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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Schluß, der die Aufhebung aller Studentenverbindungen aussprach und es den
einzelnen Reichsfürsten zur Pflicht machte, diese staatsgefährlichen Institute
aufs Strengste zu verfolgen. Aber die Reichsmaschine wirkte langsam. Erst
1798 schlug das Unwetter auch in Jena ein, und es gab eine gründliche
Amicistenaustreibung, die man aus dem "Guido von Taufkirchen" rechtfertigte.
Die Mosellaner und Amicisten sollten einen Staat im Staate bilden, eine poli¬
tische Verschwörung auf Lebenszeit sein, die Logenbrüder ihren Vorgesetzten
auch nach dem Abgang von der Universität blinden Gehorsam schulden.

Unsinn! Der Staat, den die jungen Herren bildeten, war ein Bierstaat.
Seine Bürger wurden, wie jeder anderer Student, wenn sie nicht verkamen,
nach der Heimkehr zu ihrer Frau Mutter zahme Philister und um so zahmer
gewöhnlich, je toller sie gewesen waren. Einzelne mögen sich um Politik ge¬
kümmert haben. Von der großen Mehrzahl aber gilt ohne Zweifel, was
Laukhard sagt:

"Die jungen Leute auf Universitäten sind fast durchgängig mit den
Staatsverhältnissen sehr unbekannt. Auf unsern Universitäten hört der zehnte
Student kaum ein Collegium über Reichshistorie; denn diese zu verstehen, muß
^an schon gar manche Vorkenntnisse haben, welche den Studenten meistens
fehlen." "Das Staatsrecht hört nur der Jurist, und der weiß am Ende
der Vorlesung gerade so viel, als er von Anfang wußte, d. h. nichts."

Der Geist der Orden ist übrigens durch die letzte Verfolgung nicht aus¬
gerottet worden. Er erhielt sich in den Corps des neunzehnten Jahrhunderts,
^ trieb im Tugendbünde einen neuen Zweig, der eine patriotische Tendenz
und Färbung hatte, er kehrte endlich in den innern Verbindungen und Kränz¬
chen der Burschenschaft wieder, die allerdings zuerst gegen das Ordens- und
Eorpswesen gestiftet wurde.

Der dies schrieb, hat selbst einem solchen Kränzchen angehört und sich
dadurch sehr geehrt und bewegt gefühlt. Das Geheimniß that wohl und
wachte bedeutend. Man sah sich im Stillen mit am Rade der Weltgeschichte
^ehen und das Wohl des Vaterlandes brauen. Man lächelt jetzt darüber,
und ich lächle mit besonderem Behagen, ich möchte, wenn das schicklich wäre,
^se laut lachen, wenn ich mir den vergegenwärtige, der damals der Weiseste
und Eifrigste unter uns war, und der, nachdem er der Universität kaum den
Zucker gekehrt, das reine-Gegentheil von dem betrieb und vertheidigte, was
seine Weisheit uns gelehrt und sein Eiser erstrebt hatte. Aber laut lachen
hieße in diesem Falle doppelt unschicklich sich aufführen. Der Leiter unseres
damaligen Kränzchens ist nämlich jetzt in Dresden Geheimrath und Hochwohl---
geboren, er hat einen Orden, vielleicht gar zwei, und darüber lacht der wohl¬
erzogne Staatsbürger nicht, ja am Ende darf er nicht einmal landete




Schluß, der die Aufhebung aller Studentenverbindungen aussprach und es den
einzelnen Reichsfürsten zur Pflicht machte, diese staatsgefährlichen Institute
aufs Strengste zu verfolgen. Aber die Reichsmaschine wirkte langsam. Erst
1798 schlug das Unwetter auch in Jena ein, und es gab eine gründliche
Amicistenaustreibung, die man aus dem „Guido von Taufkirchen" rechtfertigte.
Die Mosellaner und Amicisten sollten einen Staat im Staate bilden, eine poli¬
tische Verschwörung auf Lebenszeit sein, die Logenbrüder ihren Vorgesetzten
auch nach dem Abgang von der Universität blinden Gehorsam schulden.

Unsinn! Der Staat, den die jungen Herren bildeten, war ein Bierstaat.
Seine Bürger wurden, wie jeder anderer Student, wenn sie nicht verkamen,
nach der Heimkehr zu ihrer Frau Mutter zahme Philister und um so zahmer
gewöhnlich, je toller sie gewesen waren. Einzelne mögen sich um Politik ge¬
kümmert haben. Von der großen Mehrzahl aber gilt ohne Zweifel, was
Laukhard sagt:

„Die jungen Leute auf Universitäten sind fast durchgängig mit den
Staatsverhältnissen sehr unbekannt. Auf unsern Universitäten hört der zehnte
Student kaum ein Collegium über Reichshistorie; denn diese zu verstehen, muß
^an schon gar manche Vorkenntnisse haben, welche den Studenten meistens
fehlen." „Das Staatsrecht hört nur der Jurist, und der weiß am Ende
der Vorlesung gerade so viel, als er von Anfang wußte, d. h. nichts."

Der Geist der Orden ist übrigens durch die letzte Verfolgung nicht aus¬
gerottet worden. Er erhielt sich in den Corps des neunzehnten Jahrhunderts,
^ trieb im Tugendbünde einen neuen Zweig, der eine patriotische Tendenz
und Färbung hatte, er kehrte endlich in den innern Verbindungen und Kränz¬
chen der Burschenschaft wieder, die allerdings zuerst gegen das Ordens- und
Eorpswesen gestiftet wurde.

Der dies schrieb, hat selbst einem solchen Kränzchen angehört und sich
dadurch sehr geehrt und bewegt gefühlt. Das Geheimniß that wohl und
wachte bedeutend. Man sah sich im Stillen mit am Rade der Weltgeschichte
^ehen und das Wohl des Vaterlandes brauen. Man lächelt jetzt darüber,
und ich lächle mit besonderem Behagen, ich möchte, wenn das schicklich wäre,
^se laut lachen, wenn ich mir den vergegenwärtige, der damals der Weiseste
und Eifrigste unter uns war, und der, nachdem er der Universität kaum den
Zucker gekehrt, das reine-Gegentheil von dem betrieb und vertheidigte, was
seine Weisheit uns gelehrt und sein Eiser erstrebt hatte. Aber laut lachen
hieße in diesem Falle doppelt unschicklich sich aufführen. Der Leiter unseres
damaligen Kränzchens ist nämlich jetzt in Dresden Geheimrath und Hochwohl---
geboren, er hat einen Orden, vielleicht gar zwei, und darüber lacht der wohl¬
erzogne Staatsbürger nicht, ja am Ende darf er nicht einmal landete




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[0419] Schluß, der die Aufhebung aller Studentenverbindungen aussprach und es den einzelnen Reichsfürsten zur Pflicht machte, diese staatsgefährlichen Institute aufs Strengste zu verfolgen. Aber die Reichsmaschine wirkte langsam. Erst 1798 schlug das Unwetter auch in Jena ein, und es gab eine gründliche Amicistenaustreibung, die man aus dem „Guido von Taufkirchen" rechtfertigte. Die Mosellaner und Amicisten sollten einen Staat im Staate bilden, eine poli¬ tische Verschwörung auf Lebenszeit sein, die Logenbrüder ihren Vorgesetzten auch nach dem Abgang von der Universität blinden Gehorsam schulden. Unsinn! Der Staat, den die jungen Herren bildeten, war ein Bierstaat. Seine Bürger wurden, wie jeder anderer Student, wenn sie nicht verkamen, nach der Heimkehr zu ihrer Frau Mutter zahme Philister und um so zahmer gewöhnlich, je toller sie gewesen waren. Einzelne mögen sich um Politik ge¬ kümmert haben. Von der großen Mehrzahl aber gilt ohne Zweifel, was Laukhard sagt: „Die jungen Leute auf Universitäten sind fast durchgängig mit den Staatsverhältnissen sehr unbekannt. Auf unsern Universitäten hört der zehnte Student kaum ein Collegium über Reichshistorie; denn diese zu verstehen, muß ^an schon gar manche Vorkenntnisse haben, welche den Studenten meistens fehlen." „Das Staatsrecht hört nur der Jurist, und der weiß am Ende der Vorlesung gerade so viel, als er von Anfang wußte, d. h. nichts." Der Geist der Orden ist übrigens durch die letzte Verfolgung nicht aus¬ gerottet worden. Er erhielt sich in den Corps des neunzehnten Jahrhunderts, ^ trieb im Tugendbünde einen neuen Zweig, der eine patriotische Tendenz und Färbung hatte, er kehrte endlich in den innern Verbindungen und Kränz¬ chen der Burschenschaft wieder, die allerdings zuerst gegen das Ordens- und Eorpswesen gestiftet wurde. Der dies schrieb, hat selbst einem solchen Kränzchen angehört und sich dadurch sehr geehrt und bewegt gefühlt. Das Geheimniß that wohl und wachte bedeutend. Man sah sich im Stillen mit am Rade der Weltgeschichte ^ehen und das Wohl des Vaterlandes brauen. Man lächelt jetzt darüber, und ich lächle mit besonderem Behagen, ich möchte, wenn das schicklich wäre, ^se laut lachen, wenn ich mir den vergegenwärtige, der damals der Weiseste und Eifrigste unter uns war, und der, nachdem er der Universität kaum den Zucker gekehrt, das reine-Gegentheil von dem betrieb und vertheidigte, was seine Weisheit uns gelehrt und sein Eiser erstrebt hatte. Aber laut lachen hieße in diesem Falle doppelt unschicklich sich aufführen. Der Leiter unseres damaligen Kränzchens ist nämlich jetzt in Dresden Geheimrath und Hochwohl--- geboren, er hat einen Orden, vielleicht gar zwei, und darüber lacht der wohl¬ erzogne Staatsbürger nicht, ja am Ende darf er nicht einmal landete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/419>, abgerufen am 27.05.2024.