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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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sammeln und das Ereigniß scharf ins Auge zu fassen. Mailand, Venedig
und der Papst vermochten keineswegs die Unternehmungen des jungen Königs
mit gleichgiltigen Augen anzuschauen. Die Republik Venedig hatte dem
Kriege nur deshalb unthätig zugesehn, um während der Dauer desselben in
Apulien und Calabrien Stapelplätze zu erwerben; eine so unerwartet rasche
Beendigung des Kampfes stand aber solchen Ansprüchen völlig entgegen.
Der Papst war leidenschaftlich aufgebracht gegen Charles VIII., zumal sich
einige der edleren Cardinäle um den König gesammelt hatten, welche ihn
zur Reinigung der im tiefsten Verfalle liegenden römischen Kirche drängten. --

Das Glück der Franzosen hatte endlich auch die Spanier und Deutsch¬
lands Kaiser gegen sie in die Schranken gerufen. Vornehmlich aber war die¬
ser Rückschlag das Werk desselben Fürsten, welcher sie nach Neapel gerufen:
Lodovico's von Mailand. Schon die französische Besetzung Pisas und der
florentinischen Festen hatte seine Unzufriedenheit erregt; jetzt war ihm, unter
dem Vorwande, die Eroberung Neapels sei noch nicht vollendet, das ihm ver¬
sprochene Fürstenthum Tarent vorenthalten, und als nun gar der in Asti zu¬
rückgebliebene Herzog von Orleans, welcher als Enkel der Valentin" Visconti
Ansprüche auf Mailand zu besitzen meinte, den Titel eines Herzogs von Mai¬
land annahm -- da blieb Ludovico Moro kaum etwas Anderes übrig, als
Partei gegen Frankreich zu nehmen, und seiner rührigen Energie ist das
schnelle Zusammenkommen des Bündnisses unsraglich zu verdanken. Man
kam überein, 34,000 Pferde und 20,000 Fußknechte aufzustellen, nämlich der
Papst 4000 Reiter, Maximilian 6000, der König von Spanien der Herzog von
Mailand und die Republik Venedig je 8000. Außerdem sollte jeder der Verbün¬
deten 4000 Mann zu Fuß aufbringen. Daneben wollte Spanien, 60, Venedig
40 Galeeren in Dienst stellen, um die Unternehmungen der Landheere zu
unterstützen und die befestigten Seeplätze Neapels, welche in französischen
Händen seien, zurück zu erobern. Am 31. Mai 1495 wurde die Liga zu Charles'
Vertreibung aus Italien abgeschlossen und seinem Gesandten in Venedig,
dem berühmten Historiker Commes, verkündigt. "Im Namen der heiligen
Dreifaltigkeit", ward ihm gesagt, "habe die Signoria mit dem Papste, den
Herren von Deutschland und Castilien, so wie mit dem Herzoge von Mailand,
zu folgendem Ende unterhandelt: die Christenheit gegen den Großtürken zu
schützen; Italien gegen jeden Einfall jedes Fremden zu vertheidigen, und end¬
lich sich ihre Staaten gegenseitig zu garantiren."

Der Unternehmung Charles' VIII. war hiermit das Urtheil gesprochen,
um somehr als sein und seines Heeres schamloses und freches Auftreten in
Unteritalien ihm die Sympathien des getäuschten Adels und des gedrückten
Volkes eben so schnell entzog, als er sie gewonnen hatte. Denn in seinen
Gunstbezeigungen gegen Cavaliere seines persönlichen Gefolges war der König


sammeln und das Ereigniß scharf ins Auge zu fassen. Mailand, Venedig
und der Papst vermochten keineswegs die Unternehmungen des jungen Königs
mit gleichgiltigen Augen anzuschauen. Die Republik Venedig hatte dem
Kriege nur deshalb unthätig zugesehn, um während der Dauer desselben in
Apulien und Calabrien Stapelplätze zu erwerben; eine so unerwartet rasche
Beendigung des Kampfes stand aber solchen Ansprüchen völlig entgegen.
Der Papst war leidenschaftlich aufgebracht gegen Charles VIII., zumal sich
einige der edleren Cardinäle um den König gesammelt hatten, welche ihn
zur Reinigung der im tiefsten Verfalle liegenden römischen Kirche drängten. —

Das Glück der Franzosen hatte endlich auch die Spanier und Deutsch¬
lands Kaiser gegen sie in die Schranken gerufen. Vornehmlich aber war die¬
ser Rückschlag das Werk desselben Fürsten, welcher sie nach Neapel gerufen:
Lodovico's von Mailand. Schon die französische Besetzung Pisas und der
florentinischen Festen hatte seine Unzufriedenheit erregt; jetzt war ihm, unter
dem Vorwande, die Eroberung Neapels sei noch nicht vollendet, das ihm ver¬
sprochene Fürstenthum Tarent vorenthalten, und als nun gar der in Asti zu¬
rückgebliebene Herzog von Orleans, welcher als Enkel der Valentin« Visconti
Ansprüche auf Mailand zu besitzen meinte, den Titel eines Herzogs von Mai¬
land annahm — da blieb Ludovico Moro kaum etwas Anderes übrig, als
Partei gegen Frankreich zu nehmen, und seiner rührigen Energie ist das
schnelle Zusammenkommen des Bündnisses unsraglich zu verdanken. Man
kam überein, 34,000 Pferde und 20,000 Fußknechte aufzustellen, nämlich der
Papst 4000 Reiter, Maximilian 6000, der König von Spanien der Herzog von
Mailand und die Republik Venedig je 8000. Außerdem sollte jeder der Verbün¬
deten 4000 Mann zu Fuß aufbringen. Daneben wollte Spanien, 60, Venedig
40 Galeeren in Dienst stellen, um die Unternehmungen der Landheere zu
unterstützen und die befestigten Seeplätze Neapels, welche in französischen
Händen seien, zurück zu erobern. Am 31. Mai 1495 wurde die Liga zu Charles'
Vertreibung aus Italien abgeschlossen und seinem Gesandten in Venedig,
dem berühmten Historiker Commes, verkündigt. „Im Namen der heiligen
Dreifaltigkeit", ward ihm gesagt, „habe die Signoria mit dem Papste, den
Herren von Deutschland und Castilien, so wie mit dem Herzoge von Mailand,
zu folgendem Ende unterhandelt: die Christenheit gegen den Großtürken zu
schützen; Italien gegen jeden Einfall jedes Fremden zu vertheidigen, und end¬
lich sich ihre Staaten gegenseitig zu garantiren."

Der Unternehmung Charles' VIII. war hiermit das Urtheil gesprochen,
um somehr als sein und seines Heeres schamloses und freches Auftreten in
Unteritalien ihm die Sympathien des getäuschten Adels und des gedrückten
Volkes eben so schnell entzog, als er sie gewonnen hatte. Denn in seinen
Gunstbezeigungen gegen Cavaliere seines persönlichen Gefolges war der König


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[0366] sammeln und das Ereigniß scharf ins Auge zu fassen. Mailand, Venedig und der Papst vermochten keineswegs die Unternehmungen des jungen Königs mit gleichgiltigen Augen anzuschauen. Die Republik Venedig hatte dem Kriege nur deshalb unthätig zugesehn, um während der Dauer desselben in Apulien und Calabrien Stapelplätze zu erwerben; eine so unerwartet rasche Beendigung des Kampfes stand aber solchen Ansprüchen völlig entgegen. Der Papst war leidenschaftlich aufgebracht gegen Charles VIII., zumal sich einige der edleren Cardinäle um den König gesammelt hatten, welche ihn zur Reinigung der im tiefsten Verfalle liegenden römischen Kirche drängten. — Das Glück der Franzosen hatte endlich auch die Spanier und Deutsch¬ lands Kaiser gegen sie in die Schranken gerufen. Vornehmlich aber war die¬ ser Rückschlag das Werk desselben Fürsten, welcher sie nach Neapel gerufen: Lodovico's von Mailand. Schon die französische Besetzung Pisas und der florentinischen Festen hatte seine Unzufriedenheit erregt; jetzt war ihm, unter dem Vorwande, die Eroberung Neapels sei noch nicht vollendet, das ihm ver¬ sprochene Fürstenthum Tarent vorenthalten, und als nun gar der in Asti zu¬ rückgebliebene Herzog von Orleans, welcher als Enkel der Valentin« Visconti Ansprüche auf Mailand zu besitzen meinte, den Titel eines Herzogs von Mai¬ land annahm — da blieb Ludovico Moro kaum etwas Anderes übrig, als Partei gegen Frankreich zu nehmen, und seiner rührigen Energie ist das schnelle Zusammenkommen des Bündnisses unsraglich zu verdanken. Man kam überein, 34,000 Pferde und 20,000 Fußknechte aufzustellen, nämlich der Papst 4000 Reiter, Maximilian 6000, der König von Spanien der Herzog von Mailand und die Republik Venedig je 8000. Außerdem sollte jeder der Verbün¬ deten 4000 Mann zu Fuß aufbringen. Daneben wollte Spanien, 60, Venedig 40 Galeeren in Dienst stellen, um die Unternehmungen der Landheere zu unterstützen und die befestigten Seeplätze Neapels, welche in französischen Händen seien, zurück zu erobern. Am 31. Mai 1495 wurde die Liga zu Charles' Vertreibung aus Italien abgeschlossen und seinem Gesandten in Venedig, dem berühmten Historiker Commes, verkündigt. „Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit", ward ihm gesagt, „habe die Signoria mit dem Papste, den Herren von Deutschland und Castilien, so wie mit dem Herzoge von Mailand, zu folgendem Ende unterhandelt: die Christenheit gegen den Großtürken zu schützen; Italien gegen jeden Einfall jedes Fremden zu vertheidigen, und end¬ lich sich ihre Staaten gegenseitig zu garantiren." Der Unternehmung Charles' VIII. war hiermit das Urtheil gesprochen, um somehr als sein und seines Heeres schamloses und freches Auftreten in Unteritalien ihm die Sympathien des getäuschten Adels und des gedrückten Volkes eben so schnell entzog, als er sie gewonnen hatte. Denn in seinen Gunstbezeigungen gegen Cavaliere seines persönlichen Gefolges war der König

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/366>, abgerufen am 28.05.2024.