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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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hat. Jedenfalls ist der Inhalt des Panegyricus auf die Mittheilungen des
gefeierten Helden selbst zurückzuführen.

Schön hat dann, während er selbst für sich weitere Darlegungen über
die frühere Zeit niederschrieb,*) -- deren spätere Benutzung vorbehalten blieb,
-- einflußreiche Historiker von seiner Auffassung der Dinge zu überzeugen ver¬
sucht: so Pertz 1846 und Schlosser 1849. Er hat den Wunsch gehabt, einen
gewandten Biographen zu gewinnen, der seinen Ansprüchen und Ideen in der
Geschichtschreibung Eingang verschaffe: auf verschiedene hat er da nach und
nach, zuletzt bekanntlich auf Varnhagen, sein Auge geworfen. Dabei erregten
freilich diejenigen, welche von seinen Ideen abwichen, seinen Zorn, wie er
ihn über Pertz, Förster, Droysen gelegentlich ausgesprochen hat. Besonders
unbequem war ihm das "Leben Stein's" von Pertz. Diese reiche An-
sammlung von Material war ja geeignet, der Verbreitung seiner subjektiven
Urtheile und tendenziösen Beleuchtungen einen unübersteiglichen Damm ent¬
gegenzuwerfen. Die aktenmäßige Darlegung ist immer ein unangenehmes
Hinderniß, ein böser Feind für Parteiurtheile und Parteigeschichten.

Zuletzt nach seinem Tode hat ihn die Nemesis erreicht: in ungeschicktere
Hände konnte die Führung seiner Sache nicht fallen, als in die des Heraus¬
gebers seines Nachlasses. Fast könnte uns Mitleiden beschleichen mit dem
einst um unser Vaterland so verdienten Manne, der selbst so viel Mühe
aufgewandt hat seine eigene Verherrlichung in Scene zu setzen, und dem in
solcher Weise das, was er vorbereitet hat, zugerichtet wird!

Die Veröffentlichung der Papiere Schön's hat, abgesehen von der so
charakteristischen Selbstbiographie, eine Anzahl wichtiger Documente zu Tage
gefördert. Man kann nur wünschen, daß im Interesse der Geschichts¬
wissenschaft, ohne Rücksicht auf die Verherrlichung Schön's, ohne Rück¬
halt und ohne Nebenabsichten, in uneingeschränkter Vollständigkeit alles
historisch wichtige Material aus Schön's Nachlaß uns zugänglich gemacht
werde. Wenn die Familie Schön's zu diesem Akte ohne Nebengedanken und
ohne ängstliche Zurückhaltung sich entschließen wollte, dann würde sie in der
That sich einen voll begründeten Anspruch auf die Dankbarkeit und die Ver¬
ehrung aller Vaterlandsfreunde erwerben. Durch die offenste Enthüllung feiert
sie, wie heute die Dinge liegen, das Andenken Schön's am sichersten und
nachhaltigsten. Dazu ist es freilich unerläßlich, daß ein historischer Fach¬
mann, dem die wissenschaftliche Welt Vertrauen schenkt, die Fortsetzung der
Publikation leite. Und aus vollster Ueberzeugung würde ich -- zum Lohne
für meine dieser Frage gewidmete Arbeit wage ich selbst einen Vorschlag zu



Wir erinnern uns jener 1844 geschriebenen Denkwürdigkeiten, die in den Preußi¬
schen Jahrbüchern 1873 benutzt sind.
Grenzboten II. 1875. 63

hat. Jedenfalls ist der Inhalt des Panegyricus auf die Mittheilungen des
gefeierten Helden selbst zurückzuführen.

Schön hat dann, während er selbst für sich weitere Darlegungen über
die frühere Zeit niederschrieb,*) — deren spätere Benutzung vorbehalten blieb,
— einflußreiche Historiker von seiner Auffassung der Dinge zu überzeugen ver¬
sucht: so Pertz 1846 und Schlosser 1849. Er hat den Wunsch gehabt, einen
gewandten Biographen zu gewinnen, der seinen Ansprüchen und Ideen in der
Geschichtschreibung Eingang verschaffe: auf verschiedene hat er da nach und
nach, zuletzt bekanntlich auf Varnhagen, sein Auge geworfen. Dabei erregten
freilich diejenigen, welche von seinen Ideen abwichen, seinen Zorn, wie er
ihn über Pertz, Förster, Droysen gelegentlich ausgesprochen hat. Besonders
unbequem war ihm das „Leben Stein's" von Pertz. Diese reiche An-
sammlung von Material war ja geeignet, der Verbreitung seiner subjektiven
Urtheile und tendenziösen Beleuchtungen einen unübersteiglichen Damm ent¬
gegenzuwerfen. Die aktenmäßige Darlegung ist immer ein unangenehmes
Hinderniß, ein böser Feind für Parteiurtheile und Parteigeschichten.

Zuletzt nach seinem Tode hat ihn die Nemesis erreicht: in ungeschicktere
Hände konnte die Führung seiner Sache nicht fallen, als in die des Heraus¬
gebers seines Nachlasses. Fast könnte uns Mitleiden beschleichen mit dem
einst um unser Vaterland so verdienten Manne, der selbst so viel Mühe
aufgewandt hat seine eigene Verherrlichung in Scene zu setzen, und dem in
solcher Weise das, was er vorbereitet hat, zugerichtet wird!

Die Veröffentlichung der Papiere Schön's hat, abgesehen von der so
charakteristischen Selbstbiographie, eine Anzahl wichtiger Documente zu Tage
gefördert. Man kann nur wünschen, daß im Interesse der Geschichts¬
wissenschaft, ohne Rücksicht auf die Verherrlichung Schön's, ohne Rück¬
halt und ohne Nebenabsichten, in uneingeschränkter Vollständigkeit alles
historisch wichtige Material aus Schön's Nachlaß uns zugänglich gemacht
werde. Wenn die Familie Schön's zu diesem Akte ohne Nebengedanken und
ohne ängstliche Zurückhaltung sich entschließen wollte, dann würde sie in der
That sich einen voll begründeten Anspruch auf die Dankbarkeit und die Ver¬
ehrung aller Vaterlandsfreunde erwerben. Durch die offenste Enthüllung feiert
sie, wie heute die Dinge liegen, das Andenken Schön's am sichersten und
nachhaltigsten. Dazu ist es freilich unerläßlich, daß ein historischer Fach¬
mann, dem die wissenschaftliche Welt Vertrauen schenkt, die Fortsetzung der
Publikation leite. Und aus vollster Ueberzeugung würde ich — zum Lohne
für meine dieser Frage gewidmete Arbeit wage ich selbst einen Vorschlag zu



Wir erinnern uns jener 1844 geschriebenen Denkwürdigkeiten, die in den Preußi¬
schen Jahrbüchern 1873 benutzt sind.
Grenzboten II. 1875. 63
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/501>, abgerufen am 19.05.2024.