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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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lichen Ordensgemeinschaften als Vereinigungen definirt, deren Mitglieder ver¬
möge zeitweiliger oder für immer bindender Versprechen nach einer bestimmten
Regel und mit Unterordnung unter bestimmte Obere leben. Diese Definition
und zum Theil das ganze neue Gesetz ist gegen den Orden der barmherzigen
Schwestern der heiligen Vincenz de Paula gerichtet. Denn als im Jahr 1861
die Klöster in Mexiko aufgehoben wurden, ward der Orden jener barmher¬
zigen Schwestern ausdrücklich ausgenommen. Jetzt hat man die Nothwendig¬
keit erkannt, gerade diesen Orden noch zu beseitigen. Ueber die Gründe giebt
den besten Ausschluß eine Schrift des Herrn Juan Jost Baz. Derselbe war
Mitglied der mit der Ausarbeitung des Gesetzes beauftragten Commission
und hat die drei wichtigsten Reden, welche er zur Vertheidigung der Vorlage
im Congreß gehalten, in Form einer Broschüre zusammengestellt und ver¬
öffentlicht. Wir werden allerdings nicht leugnen können, daß die Definition
der klösterlichen Ordensgemeinschaften etwas zu weit ausgefallen ist, indem
sie, um die barmherzigen Schwestern nachträglich mit dem Ve.rfasfungsverbot
gegen die klösterlichen Orden zu treffen, diese Orden so definirt, daß alle
Negularorden, auch wenn sie ein klösterliches Zusammenleben nicht vorschreiben,
unter die Definition gesaßt werden. Es ist indeß nicht meine Sache, darüber
zu richten, ob der mexikanische Congreß nicht juristisch correkter verfahren
wäre, wenn er die geistlichen Orden überhaupt verboten hätte, anstatt einen
Theil derselben so zu definiren, daß er alle umfaßt. Worauf es ankommt,
ist, ob das Verbot gegen die barmherzigen Schwestern gerechtfertigt war, und
dafür finden sich die schlagendsten Gründe.

Das Haupt der barmherzigen Schwestern ist der im Mutterhaus zu Paris
refidirende Generalsuperior. Dieser allein ernennt die Delegirten, welche die
über alle Theile des Erdballs verstreuten Filialen mit unbeschränkter Macht¬
vollkommenheit verwalten. Es giebt kein Recht der Mitglieder, die Oberen
aus ihrer Mitte zu wählen, nicht einmal die Wahl des Beichtvaters ist den
Mitgliedern vergönnt. Die Schwesterschaft stellt nach Allem sich dar als ein
in Mexiko thätiges Organ des Auslandes. In Paris heimisch, betrachtet sie
sich mit ihren über die verschiedensten Ländern verzweigten Niederlassungen cM
eine große französische Körperschaft, und wird als solche von Frankreich
anerkannt und geschützt. Sehr interessant sind die Beweise für diese That¬
sache , welche Herr Baz mittheilt. Er führt u. A. an eine Note des kaiser¬
lichen Gesandten Marquis des Gabriac vom Januar 18L8, worin derselbe
Maßregeln zum Schutz der Niederlassungen der Schwestern gegen die Ge¬
fahren des Bürgerkrieges verlangt. In dieser Note werden die barmherzigen
Schwestern und die Lazaristen als französische Körperschaften bezeichnet, welche
der Gesandte Frankreichs nach ausdrücklicher Anweisung seiner Regierung als
unter seinem Schutz stehend betrachte. Herr Baz führt eine zweite Note


lichen Ordensgemeinschaften als Vereinigungen definirt, deren Mitglieder ver¬
möge zeitweiliger oder für immer bindender Versprechen nach einer bestimmten
Regel und mit Unterordnung unter bestimmte Obere leben. Diese Definition
und zum Theil das ganze neue Gesetz ist gegen den Orden der barmherzigen
Schwestern der heiligen Vincenz de Paula gerichtet. Denn als im Jahr 1861
die Klöster in Mexiko aufgehoben wurden, ward der Orden jener barmher¬
zigen Schwestern ausdrücklich ausgenommen. Jetzt hat man die Nothwendig¬
keit erkannt, gerade diesen Orden noch zu beseitigen. Ueber die Gründe giebt
den besten Ausschluß eine Schrift des Herrn Juan Jost Baz. Derselbe war
Mitglied der mit der Ausarbeitung des Gesetzes beauftragten Commission
und hat die drei wichtigsten Reden, welche er zur Vertheidigung der Vorlage
im Congreß gehalten, in Form einer Broschüre zusammengestellt und ver¬
öffentlicht. Wir werden allerdings nicht leugnen können, daß die Definition
der klösterlichen Ordensgemeinschaften etwas zu weit ausgefallen ist, indem
sie, um die barmherzigen Schwestern nachträglich mit dem Ve.rfasfungsverbot
gegen die klösterlichen Orden zu treffen, diese Orden so definirt, daß alle
Negularorden, auch wenn sie ein klösterliches Zusammenleben nicht vorschreiben,
unter die Definition gesaßt werden. Es ist indeß nicht meine Sache, darüber
zu richten, ob der mexikanische Congreß nicht juristisch correkter verfahren
wäre, wenn er die geistlichen Orden überhaupt verboten hätte, anstatt einen
Theil derselben so zu definiren, daß er alle umfaßt. Worauf es ankommt,
ist, ob das Verbot gegen die barmherzigen Schwestern gerechtfertigt war, und
dafür finden sich die schlagendsten Gründe.

Das Haupt der barmherzigen Schwestern ist der im Mutterhaus zu Paris
refidirende Generalsuperior. Dieser allein ernennt die Delegirten, welche die
über alle Theile des Erdballs verstreuten Filialen mit unbeschränkter Macht¬
vollkommenheit verwalten. Es giebt kein Recht der Mitglieder, die Oberen
aus ihrer Mitte zu wählen, nicht einmal die Wahl des Beichtvaters ist den
Mitgliedern vergönnt. Die Schwesterschaft stellt nach Allem sich dar als ein
in Mexiko thätiges Organ des Auslandes. In Paris heimisch, betrachtet sie
sich mit ihren über die verschiedensten Ländern verzweigten Niederlassungen cM
eine große französische Körperschaft, und wird als solche von Frankreich
anerkannt und geschützt. Sehr interessant sind die Beweise für diese That¬
sache , welche Herr Baz mittheilt. Er führt u. A. an eine Note des kaiser¬
lichen Gesandten Marquis des Gabriac vom Januar 18L8, worin derselbe
Maßregeln zum Schutz der Niederlassungen der Schwestern gegen die Ge¬
fahren des Bürgerkrieges verlangt. In dieser Note werden die barmherzigen
Schwestern und die Lazaristen als französische Körperschaften bezeichnet, welche
der Gesandte Frankreichs nach ausdrücklicher Anweisung seiner Regierung als
unter seinem Schutz stehend betrachte. Herr Baz führt eine zweite Note


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/161>, abgerufen am 28.05.2024.