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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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städtischen Behörden, denn sie würden sich schon aus sachlichen Interesse für
das Zustandekommen aller möglichen Verkehrserleichterungen erwärmen und
sollten sie wirklich einmal zu weit gehen wollen, so wäre in den andern
Elementen der Verwaltung ein ausreichendes Correctiv gegen solche Aus¬
schreitungsversuche vorhanden. -- Bei den Staatsbehörden besonders den Staats¬
eisenbahnen sind in letzterer Zeit auch wiederholte Versuche gemacht worden
die bisherigen Einrichtungen zu ändern, und werden dieselben wohl auch zu
einem günstigen Resultat führen; bei den städtischen Verwaltungen aber ent¬
scheiden leider nur zu häufig Personen über rein technische Fragen, die eben¬
sowenig Verständniß dafür besitzen, wie Techniker für rein medicinische oder
juristische Fragen. Man kann eben niemals Alles verstehen. Auch in dieser
Hinsicht ist England, meiner Ansicht nach, Deutschland weit voraus. Ist
es doch auch natürlich genug, daß in einem Lande, das gerade den Maschinen-
und Eisenbahntechnikern nicht den schlechtesten Theil seiner Blüthe verdankt,
denselben der ihnen gebührende Einfluß in allen Zweigen der Verwaltung
eingeräumt ist.

So findet sich auch in London im Hyde Park am Albertmemorial, welches
im vollsten Sinne des Wortes ein Nationaldenkmal ist, die Baukunst und
Wissenschaft als eine der vier allegorischen Figuren des Postaments dargestellt,
während in Deutschland die Baukunst von den andern Künsten kaum als
ebenbürtig zugelassen wird und selbst sogenannte Gebildete kaum zu wissen
scheinen, daß es eine Bauwissenschaft gibt, so gut wie jede andere Wissenschaft.

Es liegt wahrlich nicht der geringste Grund vor, den deutschen Technikern
den Einfluß, den dieselben in andern Ländern und besonders in England aus¬
üben, nicht zuzugestehen, denn die heutige Technik in Deutschland ist der der
andern Staaten mindestens ebenbürtig und in Bezug auf allgemeine Bildung
sind die Vertreter derselben ihren fiemdländischen Collegen, Dank der überall
verlangten deutschen Gymnasialbildung, wohl überlegen.

Wenn erst über technische Fragen die Techniker nicht nur gehört werden,
sondern auch darüber die entscheidenden Stimmen abgeben, dann wird man
auch viel weniger skrupulös mit der Ueberwindung sogenannter technischer
Schwierigkeiten sein, denn es wird und muß dann den maßgebenden Persön¬
lichkeiten alles daran liegen, sie zu beseitigen, sie werden ihr ganzes Wissen
und ihre ganze Kraft viel freudiger einsetzen, dieselben zu überwinden, als
wenn sie nur um ihren Rath befragt, im Uebrigen aber überall als fünftes
Rad am Wagen angesehen werden.

Die neuere Baugeschichte der deutschen Großstädte und vor allem die Ge¬
schichte der noch immer der Ausführung harrenden Markthallen. Fleischhallen
und Schlachthäuser, sowie der Canalisation von Berlin ist in dieser Hinsicht
überaus lehrreich. Es ist zwar eine sehr schöne Errungenschaft die Selvstver"


städtischen Behörden, denn sie würden sich schon aus sachlichen Interesse für
das Zustandekommen aller möglichen Verkehrserleichterungen erwärmen und
sollten sie wirklich einmal zu weit gehen wollen, so wäre in den andern
Elementen der Verwaltung ein ausreichendes Correctiv gegen solche Aus¬
schreitungsversuche vorhanden. — Bei den Staatsbehörden besonders den Staats¬
eisenbahnen sind in letzterer Zeit auch wiederholte Versuche gemacht worden
die bisherigen Einrichtungen zu ändern, und werden dieselben wohl auch zu
einem günstigen Resultat führen; bei den städtischen Verwaltungen aber ent¬
scheiden leider nur zu häufig Personen über rein technische Fragen, die eben¬
sowenig Verständniß dafür besitzen, wie Techniker für rein medicinische oder
juristische Fragen. Man kann eben niemals Alles verstehen. Auch in dieser
Hinsicht ist England, meiner Ansicht nach, Deutschland weit voraus. Ist
es doch auch natürlich genug, daß in einem Lande, das gerade den Maschinen-
und Eisenbahntechnikern nicht den schlechtesten Theil seiner Blüthe verdankt,
denselben der ihnen gebührende Einfluß in allen Zweigen der Verwaltung
eingeräumt ist.

So findet sich auch in London im Hyde Park am Albertmemorial, welches
im vollsten Sinne des Wortes ein Nationaldenkmal ist, die Baukunst und
Wissenschaft als eine der vier allegorischen Figuren des Postaments dargestellt,
während in Deutschland die Baukunst von den andern Künsten kaum als
ebenbürtig zugelassen wird und selbst sogenannte Gebildete kaum zu wissen
scheinen, daß es eine Bauwissenschaft gibt, so gut wie jede andere Wissenschaft.

Es liegt wahrlich nicht der geringste Grund vor, den deutschen Technikern
den Einfluß, den dieselben in andern Ländern und besonders in England aus¬
üben, nicht zuzugestehen, denn die heutige Technik in Deutschland ist der der
andern Staaten mindestens ebenbürtig und in Bezug auf allgemeine Bildung
sind die Vertreter derselben ihren fiemdländischen Collegen, Dank der überall
verlangten deutschen Gymnasialbildung, wohl überlegen.

Wenn erst über technische Fragen die Techniker nicht nur gehört werden,
sondern auch darüber die entscheidenden Stimmen abgeben, dann wird man
auch viel weniger skrupulös mit der Ueberwindung sogenannter technischer
Schwierigkeiten sein, denn es wird und muß dann den maßgebenden Persön¬
lichkeiten alles daran liegen, sie zu beseitigen, sie werden ihr ganzes Wissen
und ihre ganze Kraft viel freudiger einsetzen, dieselben zu überwinden, als
wenn sie nur um ihren Rath befragt, im Uebrigen aber überall als fünftes
Rad am Wagen angesehen werden.

Die neuere Baugeschichte der deutschen Großstädte und vor allem die Ge¬
schichte der noch immer der Ausführung harrenden Markthallen. Fleischhallen
und Schlachthäuser, sowie der Canalisation von Berlin ist in dieser Hinsicht
überaus lehrreich. Es ist zwar eine sehr schöne Errungenschaft die Selvstver»


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[0045] städtischen Behörden, denn sie würden sich schon aus sachlichen Interesse für das Zustandekommen aller möglichen Verkehrserleichterungen erwärmen und sollten sie wirklich einmal zu weit gehen wollen, so wäre in den andern Elementen der Verwaltung ein ausreichendes Correctiv gegen solche Aus¬ schreitungsversuche vorhanden. — Bei den Staatsbehörden besonders den Staats¬ eisenbahnen sind in letzterer Zeit auch wiederholte Versuche gemacht worden die bisherigen Einrichtungen zu ändern, und werden dieselben wohl auch zu einem günstigen Resultat führen; bei den städtischen Verwaltungen aber ent¬ scheiden leider nur zu häufig Personen über rein technische Fragen, die eben¬ sowenig Verständniß dafür besitzen, wie Techniker für rein medicinische oder juristische Fragen. Man kann eben niemals Alles verstehen. Auch in dieser Hinsicht ist England, meiner Ansicht nach, Deutschland weit voraus. Ist es doch auch natürlich genug, daß in einem Lande, das gerade den Maschinen- und Eisenbahntechnikern nicht den schlechtesten Theil seiner Blüthe verdankt, denselben der ihnen gebührende Einfluß in allen Zweigen der Verwaltung eingeräumt ist. So findet sich auch in London im Hyde Park am Albertmemorial, welches im vollsten Sinne des Wortes ein Nationaldenkmal ist, die Baukunst und Wissenschaft als eine der vier allegorischen Figuren des Postaments dargestellt, während in Deutschland die Baukunst von den andern Künsten kaum als ebenbürtig zugelassen wird und selbst sogenannte Gebildete kaum zu wissen scheinen, daß es eine Bauwissenschaft gibt, so gut wie jede andere Wissenschaft. Es liegt wahrlich nicht der geringste Grund vor, den deutschen Technikern den Einfluß, den dieselben in andern Ländern und besonders in England aus¬ üben, nicht zuzugestehen, denn die heutige Technik in Deutschland ist der der andern Staaten mindestens ebenbürtig und in Bezug auf allgemeine Bildung sind die Vertreter derselben ihren fiemdländischen Collegen, Dank der überall verlangten deutschen Gymnasialbildung, wohl überlegen. Wenn erst über technische Fragen die Techniker nicht nur gehört werden, sondern auch darüber die entscheidenden Stimmen abgeben, dann wird man auch viel weniger skrupulös mit der Ueberwindung sogenannter technischer Schwierigkeiten sein, denn es wird und muß dann den maßgebenden Persön¬ lichkeiten alles daran liegen, sie zu beseitigen, sie werden ihr ganzes Wissen und ihre ganze Kraft viel freudiger einsetzen, dieselben zu überwinden, als wenn sie nur um ihren Rath befragt, im Uebrigen aber überall als fünftes Rad am Wagen angesehen werden. Die neuere Baugeschichte der deutschen Großstädte und vor allem die Ge¬ schichte der noch immer der Ausführung harrenden Markthallen. Fleischhallen und Schlachthäuser, sowie der Canalisation von Berlin ist in dieser Hinsicht überaus lehrreich. Es ist zwar eine sehr schöne Errungenschaft die Selvstver»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/45>, abgerufen am 28.05.2024.