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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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der verschiedenen Deutschen Häfen in fernen Gegenden entfalteten, suchte der
Ausländer vergeblich das Symbol einer Deutschen Nation. Erst seit Grün¬
dung des Norddeutschen Bundes änderten sich die Verhältnisse wesentlich.
Dem Jahre 1866 war die Deutsche Kriegsflotte, die Deutsche Flagge und
der Beginn einer Deutschen Seegesetzgebung zu danken. In jene Zeit, ins
Jahr 1867 fallen auch die ersten Bestrebungen zur Hebung der Deutschen
Seefischerei. Dieses Gewerbe war bisher besonders an der Deutschen Nord-
seeküste vernachlässigt und zurückgekommen. Englische und Holländische
Fischerflotten holten, mit den besten Fangapparaten ausgerüstet, und in
ihrem Betriebe auf dem zeitgemäßen wirthschaftlichen Grundsatze der Theilung
der Arbeit basirt, die Schätze des Meeres bis dicht an der Deutschen Küste
herauf. Es war natürlich, daß die ersten thatkräftigen Schritte, um die
Deutsche Seefischerei auf eine höhere Stufe zu heben, von den Hansestädten
ausgingen. In Hamburg und in Bremen bildeten sich mit namhaften Capi¬
talien Fischereigesellschaften, welche den Betrieb nach der in England neuer¬
dings bewährten Methode der Schleppnetzfischerei und der Aufbewahrung
des Fisches in Eis bis zur Ankunft am Markte, in Angriff nahmen. Allein
diese Gesellschaften hatten keinen Bestand. Nachdem sie eine Reihe von Ver¬
lusten erfahren, mußten sie liquidiren; die schönen, wohl eingerichteten Fahr¬
zeuge kamen unter den Hammer des Auctionators und gingen auf diese Weise
zum größten Theil wieder nach England zurück, von wo man sie hergeholt
hatte. Nur einzelne Fahrzeuge blieben in Deutschen Händen, die verbesserte
Fangmethode erhielt sich auf diese Weise, wenn auch im kleinen Umfang des
Betriebes, bis heute. Die Ursachen des Mißlingens jener Unternehmungen
waren mancherlei Art, und es ist viel darüber gestritten worden, worin die
Hauptursache lag, daß sie zu Falle kamen. An außerordentlichem Mißgeschick
hatte es auch hier, wie bei so manchen neuen Unternehmungen, nicht gefehlt.
Der Krieg unterbrach den eben in der Entwicklung begriffenen Betrieb und
wirkte, indem er ihm die eingeübte Mannschaft entzog, und das in den
Fahrzeugen und Apparaten steckende Capital brach legte, empfindlich schädigend
ein. Die Deutschen Eisenbahnverwaltungen konnten sich nicht in die For¬
derung, welche der Absatz der Fische bedingte, finden, daß dieselben mit den
schnellsten Zügen und ermäßigten Preisen nach den binnenländischen Märkten
verführt werden sollten. In England, wo die Eisenbahnverwaltung schon
von Anfang an in kaufmännischer Weise und ohne jeden Beigeschmack vom
bureaukratischen Wesen betrieben wurde, kannte man diese Schwierigkeiten
nicht. Man muß es gesehen haben, mit welcher Leichtigkeit dort dieser Trans¬
port vor sich geht. In Great Grimsby (an der Ostküste Englands) legen
z. B. die Fischer-Fahrzeuge unmittelbar an der einen Seite der von der betr.
Eisenbahn - Compagnie erbauten Fischhnlle an. Die Fische kommen in der


der verschiedenen Deutschen Häfen in fernen Gegenden entfalteten, suchte der
Ausländer vergeblich das Symbol einer Deutschen Nation. Erst seit Grün¬
dung des Norddeutschen Bundes änderten sich die Verhältnisse wesentlich.
Dem Jahre 1866 war die Deutsche Kriegsflotte, die Deutsche Flagge und
der Beginn einer Deutschen Seegesetzgebung zu danken. In jene Zeit, ins
Jahr 1867 fallen auch die ersten Bestrebungen zur Hebung der Deutschen
Seefischerei. Dieses Gewerbe war bisher besonders an der Deutschen Nord-
seeküste vernachlässigt und zurückgekommen. Englische und Holländische
Fischerflotten holten, mit den besten Fangapparaten ausgerüstet, und in
ihrem Betriebe auf dem zeitgemäßen wirthschaftlichen Grundsatze der Theilung
der Arbeit basirt, die Schätze des Meeres bis dicht an der Deutschen Küste
herauf. Es war natürlich, daß die ersten thatkräftigen Schritte, um die
Deutsche Seefischerei auf eine höhere Stufe zu heben, von den Hansestädten
ausgingen. In Hamburg und in Bremen bildeten sich mit namhaften Capi¬
talien Fischereigesellschaften, welche den Betrieb nach der in England neuer¬
dings bewährten Methode der Schleppnetzfischerei und der Aufbewahrung
des Fisches in Eis bis zur Ankunft am Markte, in Angriff nahmen. Allein
diese Gesellschaften hatten keinen Bestand. Nachdem sie eine Reihe von Ver¬
lusten erfahren, mußten sie liquidiren; die schönen, wohl eingerichteten Fahr¬
zeuge kamen unter den Hammer des Auctionators und gingen auf diese Weise
zum größten Theil wieder nach England zurück, von wo man sie hergeholt
hatte. Nur einzelne Fahrzeuge blieben in Deutschen Händen, die verbesserte
Fangmethode erhielt sich auf diese Weise, wenn auch im kleinen Umfang des
Betriebes, bis heute. Die Ursachen des Mißlingens jener Unternehmungen
waren mancherlei Art, und es ist viel darüber gestritten worden, worin die
Hauptursache lag, daß sie zu Falle kamen. An außerordentlichem Mißgeschick
hatte es auch hier, wie bei so manchen neuen Unternehmungen, nicht gefehlt.
Der Krieg unterbrach den eben in der Entwicklung begriffenen Betrieb und
wirkte, indem er ihm die eingeübte Mannschaft entzog, und das in den
Fahrzeugen und Apparaten steckende Capital brach legte, empfindlich schädigend
ein. Die Deutschen Eisenbahnverwaltungen konnten sich nicht in die For¬
derung, welche der Absatz der Fische bedingte, finden, daß dieselben mit den
schnellsten Zügen und ermäßigten Preisen nach den binnenländischen Märkten
verführt werden sollten. In England, wo die Eisenbahnverwaltung schon
von Anfang an in kaufmännischer Weise und ohne jeden Beigeschmack vom
bureaukratischen Wesen betrieben wurde, kannte man diese Schwierigkeiten
nicht. Man muß es gesehen haben, mit welcher Leichtigkeit dort dieser Trans¬
port vor sich geht. In Great Grimsby (an der Ostküste Englands) legen
z. B. die Fischer-Fahrzeuge unmittelbar an der einen Seite der von der betr.
Eisenbahn - Compagnie erbauten Fischhnlle an. Die Fische kommen in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/496>, abgerufen am 19.05.2024.