen bis zur Gründung des deutschen Bunde«, it., S. 629.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/34>, abgerufen am 27.05.2024.